Panorama-Freiheit in Europa

von | 02.07.2015 | Tipps

In der Ferienzeit wird besonders viel geknipst. Mit dem Smartphone vor allem, aber auch mit regulären Fotoapparaten. Und nicht selten sind auf den Fotos auch berühmte Gebäude zu sehen: Der Eiffelturm. Das Museum von Gehry. Das neue schicke Hotel der Stadt. Das Kunstwerk auf dem gut besuchten Platz.

Doch genau diese Kulissen sind ein Problem. Denn in der EU gibt es Kräfte, die wollen das Recht einschränken, überall Fotos machen zu dürfen – zumindest wenn Gebäude oder Kunstwerke auf den Bildern zu sehen sind. Am kommenden Donnerstag, den 9. Juli, soll darüber in Brüssel verhandelt werden.

Wieso kümmert Brüssel, welche Art von Fotos wir machen?

Es geht um die so genannte Panoramafreiheit, die ist in Europa gerade in Gefahr. In Deutschland ist die Panoramafreiheit selbstverständlich: Die sieht vor, dass urheberrechtlich geschützte Werke – und dazu gehören grundsätzlich auch Gebäude und Kunstwerke – frei fotografiert und die Aufnahmen später auch kommerziell verwertet werden dürfen, wenn diese Werke von öffentlichen Wegen aus frei einsehbar und erkennbar sind.

Das Foto oder Gemälde in der Galerie darf man nicht fotografieren und schon gar nicht kommerziell verwerten, etwa in einem Buch abdrucken. Die Skulptur auf dem öffentlichen Platz aber sehr wohl, die darf jeder fotografieren. Konkret geht es um das Urheberrecht. Das gilt in ganz Europa – und die Panoramafreiheit ist eine Ausnahme des Urheberrechts. Eben für alles, was im Öffentlichen Raum zu sehen ist. Dieses Recht soll aber in ganz Europa eingeschränkt werden.

Woher weiß ich denn, ob ich ein Kunstwerk oder einfach nur ein uraltes Gebäude im Hintergrund habe?

Eben. Deswegen gibt es die Panoramafreiheit, die entspricht dem gesunden Menschenverstand, würde ich sagen. Denn wie sollte man von ganz normalen Menschen erwarten können, dass sie bei Aufnahmen in der Öffentlichkeit aufpassen, ob sie eine Skulptur oder ein junges Gebäude im Bildausschnitt haben? Doch diese Panoramafreiheit gilt nicht in ganz Europa.

In einigen Ländern, darunter auch Frankreich und Italien, gibt es keine Panoramafreiheit. Bei der kommerziellen Verwertung solcher Fotos muss der Urheber um Erlaubnis gefragt werden, also der Architekt, der Künstler, sofern er noch lebt und nicht bereits mindestens 75 Jahre tot ist.

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Aber wenn ich ein Foto vom Eiffelturm mache oder von einer Skulptur auf italienischen Straßen fürs Familienalbum, dann ist das doch keine kommerzielle Nutzung – wieso diese Aufregung?

Darüber kann man eben geteilter Ansicht sein. Das Problem ist: Sobald man ein Foto bei Facebook, Twitter, Google+, Instagram oder wo auch immer hoch lädt, tritt man streng genommen die Nutzungsrechte an den jeweiligen Onlinedienst ab. Zur kommerziellen Verwertung, eben um zum Beispiel Werbung anzeigen zu können.

Wenn man ein Buch mit solchen Fotos druckt, mag die kommerzielle Nutzung noch auf der Hand liegen – und der Autor hat eine gewisse Verantwortung und vielleicht auch Erfahrung im Umgang mit solchen Nutzungsrechten. Doch bei einem Foto auf Facebook? Einige Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberale hatten ernsthaft vor, die Panoramafreiheit in Europa komplett abzuschaffen.

Was würde das bedeuten?

Das würde bedeuten, dass man streng genommen nirgendwo in Europa Fotos machen dürfte mit Kunst oder Gebäuden im Hintergrund und diese kommerziell verwerten dürfe. Eine strenge Auslegung und eine hohe rechtliche Unsicherheit. Denn Abmahn-Anwälte gibt es reichlich, die nur zu gerne jeden Rechtsverstoß abmahnen und zur Kasse bitten. Es gibt völlig zu Recht Aufregung in der Community, denn eine solche juristische Unsicherheit kann wirklich keiner brauchen.

Was hälst Du von dem Vorstoß und wie wird es ausgehen?

Ich halte es für unzumutbar, die Panoramafreiheit einzuschränken. Im Gegenteil: Sie sollte in ganz Europa gelten. So wie es aussieht, setzt sich die Vernunft in Brüssel durch. Es scheint keine Mehrheit zu geben für den Versuch, das Urheberrecht zu ändern. Und das ist auch gut so.

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