Anlasslose Vorratsdaten-Speicherung geht nicht

Immer wieder versucht die Politik, die Vorratsdaten-Speicherung durchzudrücken – und immer wieder kassieren die Gerichte sie ein. Jetzt hat der europäische Gerichtshof (EuGH) zun zweiten Mal die Vorratsdaten-Speicherung als unzumutbar erklärt. Nur unter strengen Regeln dürfen Daten erhoben, gespeichert und ausgewertet werden.

Es gibt nicht nur ein Bedürfnis nach Sicherheit, sondern auch Grundrechte, etwa auf Privatsphäre. Gerade wenn es im Sicherheit geht, werden häufig Rechte eingeschränkt. Die zentrale Frage ist, wessen Rechte eingeschränkt werden – und wie stark.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat nun ein Urteil gesprochen, das der anlasslosen und unterschiedslosen Vorratsdaten-Speicherung eine klare Absage erteilt (hier das Urteil). Diesmal ging es um die konkrete Umsetzung der entsprechenden EU-Verordnung in Schweden und Großbritannien.

Klare Ansicht der Richter: Die in Großbritannien praktizierte Vorratsdaten-Speicherung lasse „sehr genaue Rückschlüsse auf das Privatleben zu“ – und sei daher mit den Grundrechten nicht vereinbar. Das mag die Politik in Großbritannien nun nicht weiter stören, da sie den Brexit vorbereitet – für den Rest der EU ist diese Entscheidung aber auf jeden Fall relevant.

Anlasslose Datenspeicherung und Grundrechte

Vorratsdaten-Speicherung ohne Anlass bedeutet, dass die Telecos (Mobilfunk-Provider, DSL-Anbieter, Telefondienste) die Kommunikations-Daten von jedem „auf Vorrat“ speichern, unabhängig davon, um wen es sich handelt, ob es auch nur den geringsten Anfangs-Verdacht gibt oder nicht. Im Grunde ist erst mal jeder verdächtig. Deshalb werden ununterbrochen zahlreiche Daten gespeichert.

Das Problem: Mit der ermittelten und gespeicherten Daten lassen sich mühelos Bewegungs-Profile erstellen, aber auch Aussagen zum Sozialverhalten machen. Hier wird ein zu hoher Preis gezahlt, finden die Richter: Das Recht auf freie, unbeobachtete Kommunikation würde geopfert, um im Bedarfsfall Daten zur Verfügung zu haben.

Verbrechens-Aufklärung

Natürlich: Kriminalisten können Kommunikations-Daten gut gebrauchen, um Verbrechen aufzuklären. Da ist es zweifellos praktisch, wenn vorsorglich von jedem in punkto Kommunikation nahezu alles ermittelt und gespeichert wird.

Doch diese Form der „Vorsorge“ bezahlt eben auch jeder mit dem Verlust der Anonymität. Faktisch wird jeder von uns rund um die Uhr beobachtet. Was bleibt, ist das blanke Vertrauen in Staat und Behörden, mit den Daten keinen Unsinn anzustellen. Sicher sein kann man sich da aber nicht.

Nur in Einzelfällen erlaubt

Auch die EuGH-Richter sehen ein, dass es Möglichkeiten geben muss, Kommunikations-Spuren auszuwerten. Bei konkreter Bedrohung der öffentlichen Sicherheit und zur Bekämpfung schwerer Straftaten ist deshalb durchaus eine Vorratsdaten-Speicherung möglich. Allerdings müsse sich der Umfang der gespeicherten Informationen auf das absolut Notwendige beschränken, unterstreichen die Richter. Davon kann aber bei einer anlasslosen Rundum-Überwachung natürlich keine Rede sein.

Die zweite Fassung des Gesetzes zur Vorratsdaten-Speicherung in Deutschland, die bei uns in Deutschland seit einigen Monaten in Kraft ist, verlangt von den Providern, dass sie vier Wochen lang die Bewegungsdaten von Mobilfunkkunden und zehn Wochen lang die Kommunikations-Daten (unter anderem: Wer hat wann mit wem telefoniert) speichern. Eine deutlich zurückhaltendere Vorgabe als in der ersten Fassung, die vom Bundesverfassungs-Gericht gekippt wurde.

Die von vielen Experten bevorzugte Methode des QuickFreeze (die Daten werden ab dem Moment gespeichert, ab dem für einen Einzelfall eine Anordnung vorliegt) wird in Deutschland leider nicht angewendet. Hier stehen den Ermitteln die dringend benötigen Daten zur Verfügung – aber eben erst, nachdem ein Richter die Erfassung der Daten angeordnet hat. So wie ein Richter auch das Abhören einer Telefonleitung anordnen muss.

Die Diskussion über die Vorratsdaten-Speicherung: Sie ist noch nicht zu Ende – und kommt nun wieder in Gang.

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