Neuland und deutscher Boden

Unsere Bundeskanzlerin ist jetzt in den Ferien. Ein dringend nötiger Urlaub, so scheint mir. Die Regierungscheffin wirkte am Ende doch recht müde und erschöpft, all das Gemecker und Gezeter rund um die Prism-Affäre, das hat ihr gar nicht gefallen. In der Pressekonferenz ist sie Fragen dazu ausgewichen, nicht geschickt, einfach so. Keine Infos. Thema aussitzen – das hat sie von ihrem Parteifreund und Vorgänger Helmut Kohl gelernt. Hat ja auch oft genug funktioniert.

Im ARD-Sommerinterview war’s auch nicht viel besser. Da hat Angela Merkel zwar nicht noch mal den Begriff Neuland in den Mund genommen. Musste sie aber auch irgendwie nicht, denn zwischen den Zeilen war zu hören, dass sie immer noch nicht so ganz begriffen hat, wie das mit dem Internet eigentlich funktioniert. Jedenfalls fällt auf, dass sie alte Denkmuster aufs Internet übertragen will. „Auf deutschen Boden muss deutsches Recht eingehalten werden“, schimpft die Kanzlerin.

Der geneigte Zuschauer und Interviewer mag das so verstehen, dass die Bundesregierung findet, dass man deutsches Recht auch respektieren müsse – so lange man sich auf deutschem Boden befinde, zumindest. Das klingt nach einer verhaltenen Kampferklärung in Richtung USA. Ist es aber natürlich nicht. Denn dieser Satz ist ein Unsatz – völlig belanglos und sinnleer. Natürlich gilt auf deutschem Boden deutsches Recht. Aber was bedeutet das fürs Internet, für Daten, die in Computern gespeichert werden und durch Datenleitungen jagen? Da hätten die Interviewer nachfragen können und sollen – haben sie aber nicht.

Daten sind physisch nicht vorhanden und können sich daher auch nicht auf deutschem Boden befinden. Was bedeutet es in den Augen der Kanzlerin, wenn sich jemand, auf deutschem Boden befindlich, eine Facebook-Seite anschaut? Gilt dann deutsches Recht? Wohl nicht: Im selben Interview bemängelte Merkel in Ansätzen, dass die Daten bei Facebook ja in Irland gespeichert würden  und deshalb irisches Recht gelte (na ja, zumindest teilweise, denn wer hier nachschaut, der erfährt, dass die Daten sehr wohl in die USA wandern).

Was bedeutet dieser Hinweis mit dem „deutschen Boden“ also? Sind Daten erst dann deutschem Recht unterworfen, wenn man auf Papier ausdruckt und auf den Fußboden legt? Oder wie? Was ist gemeint? Der Merkel-Satz ist eine Nebelkerze, und die scheint auch noch zu funktionieren. Die Kanzlerin drückt sich, wieder mal, vor klaren Aussagen. Sie drückt sich davor, eindeutig Stellung zu beziehen. Das Thema ist in der Tat nicht einfach, aber es ist wichtig. Es lohnt sich, sich mal darüber Gedanken zu machen und Lösungen zu erarbeiten, Prism hin, Prism her. Unabhängig von den Lauschaktionen der Geheimdienste müssen solche Fragen nämlich beantwortet werden.

Und noch eine Frage stelle ich mir: Wenn die NSA tatsächlich ein Abhörzentrum in Wiesbaden baut, was mittlerweile aber auch schon wieder dementiert wurde, gilt dann deutsches Recht, weil das auf deutschem Boden passiert? Oder lachen sich die US-Schlappüte schlapp, wenn wir Deutschen das kontrollieren oder einfordern wollten? Auch das wäre eine schöne Frage gewesen. Schade. Das Interview ist vorbei – und Angela Merkel in Ferien. Wenn sie zurückkommt, geht es sicher nur noch um den Wahlkampf. Auf deutchem Boden.

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