Das Web diskutiert: Klarname oder Pseudonym?

von | 24.10.2011 | Tipps

Im „echten Leben“ gehört es zum guten Ton, sich mit seinem Namen vorzustellen. Ganz anders im Internet: Viele verwenden in Blogs, Foren und sozialen Netzwerken lieber Pseudonyme. Manche Politiker fordern, dass sich User im Netz mit Klarnamen zu erkennen geben sollten, auch manche Onlinedienste erwarten das von ihren Usern. Das würde ein Ende der Anonymität im Netz bedeuten und hat im Web eine heftige Diskussion in Gang gebracht. Mittlerweile sagt aber auch Google: Pseudonyme sind wichtig – und will sie demnächst erlauben.

Es gibt viele überzeugende Gründe, im Internet auch in Zukunft nicht auf Pseudonyme zu verzichten. Auf der Webseite my.nameis.me („Mein Name ist ich“) erklären Onlineuser aus aller Welt, warum sie ein Pseudonym verwenden und bevorzugen. Viele berichten hier sehr persönliche Dinge, was sie erlebt haben und wieso sie deshalb ein Pseudonym benutzen.

Es gibt viele gute Gründe, den eigenen Namen online zu vermeiden. So wollen Lehrer nicht von ihren Schülern enttarnt werden, Menschen mit Krankheiten, Behinderungen oder Sorgen wollen sich in Foren austauschen, ohne eindeutig identifiziert werden zu können. Andere sind bereits Opfer von Stalkern geworden oder wollen ganz generell ihren richtigen Namen nicht im Netz verwenden, etwa um sich vor Werbung zu schützen.

Vor allem Frauen bevorzugen es, im Netz ein Pseudonym zu verwenden. Aus gutem Grund: Wie die Universität Maryland bereits 2006 in einer Studie ermittelt hat, sind User mit weiblich klingendem Nutzernamen in Chaträumen 25 Mal häufiger verbalen Drohungen und sexuellen Anmachen ausgesetzt als Personen mit männlichen Namen. Aber auch die (vermeintliche) Herkunft kann eine Rolle spielen. Wer Mohammed heißt und allein schon deswegen in einem Blog oder Forum wiederholt als Islamist beschimpft wird, wird sich irgendwann für ein Pseudonym entscheiden. Sich einfach das Leben einfacher zu machen, wenn man online geht, ist zweifellos auch ein legitimer Grund, ein Pseudonym zu wählen.

Selbst wenn sich ein einzelnes Land wie Deutschland dazu entschließen sollte, in Blogs und sozialen Netzwerken grundsätzlich die Verwendung von Klarnamen vorzuschreiben, wäre es kinderleicht, über den Umweg Ausland auf Klarnamen zu verzichten. Außerdem wäre so eine Vorschrift vergleichsweise schwer umzusetzen. Wie sollen soziale Netzwerke prüfen, ob ein Name ein Klarname oder ein Pseudonym, ausgedacht oder echt ist? Wie ist es mit Künstlernamen? Die Folge wäre ein enormer administrativer Aufwand. Abgesehen davon verstößt das gegen Geist und Wesen des Internet.

Nach den Attentaten in Norwegen ist die Diskussion in Deutschland angekommen: Es hat norwegische Blogger gegeben, die sich hinter einem Pseudonym versteckt haben. International wird das Thema aber schon länger diskutiert. So hat Google im Juli beschlossen, in seinem neuen sozialen Netzwerk Google+ nur Klarnamen zuzulassen. Die AGBs wurden entsprechend angepasst. Wenig später hat Google einige Profile mit angeblich offensichtlichen Pseudonymen gelöscht. Daraufhin hat der Protest begonnen: Darf ein Onlinedienst das, so etwas vorschreiben, nutzt Google nicht seine Macht aus, wenn es bestimmen können will, wer sich mit Pseudonym oder Künstlernamen anmelden darf und wer nicht?

Seit einer Weile ist Google etwas großzügiger, auch Pseudonyme werden zugelassen, sofern sie nicht zu absurd erscheinen. Vorbild ist Facebook: Das Netzwerk hat seine Mitglieder von Anfang an aufgefordert, sich mit echtem Namen anzumelden. Doch konsequent eingehalten wird das auch nicht. Die übliche Begründung: Die Umgangsformen werden besser, die Atmosphäre ist entspannter. Teilweise stimmt das auch.

Google+ hat lange dieselbe Politik verfolgt und argumentiert, Klarnamen dienten der Bekämpfung von Spam und beugen gefälschten Profilen vor. Doch nun schwenkt auch Google um und erlaubt in Google+ künftig Pseudonyme.