Buchrezension: Der Google-Effekt – Strukturiert Denken im digitalen Zeitalter

E-Mail, Internet, Smartphone: Es prasseln immer mehr auf uns ein, immer schneller. Viele sind mit der Informationsflut in Beruf und Alltag überfordert. Der Organisations-Guru und ehemalige Google-Informationsvorstand Douglas C. Merrill meint: Unsere Gehirne sind einfach nicht für den Informationsdruck im digitalen Zeitalter konzipiert. Merrill gibt Ratschläge, wie jeder seinen Alltag und Job besser organisieren und so Freiräume schaffen kann. Wer technische Hilfemittel wie PC, Organizer oder Handy intelligent nutzt, kann sich besser organisieren und hat so mehr Zeit für wesentliche Aufgaben.

Als Kind war Douglas C. Merrill Legastheniker: Das hat ihm nicht nur das Lesen erschwert, sondern auch den Zugang zur Mathematik. Doch die Krankheit hatte ihr Gutes: Merrill hat gelernt, sich besser als andere zu organisieren, um die Lernschwäche auszugleichen. Am Ende hat er es doch zu einem Doktortitel in Mathematik gebracht – und später sogar zum „Chief Information Office“ (CIO) von Google, verantwortlich für die Frage, wie man das Wissen der Welt so ordnet und strukturiert, dass jeder darauf schnell und effektiv zugreifen kann. Lange Jahre hat Merrill die Google-Ingenieure mit seinen Ideen angetrieben.

Jetzt hat er nützliche Tipps aufgeschrieben, wie jeder seinen Alltag und Job besser in den Griff bekommen kann, wie sich Aufgaben und Daten besser organisieren und strukturieren lassen. Und das fängt schon bei grundsätzlichen Dingen an, denn laut Merrill sind viele altbekannte Organisationsprinzipien schlichtweg überholt. Nur wer neue Ordnungsstrategien entwickelt und akzeptiert, kann die Herausforderungen der modernen Welt meistern. Technische Hilfsmitte wie PC, Organizer oder Smartphone können, intelligent eingesetzt, dabei helfen, mehr Struktur in den Alltag zu bekommen und somit mehr Zeit für die wesentlichen Aufgaben zu haben.

Das Buch liefert keine Anleitungen für einen leeren Schreibtisch, ein arbeitsfreies Wochenende, sondern motiviert jeden Leser, sich eine eigene, individuelle Selbstorganisation zu erarbeiten und auch mal Dinge in Frage zu stellen. Als Technikfan setzt Merrill dabei durchaus auf Technik, denn richtig eingesetzt kann Technik tatsächlich nützlich sein.

Eine zentrale der Thesen von Merrill lautet: Weil wir heute so bequem, schnell und vor allem effektiv am Computer suchen können, müssen wir Daten nicht mehr zwingend penibel organisieren und strukturieren. Die Suchfunktion findet alles – egal ob E-Mails, Texte, Bilder oder Videos, unabhängig von der vorhandenen Datenmenge. Deshalb reicht es, eine grobe Organisation für die eigenen Daten vorzusehen und alle Informationen und Dokumente auf der Festplatte abzulegen. Die Suchfunktion fördert das Gewünschte zutage, wenn man denn richtig sucht.
In der Tat ist das eine der Hauptaufgaben von Google: Ungeheure Wissensmengen schnell und effektiv durchsuchbar zu machen. Was für die ungeheuren Weiten und Informationstiefen des Internet gilt, das gilt auch für den Mikrokosmos eigener PC. Wer sich darauf verlässt und die Suchfunktionen sinnvoll nutzt, kann eine Menge Zeit sparen – eben, weil die Daten nicht mehr aufwändig geordnet und sortiert werden müssen. Diese Arbeit kann der Computer übernehmen.

Aber was nützen Daten oder Dokumente, die auf einer Festplatte schlummern, wenn man gerade unterwegs ist? Auch dafür gibt es eine Lösung: „Cloud Computing“. Merrill erklärt das aktuelle Schlagwort der IT-Branche anschaulich und an konkreten Beispielen. Denn wer seinen Kalender, seine Kontakte und auch wichtige Dokumente nicht auf dem eigenen Computer speichert, sondern „in der Cloud“, auf Servern im Internet, kann jederzeit und von überall darauf zugreifen. Ein großer Vorteil, der einem die Organisation erleichtern kann – wenn man diese Möglichkeiten richtig zu nutzen weiß. PCs, Notebooks, Organizer und Handys synchronisieren ihren Wissensstand, gleichen die Daten automatisch regelmäßig ab – dann muss man sich keine Gedanken mehr darüber machen, wo man etwas speichert. Es ist einfach immer da, immer verfügbar.

Douglas Merrill schreibt flüssig und süffisant, erklärt technische Hintergründe verständlich und anschaulich – aber mitunter auch etwas unkritisch.

Dass nahezu ausnahmslos Onlinedienste von Google als Lösung für Organisationprobleme genannt werden, erklärt vielleicht den Titel des Buchs, der so mehr Aufmerksamkeit garantiert, nützt aber dem Leser wenig. Der hätte sich zweifellos auch für die ein oder andere Alternative interessiert. Dass Merrill Musikfan ist und seine Kapitel mit Zitaten aus Songs anreichert, hat einen jugendlichen Charme, wirkt aber etwas verspielt und bringt dem Leser rein gar nichts. Hier hätte sich Merrill gerne besser organisieren dürfen: Er hätte darauf besser verzichtet.

Douglas C. Merrill und James A. Martin: Der Google-Effekt
Südwest Verlag, 2010
320 Seiten, 19,95 Euro

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