Reality Mining: Der Daten-Strom des Banalen wird immer größer und dümmer

von | 17.05.2011 | Tipps

Gehe gerade ins Kino. Trinke einen Latte Macchiato. Lese in meinem Buch. So lauten typische Statusmeldungen auf Facebook und in anderen sozialen Netzwerken. Momentaufnahmen, kleine Einblicke ins Privatleben, das machen soziale Netzwerke unter anderem aus. Doch manche User gehen noch einen Schritt weiter: Sie erfassen ganz konkret, was sie tun – und lassen ihr Leben statistisch auswerten.

Führend bei diesem neuen Trend ist der Onlinedienst Daytum. Hier kann jeder Statistiken über sich selbst anfertigen lassen. Wie viele Tassen Kaffee trinke ich eigentlich? Wie oft gehe ich joggen, und welche Strecke lege ich dabei zurück? Wie oft gehe ich in mein Lieblingsrestaurant, wie oft fluche ich oder greife zu einer Tüte Chips? Was gebe ich für Klamotten, Essen oder Schuhe aus?

Persönliche Statistiken – von mir

Solche Fragen kann Daytum tatsächlich beantworten. Dazu muss der Dienst natürlich mit entsprechenden Daten gefüttert werden. Die werden entweder online erfasst, am PC, oder mit dem Smartphone. Es gibt eine iPhone App, mit der man unterwegs alles registrieren kann, was relevant erscheint. Die App ist sehr populär: Über 80.000 Menschen haben die App bereits im Einsatz – und erfassen, was sie tun und zählen wollen.

Daytum ist eine Art virtueller Notizblock, den man immer mit dabei hat. Die Daten werden aber nicht auf Papier notiert, sondern am PC oder Smartphone erfasst und im Netz gespeichert – und eben später gezählt, zusammengefasst und gewichtet.

Vorteile von Daytum

Was man Daytum anvertrauen möchte, entscheidet jeder selbst, etwa welche Laufstrecke man beim Joggen zurückgelegt hat, wie viel Geld man ausgibt und vieles andere mehr. Statistische Daten, die sich auch am PC in Excel erfassen ließen, aber mit Daytum ist es einfacher und bequemer.
Ereignisse und Aktivitäten lassen sich in Gruppen und Kategorien einordnen: Joggen, Radfahren, Rudern – landet in der Kategorie Sport. Schuhe, Mittagessen, Kinokarten – kann man alles in der Kategorie „Ausgaben“ zusammenfassen.

Daytum hilft dabei, über alles den Überblick zu bewahren. Der Onlinedienst erzeugt später auf Knopfdruck beeindruckende Statistiken und Grafiken. Wer regelmäßig alles, was ihn interessiert, in Daytum erfasst, wird am Ende mit ausführlichen, aussagekräftigen Reports belohnt. Die Daten lassen sich anschaulich visualisieren. Wie viel man für Schuhe oder Essen ausgibt, wie viele Kilometer man im Monat oder Jahr gejoggt ist – lässt sich alles auf Knopfdruck ermitteln.

Reality Mining: Zusammenfassen statistischer Daten

Die Lebensgewohnheiten eines Menschen zu erfassen und auszuwerten wird „Reality Mining“ genannt. Zwei Pioniere dieses Trends, Nick Felton und Ryan Case, die Erfinder von Daytum, publizieren in einem Jahresbericht ihr eigenes Lebens. Charts, Infografiken und Tabellen beschreiben die Gewohnheiten und den Lebensstil der Manager bis ins kleinste Detail.

Bei Daytum sind die Daten in der Regel öffentlich, für jeden sichtbar, auch in der Standardeinstellung. Doch niemand muss wissen. wer sich hinter einem Nickname wie snoppy2511 verbirgt. Aber was snoopy2511 so alles erfasst, das ist sichtbar. Daytum erstellt auch Statistiken über alle Nutzer, etwa, wie viele Tassen Kaffee getrunken wird.

Facebook hat Daytum gekauft

Vor kurzem hat Facebook die Firma Daytum gekauft. Der Onlinedienst wird nahtlos in Facebook integriert. Das Ziel ist klar: Die eigenen, bei Daytum erfassten Aktivitäten werden nicht nur bei Facebook publiziert, wenn man möchte, es werden auch mehr Daten gesammelt, das Profil in Facebook wird noch schärfer, präziser.

Besonders Marketing- und Werbefirmen interessieren sich für diese Informationen. Es könnte auch einen Trend geben, dass Freiwillige dafür bezahlt werden, dass sie ihr Leben online erfassen und die Daten von Marktforschern oder Werbefirmen ausgewertet werden, vergleichbar mit der Quotenmessung beim Fernsehen, nur dass sich das nun auf ganz andere Lebensgewohnheiten erweitern lassen.

Neben dem Einsatz des Reality MIning im Marktforschungsbereich, der manchem Datenschützer noch Arbeit bescheren dürfte, zeichnen sich noch andere Anwendungen ab. So kann die Technik zum Beispiel auch zu neuartigen Freundesnetzwerken führen: Hier könnten Menschen zusammen gebracht werden, die identische Interessen haben. Facebook denkt ganz sicher darüber nach, wie sich solche Erkenntnisse in möglichst großem Stil erfassen und auswerten lassen.