Abmahn-Welle für Streaming-Nutzer

Diese Woche ist bei Tausenden deutschen Internetbenutzern eine Abmahnung im Briefkasten gelandet. Eine Anwaltskanzlei aus Regensburg wirft den Betroffenen vor, im Erotik-Portal Redtube kostenlos und illegal urheberrechtlich geschützte Filme angeschaut zu haben – und verlangt dafür eine saftige Abmahngebühr. Der Fall sorgt für Aufsehen, denn zum ersten Mal werden im großen Stil User für das Betrachten von Streams abgemahnt. Bislang hat es nur Tauschbörsen-Benutzer getroffen. Entsprechend groß ist die Aufregung im Netz.

 

  • Dass Musik- und Filmindustrie Menschen abmahnen, die illegal Inhalte kopieren, ist doch weit verbreitet. Wieso die Aufregung im Netz und in der Szene im vorliegenden aktuellen Fall?

Dafür gibt es gleich mehrere Gründe. Zum einen, weil wirklich Tausende von Usern abgemahnt wurden. 250 Euro soll jeder einzelne Betroffene zahlen, da kommen erstaunliche Summen bei heraus. Zum anderen aber deshalb, weil zum ersten Mal im großen Stil Usern vorgeworfen wird, illegal Inhalte konsumiert zu haben. Allein das Betrachten von Inhalten soll bestraft werden. Das ist völlig neu.

Bislang mussten vor allem Internetbenutzer mit einer Abmahnung rechnen, die eine Tauschbörse genutzt haben. Bei einer Tauschbörse werden Musik- und Filmtitel sowohl geladen, aber eben auch gleichzeitig angeboten – im Netz. Das Anbieten von urheberrechtlich geschütztem Material ist strafbewehrt. Beim Herunterladen sieht es ganz anders aus.

  • Herunterladen ist ein wichtiges Stichwort. Hier muss man zwischen Download und Stream unterscheiden. Was genau ist eigentlich technisch der Unterschied?

Bei einem Download lädt ein Benutzer eine Datei komplett auf den eigenen Rechner und speichert sie auf der Festplatte. Das kennen wir alle. Nach dem Download kann man über die Datei frei verfügen, sie kopieren, sie auf andere Geräte übertragen und jederzeit abspielen, Musik etwa oder Filme. Man ist völlig frei.

Ein Stream funktioniert komplett anders: Hier wird nicht etwa das komplette Musikstück oder der komplette Film auf der Festplatte gespeichert, sondern direkt mit dem Abspielen begonnen. Der Server liefert einen Datenstrom – Stream, daher der Name – und der Browser oder die Software stellt gleich etwas damit an. Nach diesem Prinzip funktioniert zum Beispiel das Videoportal Youtube.

Wichtig ist dabei: Auf der Festplatte des Benutzers wird keine Kopie angelegt, es werden bestenfalls für eine kurze Zeit Fragmente des Musikstücks, des Films gespeichert, als Puffer – aber nach dem Abspielen auch wieder gelöscht. Man könnte es auch so sagen: Beim Download lädt man ein Werk herunter, beim Stream hört oder schaut man es sich an.

 

  • Das bedeutet aber auch einen erheblichen Unterschied bei der juristischen Betrachtung. Wieso?

In der Tat: Der Gesetzgeber verbietet den Download von urheberrechtlich geschützten Inhalten, wenn der Benutzer erkennen muss, dass es sich um eine illegale Quelle handelt. Das wirft also gleich zwei wichtige Fragen auf: Findet bei einem Stream ein Download statt? Nach meinem Verständnis technisch auf gar keinen Fall. Ein Stream ist kein Download. Punkt. Wollte der Gesetzgeber auch Streams aus unerlaubten Quellen verbieten, und ich meine jetzt das Betrachten der Inhalte, müsste es der Gesetzgeber auch entsprechend formulieren.

Zweitens müsste der Konsument erkennen können, dass es sich um urheberrechtlich geschütztes Material handelt, das unerlaubt, also ohne Zustimmung des Rechteinhabers hergezeigt wird. Wie sollte das ein normaler Internetbenutzer tun? So eine Anforderung ist eine Zumutung. Dann müsste man künftig auch bei der Verwendung von Youtube vorsichtig sein, denn niemand stellt sicher, dass hier ausschließlich urheberrechtlich einwandfreier Content zur Verfügung gestellt wird.

  • Offensichtlich hat aber das Landgericht Köln die Herausgabe der persönlichen Daten der Nutzer durch die Provider auf Antrag der Anwaltskanzlei veranlasst – und sieht eben einen Rechtsverstoß. Auch da gibt es Proteste und Fragen.

So wie es aussieht, ist das Landgericht Köln offensichtlich davon ausgegangen, dass die betroffenen Internetbenutzer eine Tauschbörse benutzt haben – so wie in den meisten Fällen, in denen Abmahn-Kanzleien die Herausgabe der persönlichen Daten beantragen. Es war wohl nirgendwo von einem Streaming-Portal die Rede, erst recht nicht von einem konkreten Portal. Dann hätte das Landgericht womöglich anders entschieden.

Generell gibt es bislang keine nennenswerte richterliche Entscheidung, die das Betrachten eines Streams unter Strafe stellt. Selbst bei einem Download müsste nachgewiesen werden, dass der Beklagte wissentlich gegen geltendes Recht verstößt, beides ist schwer möglich. Wenn aber jeder damit rechnen muss, jederzeit juristische Probleme zu bekommen, wenn er sich Musik als Stream anhört oder Filme als Stream anschaut, würde dies das Aus von Streamingdiensten in Deutschland bedeuten, auch von Youtube und Co. Man sollte also diejenigen belangen, die solche Inhalte verbreiten, und nicht die, die sie – in aller Regel arglos – nutzen.

 

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