Was bringt Videoüberwachung mit Gesichterkennung?

Videoüberwachung ist nichts Neues. Videoüberwachung mit automatischer Gesichtserkennung schon. Die Polizei testet nun eine erste Kamera in Berlin. Datenschützer sind empört. Aber unabhängig davon stellt sich die Frage, was solche Kameras tatsächlich ausrichten können.

Der Bahnhof Südkreuz in Berlin wird jetzt von Hightech-Kameras überwacht. Von Kameras, die in der Lage sein sollen, Gesichter von Passanten zu erkennen – und sie live mit Fahndungslisten abzugleichen. Wird jemand entdeckt, der in der Datenbank gespeichert ist, schlägt das System Alarm. Um die Zuverlässigkeit der Kameras zu testen, haben sich 200 ganz normale Menschen freiwillig gemeldet. Menschen, die immer wieder mal am Südkreuz auftauchen. Sechs Monate soll der Test dauern.

Das Sicherheitsgefühl erhöhen

Ein gut gewählter Zeitpunkt für so einen Test – wenige Wochen vor der Bundestagswahl. Bundesinnenminister Thomas de Maizière erklärt uns auch, was er vor hat: Er will damit das „Sicherheitsgefühl der Bürger“ erhöhen. Ich glaube ihm, dass er das Sicherheitsgefühl erhöhen möchte. Aber es ist eben bestenfalls das Gefühl – nicht die Sicherheit selbst. Und selbst das wird ihm vermutlich nicht gelingen. Denn wozu soll so ein System gut sein? Im ersten Moment denkt man noch: Cool, wenn es solche Kameras gibt, kann sich keiner mehr verstecken. Wer gesucht wird, der wird früher oder später entdeckt – und kann gleich dingfest gemacht werden.

Doch das klappt natürlich auch nur, wenn die Person a) zuverlässig erkannt wird und b) 15 Sekunden später die Polizei vor Ort ist, um die Person festzunehmen. Extrem unrealistisch. Was will man also mit so einer Kamera erreichen? Ein tatsächlicher Straftäter, vor allem einer, der einen akuten Anschlag vorhat, wird sich einfach vermummen. Sonnenbrille auf. Tuch um. Fertig. Das hat doch auch in Hamburg gut funktioniert. Eine derart eingehüllte Person kann kein Kamerasystem identifizieren, egal wie teuer, egal wie gut.

Abwehr von Terrorakten? Wohl eher nicht

Und selbst wenn sich jemand nicht verhüllt und tatsächlich in einer Datenbank als „Gefährder“ gespeichert ist: Was bitte soll dann passieren? Wirft die Kamera ein Fangnetz aus? Man muss doch die Kirche mal im Dorf lassen. Den Behörden sind bereits Hunderte von Gefährdern bekannt.

Sie dürfen trotzdem frei rumlaufen. Daran hat auch die Tatsache nichts geändert, dass die Mehrzahl der Anschläge der letzten Zeit von bekannten Personen ausgegangen sind, von Personen, die trotzdem nicht verhaftet oder abgeschoben wurden. Was soll also eine alberne Kamera ausrichten?

Es liegen genügend Erkenntnisse vor – sie werden aber schlicht ignoriert. Mehr Erkenntnisse vergrößern das Problem doch eher als es zu verringern. „Abwehr von Terrorakten“? Ein leeres Versprechen. Solche Kameras können im besten Fall eine Hilfe bei der Aufklärung sein. Nachdem mal wieder etwas passiert ist.

Orwell am Südkreuz

All diese frustrierenden Tatsachen könnte man noch ignorieren, wären da nicht auch noch die erheblichen und vor allem absout begründeten Datenschutzbedenken, die mit solchen Kameras einhergehen. Denn moderne Kamerasysteme können in der Tat eine ganze Menge. Sofern sich Personen nicht komplett verhüllen, können sie mühelos Gesichter erkennen und Personen identifizieren. Dem Überwachungsstaat ist damit Tür und Tor geöffnet. Harmlose Menschen verhüllen sich nicht – und werden zuverlässig erkannt. Der Schwarzfahrer. Der Sprayer. Vor allem Du und ich. Es setzt schon eine Menge Vertrauen voraus, davon auszugehen, dass solche Technologien nicht missbraucht werden – jetzt nicht und auch in Zukunft nicht. Dieses Vertrauen habe ich nicht.

Lässt sich zusammenfassen: Die echten Straftäter haben nichts zu befürchten. Alle anderen schon. Klingt nach keinem guten Deal.

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