Wie Google die Welt sieht: Böses Facebook, böses Apple, gutes Google?

Allzu viele Interviews gibt es mit den beiden Chefs des Google-Imperiums nicht gerade. Sie sind relativ öffentlichkeitsscheu. Ab und an gelingt es dann aber doch, zumindest einen der beiden zu einem Gespräch zu bitten, wie jetzt in einem Interview mit dem Guardian. Demnach sieht Google-Gründer Sergej Brin die Freiheit und Offenheit des Internets mehr denn je in Gefahr.

Ich will ihm da beipflichten. Nicht nur die Politik, auch die Machtkonzentration auf einzelne (amerikanische!) Onlinedienste ist alles ander als erfreulich. Und wenn sich schon ein Sergej Brin beschwert, wenn seine Konkurrenten Apple und Facebook das Netz „kontrollieren“ wollen, ja was sollen wir Europäer denn da sagen?

Aber das ist ein anderes Thema. Interessant ist ein anderer Aspekt. Brin beschwert sich in dem Interview (unter anderem), dass Apple und Facebook so viel Macht ausüben und ihre Kunden gängeln. Das lässt sich nicht bestreiten. Schon mal versucht, sich bei Facebook abzumelden? Ganz schön schwierig. Facebook kontrolliert auch die Daten der Kunden und bietet kaum bis keine Migrationsmöglichkeiten. Da ist Google deutlich offener.

Apple hingegen kontrolliert strikt, welche Apps auf den von den Kunden für viel Geld gekauften „i“-Geräten laufen. Auch das: Alles andere als unbedenklich. Apple weiß nicht nur alles über seine Kunden, selbst welche Apps sie nutzen, sondern bestimmt auch, was gut sie ist und was nicht (welche Apps es also zum Beispiel nicht in den AppStore schaffen).

Aber so zu tun, als ob Google seine Macht nicht ausnutzt und damit das Netz kontrolliert, wäre albern. Google hat zum Beispiel alle in der Hand, die mit AdSense auf den eigenen Seiten mit Werbung Geld verdienen wollen (wie auch ich auf meiner Seite hier) und alle, die mit AdWords (sozusagen die andere Seite derselben Medaille) Kunden oder Besucher einkaufen wollen. Google bestimmt die Regeln – eisern und unerbittlich.

Vor kurzem wurde das AdSense-Konto von ratschlag24.com geschlossen. Die gesamte Werbung ausgeknipst. Warum? Weil in einem journalistischen Artikel über das Risiko von Brust-Implantaten auch ein Foto von einer nackten Brust zu sehen war. Google fand das Bild anstößig und hat kurzerhand das gesamte Werbekonto gestoppt. Als kleiner Partner, der nicht wenigstens 10.000 EUR Umsatz im Monat mit AdSense macht, ist es kaum möglich, da mit jemanden aus Fleisch und Blut zu sprechen. Das Foto einer Brust einem medizinischen Artikel wird wie eine pornografische Seite behandelt.

Unter uns: Greift Google damit nicht auch in die Freiheit des Netzes ein?

Nachdem ich das Foto entfernt und das an Google gemeldet habe, wurde AdSense auch schnell wieder freigeschaltet. Aber es zeigt doch deutlich, dass man die Spielregeln von Google entweder akzeptiert oder nicht. Umgekehrtes habe ich bei AdWords erlebt: Wenn Google einzelne Online-Anzeigen missfallen – und da können sich die Regeln schnell ändern, was gestern OK war, ist heute plötzlich nicht mehr OK -, wird einfach das AdWords-Konto gesperrt. Komplett. Auch hier: Wer kein High-Spender ist, hat kaum eine Möglichkeit, mit jemandem aus Fleisch und Blut über die Gründe der Sperrung zu sprechen. Man wird einfach ausgeschlossen.

Sergej Brin hat also durchaus Recht: Es gibt durchaus Kräfte, die das Internet kontrollieren und einschränken wollen. Man kann nur hoffen, dass er selbstkritisch genug ist, um dafür zu sorgen, dass Google nicht dazu gehört. Und meiner Meinung nach sollte Google da mit gutem Beispiel voran gehen – und selbst auch weniger kontrollieren, wenn auch indirekt.

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