Warum wir mit unseren Daten oft so unbesorgt sind

Daten sind der Rohstoff des 21. Jahrhunderts. Das wurde nun schon oft genug festgestellt – ist aber eben nun auch mal war. Mit allen Tricks versuchen Onlinedienste und Werbetreibende Daten über uns zu sammeln. Aber nicht nur die: Auch der Staat. Da nennt sich das dann Vorratsdatenspeicherung und ist legal. Seit Dezember 2015 haben wir auch in Deutschland wieder eine Vorratsdatenspeicherung. Vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) wird gerade verhandelt, ob es überhaupt OK ist.

Was wird denn derzeit bei der Vorratsdatenspeicherung eigentlich von Ihnen oder mir gespeichert?

  • wer mit wem wie lange über das Festnetz telefoniert hat
  • wer mit wem wie lange per Handy telefoniert hat
  • wer wem eine SMS geschickt hat
  • wo sich Handy-Nutzer oder SMS-Versender in diesem Moment aufgehalten haben
  • welcher Computer wann mit welcher IP-Adresse (das ist eine eindeutige Adresse im Internet) online war
  • bei SMS werden aufgrund technischer Gegebenheiten teilweise auch die Inhalte der Nachrichten gespeichert

Die Daten bleiben zehn Wochen lang gespeichert, die Standortdaten nur vier Wochen.

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Wieso beschäftigt sich der Europäische Gerichtshof erneut mit der Vorratsdatenspeicherung?

Es gibt eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2006, die alle Mitgliedsstaaten auffordert, eine Vorratsdatenspeicherung einzuführen – darauf berufen sich auch die Befürworter bei uns in Deutschland. Nun haben verschiedene schwedische Provider geklagt, weil sie sich weigern, die Vorratsdatenspeicherung umzusetzen, also anlasslos Daten ihrer Kunden zu sammeln.

Alle Provider beschweren sich darüber, auch die in Deutschland. Die Provider sind bei der Sache die Dummen: Die müssen die Daten sammeln und verwahren, obwohl sie selbst gar kein Interesse daran haben. Schlecht für die Provider, weil sie als Datensammler dastehen, den Aufwand haben und die Kosten tragen müssen. Der Branchenverband Eco beklagt den Aufwand, der ja Geld kostet, und sagt der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland „ein Fiasko“ voraus.

 

Die Vorratsdatenspeicherung ist ja schon mehrfach gescheitert, einmal vor dem Bundesverfassungsgericht, einmal vor dem EuGH. Jetzt wird wieder neu verhandelt. Kann man schon sagen, in welche Richtung es geht?

Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof hat sich vorab schon mal geäußert. Das hat Signalwirkung, weil der Generalanwalt eine Empfehlung ausspricht, an die sich die Richter in der Regel halten. Sie müssen es nicht, tun es aber. Generalanwalt Saugmansgard Öe sagt: Er möchte die Speicherung von Telekommunikationsdaten europäischer Bürger nur unter strengen Voraussetzungen zulassen, etwa zur Bekämpfung schwerer Kriminalität.

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Und das ist im Moment anders?

Die seit Dezember 2015 bei uns greifende Vorratsdatenspeicherung ist weniger umfangreich als die erste, die vom Bundesverfassungsgericht gekippt wurde.

Es werden jetzt weniger Daten erhoben als früher, das stimmt. Aber das Grundproblem bleibt: Die Daten werden anlasslos von jedem gespeichert, ob Bösewicht oder unbescholtener Bürger. Es entstehen Bewegungsprofile und Kommunikationsprofile, auch von Menschen, die eigentlich einem besonderen Schutz unterliegen wie Juristen, Ärzte, Therapeuten oder Journalisten.

Es wird gespeichert, mit wem wir telefonieren, welche IP-Adressen wir benutzen, wo wir uns aufhalten. Von allen. Zwar sind die Regeln strenger geworden, wer auf die Daten zugreifen darf, allerdings ist nicht sichergestellt, dass die Daten auch wirklich sicher verstaut werden.

Hinzu kommt, dass es psychologisch problematisch ist, wenn ein Staat alle Bürger unter Generalverdacht stellt. Abgesehen davon gibt es keine relevanten Belege, dass die Vorratsdatenspeicherung bei der Prävention von terroristischen Taten oder bei der Analyse danach wirklich etwas bringt. Es wird immer nur behauptet.

 

Warum sind denn so viele Menschen sensibel bei der Vorratsdatenspeicherung? Wenn Spiele wie Pokémon Go Daten sammeln, Onlineriesen wie Google oder Softwarehersteller wie Microsoft, regen sich bestenfalls Datenschützer auf – aber nicht die User selbst.

Das stimmt, viele User sind nicht besonders achtsam, was ihre eigenen Daten betrifft. Es stört sie nicht, selbst wenn sie es erfahren, wenn Daten über sie gespeichert werden. Das Spiel Pokémon Go ist ein schönes Beispiel: Der Game-Hersteller sammelt Bewegungsdaten bis zum Abwinken und kann Bewegungsprofile erstellen. Juckt keinen User.

 

Also kein Widerstand gegen Datenkraken, nur weil sie Spaß machen?

Nein, die Experten lassen sich ja nicht mit kleinen Monstern ablenken. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) mahnt das US-Entwicklerstudio Niantic wegen der Nutzungsbedingungen des Spiels Pokémon Go ab. Denn sowohl Nutzungs- als auch Datenschutzbestimmungen enthielten nach deutschem Recht unzulässige Klauseln. Die Verbraucherschützer beanstanden 15 Klauseln und kritisieren unter anderem, dass anonymes Spielen bei Pokémon Go nicht möglich sei. Hier ist man also sehr streng. Aber jedes EU-Land hat im Moment andere Kandidaten von Datenkraken, die Ihnen zu weit gehen.

 

Zum Beispiel?

Französische Datenschützer legen sich mit Microsoft an, weil Windows 10 nicht mit französischem Datenschutzrecht kompatibel ist, zu viele Daten abfrage und keine anonymen Onlinekonten ermögliche. Auch hier ist man sehr streng – bei der Vorratsdatenspeicherung können es aber nicht genug Daten sein, die man sammelt.

 

 

 

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