Zeit-Bombe Internet: Eine Rezension

Das Internet hat längst seinen festen Platz in unserem Alltag erobert. Bei allem Komfort, der damit verbunden ist, gibt es auch diverse Risiken. Daten können verloren gehen oder manipuliert werden, sicherheitsrelevante Systeme können ausfallen oder der Sabotage zum Opfer fallen, es drohen wirtschaftlicher Schaden durch Identitätsdiebstahl oder Hackangriffe. Der einzelne scheint machtlos ausgeliefert. Wir müssen die Kontrolle zurückgewinnen – meinen deshalb die Autoren Thomas Fischermann und Götz Hamann. Sie plädieren wortgewaltig für weniger Internet und mehr Vorsicht im Netz.

Warum tickt die Bombe? So fängt das Buch über die „Zeitbombe Internet“ an, die Autoren machen so gleich klar, dass es ihnen ernst ist. Sie beschäftigen sich intensiv mit den Risiken, die die zunehmende Vernetzung der Gesellschaft mit sich bringt, etwa durch unkontrolliertes Ansammeln von Daten in sozialen Netzwerken oder internationalen Onlinediensten, durch Hackangriffe oder Datenmissbrauch. Auch die zunehmende Abhängigkeit vom Computer an sich und der zunehmenden Vernetzung bereitet den beiden Autoren Sorge.

Thomas Fischermann und Götz Hamann sind ZEIT-Redakteure – und schreiben auch so. Wortgewaltig und häufig im Stile einer Reportage. Sie beschreiben ausführlich die Personen, die sie im Zuge ihrer Recherche getroffen und gesprochen haben, darunter Datenschützer und jede Menge Netzexperten und wichtige Personen aus der Branche. Das erhöht zwar mitunter den Lesespaß, lenkt allerdings auch vom Wesentlichen ab, lässt weniger Raum für wichtige Gedanken. Im Zweifel ist es nicht wichtig, welche Krawatte ein Gesprächspartner an hat oder ob er beim Reden ausladend mit den Händen gestikuliert, denn in einem solchen Buch geht es um das, was er sagt.

Thematisch lassen Fischermann und Hartmann nichts aus, was derzeit in Zusammenhang mit dem Internet diskutiert wird. Sie erklären verständlich und nachvollziehbar die Gefahren des Netzes, etwa beim Online-Banking oder Online-Shopping, bei der alltäglichen Computernutzung bis hin zum Einsatz von vernetzten Rechnern in Industrie und Medizin. Auch Identitätsdiebstahl und Datenmissbrauch sind ein allgegenwärtiges Thema im Buch. Die Vorzüge des neuen Mediums geraten dabei allerdings allzu oft in den Hintergrund.

Titel, Untertitel und auch die einzelnen Kapitel klingen alarmistisch: „Warum es heute gefährlich ist, den Computer einzuschalten“ oder „Wenn Hacker unseren Alltag ruinieren“. Da hat man als Leser nicht den Eindruck, den Autoren läge daran, das Internet sicherer zu machen, es klingt eigentlich so, als wollten sie es lieber abschaffen, weil nahezu ausschließlich Gefahr aus dem Netz droht.

Wenn man sich auf diese Rhetorik und die daraus resultierende Schlussfolgerung nicht einlässt, ist die Lektüre des Buches durchaus gewinnbringend. Es gibt jede Menge Anregungen und auch richtiger Gedanken, auch konkrete Forderungen, etwa nach einer EU-Richtlinie, die die Lagerung gespeicherter Daten auf Rechnern im jeweiligen Land fordert, um die Durchsetzbarkeit von Datenschutzgesetzen zu gewährleisten.

Das Buch liefert einen guten Überblick über die aktuellen Datenskandale und die Rolle der wichtigsten Player im Markt, von Google, über Apple bis Microsoft und Facebook. Wer nicht vom Fach ist, versteht nach der Lektüre die Zusammenhänge besser und kann die möglichen Konsequenzen von Missbrauch besser einschätzen. Auch den Kontrollverlust der Politik beklagen die Autoren, allerdings ohne allzu konkrete Ideen zu entwickeln, wie die Politik die Kontrolle zurückgewinnen könnte.

Mehr konkrete Ideen und Vorschläge, wie man es besser machen könnte, als Benutzer, als Anbieter im Internet, als in der Politik Verantwortlicher, das wünscht man sich als Leser. Vielleicht will das Buch aber auch nur erreichen, dass der Leser selbst auf passende Einfälle kommt.

Thomas Fischermann, Götz Hamann
Zeitbombe Internet
Gütersloher Verlagshaus 2011
252 Seiten, 19,99 Euro

Wie eine Webseite unser Leben auf den Kopf stellt Phänomen Facebook

Über 500 Millionen Menschen weltweit nutzen bereits Facebook, davon über 12 Millionen in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Facebook ist allgegenwärtig. Auf der Strecke bleiben nicht nur Alternativen wie Myspace und StudiVZ, sondern häufig auch die Privatsphäre der Mitglieder. Wie sehr hat das Social Network bereits unsere Gesellschaft vereinnahmt? Was passiert eigentlich mit den persönlichen Daten der Mitglieder? Solche Fragen beantwortet Jakob Steinschaden in Experten-Interviews, Analysen und anschaulichen Reportagen.

Facebook ist längst kein simpler Onlinedienst mehr, sondern zu einer Institution im Web geworden. Alle werden mit Facebook konfrontiert, selbst wenn man dort nicht Mitglied ist. Wer im Web surft, stolpert immer häufiger über das kleine blaue „F“-Logo. Klickt man den „Gefällt mir“-Button an, lässt man die Welt wissen, auf welcher Webseite man gewesen ist und was einem gefällt – und so liefert man der Firma kostenlos jede Menge verwertbarer Daten und Besucher frei Haus.

Ein genialer Trick, denn auf diese Weise ist es Facebook gelungen, ohne Marketingkosten fast überall im Web präsent zu sein. Kaum ein Onlineangebot will noch auf eine Verknüpfung zu dem Netzwerk verzichten, die meisten versprechen sich mehr Aufmerksamkeit und mehr Besucher, ohne sich Gedanken darüber zu machen, welche Daten bei Facebook erhoben, gespeichert und ausgewertet werden.

Der Technik-Journalist Jakob Steinschaden setzt sich kritisch mit dem Phänomen Facebook auseinander. Als erstes beantwortet er die Frage: Wie konnte es dem Unternehmen überhaupt gelingen, in so kurzer Zeit eine derartige Bedeutung zu erlangen? Wie so viele Mitglieder einsammeln? Zeitgleich sind auch andere soziale Netzwerke gestartet, denen nicht mal ansatzweise ein vergleichbarer Erfolg beschieden gewesen ist. Was hat Facebook also anders gemacht?

Facebook ist es gelungen, das Mitteilungsbedürfnis der Menschen zu bündeln – und an einer zentralen Stelle online verfügbar zu machen. Die Menschen präsentieren sich heute nicht nur auf Facebook, zeigen auch ihre Urlaubsfotos her und suchen im sozialen Netzwerk nach Freunden oder Kollegen, sie diskutieren, besorgen sich Informationen oder engagieren sich in thematischen Gruppen. Facebook deckt immer mehr Bedürfnisse und Interessengebiete ab.
Der User soll das Portal im Idealfall gar nicht mehr verlassen. Da der Service kostenlos ist und über Werbung refinanziert wird, ist das Unternehmen bemüht, möglichst viel von seinen Benutzern in Erfahrung zu bringen. Auf diese Weise lässt sich konkretere Werbung platzieren, die optimal zu den Interessen des Benutzers passt – und teurer bezahlt wird.

Jakob Steinschaden versucht die Unternehmensgeschichte von Facebook nachzuzeichnen. Er stützt sich dabei nicht nur auf bereits veröffentlichte Bücher sondern auch auf Vorort-Recherchen. Der Journalist hat eine Woche lang das Unternehmen besucht und diverse Interview geführt.

Das Buch beschäftigt sich natürlich auch intensiv mit der Frage, ob die Firma den Datenschutz ernst genug nimmt – und welche Möglichkeiten sich durch die angehäuften Daten ergeben. Da beispielsweise viele Menschen ihre Privatfotos und Videos bei Facebook veröffentlichen und sich Personen in Fotos und Videos markieren lassen, entstehen gewisse Befürchtungen. Etwa, dass Facebook irgendwann eine Gesichtserkennung anbieten könnte: Auf Knopfdruck herausfinden, auf welchen Fotos und in welchen Videos jemand zu sehen ist – technisch eigentlich kein großes Problem mehr.

Jakob Steinschaden schreibt verständlich und erlaubt einen interessanten Blick hinter die Kulissen von Facebook. Entstehungsgeschichte und Zukunftsperspektiven werden kenntnisreich präsentiert, Möglichkeiten und Risiken ausgewogen gegenübergestellt. Das macht die Lektüre spannend, es ist keine Werbebroschüre für Facebook dabei herausgekommen, der Autor hält die nötige Distanz.

Rezensiert von Jörg Schieb
Jakob Steinschaden: Phänomen Facebook
Ueberreuter Verlag, 2010
208 Seiten, 19,95 Euro