WWW-Erfinder Berners-Lee will den Nutzern das Web zurückgeben

Das Internet: Einst für alle gedacht und gemacht – heute weitgehend in den Händen einiger weniger Anbieter. Niemand wird bestreiten wollen, dass Google, Facebook, Amazon, Microsoft, Apple, Twitter und einige weniger mehr über das Netz herrschen. Nicht im wortwörtlichen Sinne, aber sie bestimmen es zu großen Teilen. Durch ihre Entscheidungen und Produkte.

Das war und ist nicht im Sinne von Sir Tim Berners-Lee. Der Brite hat das World Wide Web vor fast 30 Jahren erfunden – und macht sich heute Gedanken, wie man den Großen der Branche ein Teil der Macht wiedergeben kann. Mit eigenen Ideen, die durchaus funktionieren könnten.

Tim Berners-Lee hat vor 29 Jahren das WWW erfunden. IOm ist das Konzept des Web zu verdanken – das Internet gab es ja schon vorher. Aber durch seine Erfindung wurde es nutzbar, praktisch, alltagstauglich, einfach zu verstehen.

Sein Gedanke: Wir können im Netz alles mit allem verbinden, vernetzen. Dafür hat Berners-Lee die Hyperlinks (Links) erfunden. Wenn wir ein Dokument schreiben, kann es Bilder aus dem Louvre enthalten, Fotos auf dem Privatarchiv, Musik vom befreundeten Künstler und eigene Texte.

Alles ist auf unterschiedlichen Servern gespeichert und wird im Hyperdokument neu zusammengemischt. Das war der Grundgedanke, der auch tatsächlich gut funktioniert hat. So ist das bunte World Wide Web entstanden. Doch schnell haben sich Gegenentwicklungen gezeigt: Eine Art Zentralisierung.

Das meiste ist bei wenigen Anbietern gespeichert, und sie kontrollieren die Abläufe völlig. Dagegen will Tim Berners-Lee unbedingt etwas unternehmen, denn ihm gefallen diese Entwicklungen nicht. Was er ändern will, beschreibt er hier.

Das Problem der Machtmonopole

Das Problem: Wenige Unternehmen können so viel steuern und kontrollieren. Die Großen sammeln ungeheure Datenmengen, völlig intransparent. Sie entscheiden, was online geht, sie sammeln Daten, werten sie aus, nehmen Einfluss darauf, was wir im Netz zu sehen bekommen.

Das entspricht nicht dem Grundgedanken, den Berners-Lee hatte: Informationen sollten frei und unkompliziert verfügbar sein, für jeden. Nicht unter der Kontrolle von Unternehmen.

Berners-Lee schlägt daher konkret vor, Daten wieder dezentral zu speichern und bei Bedarf zu verlinken, so wie ursprünglich gedacht. „Linked Data“ nennt sich das Konzept, das schon vor Jahren entwickelt wurde. Es sollen nicht mehr nur Dokumente miteinander vernetzt und verlinkt werden, so wie beim World Wide Web, sondern Daten jeder Art.

Etwa öffentlich zugängliche Daten von Behörden, Wetterdaten, Forschungsdaten und sogar persönliche Daten. Sie alle sollen auf viele Server verteilt online gestellt werden. Ohne die mächtige Kontrolle von großen Onlinediensten. Wir können in diesen öffentlich bereitgestellten Daten suchen. Ohne dass große Konzerne mitbekommen, was wir da machen, wie wir es machen, was wir anschauen oder veröffentlichen – zumindest nicht, wenn es wir nicht wollen.

bsdrouin / Pixabay

 

So  kann das in der Praxis aussehen

Jede Datei, jeder Inhalt bekommt eine eigene Adresse. Also jedes Foto, jedes Video, jedes Audio, jeder Text von mir. Ich kann die Daten auf eigenen Servern speichern oder bei entsprechenden Anbietern – behalte aber völlige Kontrolle darüber. Ich entscheide, ob und wer meine Fotos oder Videos sehen darf, ob jemand etwas liken oder kommentieren darf und kann diese Einstellungen jederzeit ändern.

Man könnte sagen: Gibt es bei Facebook zum Beispiel ja auch. Theoretisch schon, aber Facebook speichert die Daten, Facebook wertet die Zugriffe aus, Facebook entscheidet, ob meine Änderungen an den Einstellungen und Optionen berücksichtigt werden. Das wird anders, wenn das vorgeschlagene Linked-Data-Konzept zum Einsatz kommt.

Dann bekommt Facebook nicht mehr mit, wer sich ein Video anschaut oder liked. Ein Facebook wäre damit weitgehend entmachtet, vielleicht sogar überflüssig – trotzdem könnten Angebote wie YouTube oder Soziale Netzwerke entstehen, nur anders.

geralt / Pixabay

Solid Pods

Viele werden sich nun sagen: Wenn ich alles online speichern kann, ist das schön und gut – aber ich möchte ja nicht mein Adressbuch öffentlich machen. Oder meine Urlaubsfotos für jeden sichtbar.

Genau, deshalb hat Tim Berners-Lee seine Idee weiter entwickelt und „Social Linked Data“ (Solid) auf die Beine gestellt. Persönliche Daten wie Kontakte, Freundeslisten, Gesundheitsdaten, Blogposts oder Bankdaten werden in separaten Containern gespeichert, so genannten Pods.

So ein Pod kann auf der lokalen Festplatte liegen, auf dem Firmenserver, im eigenen Webspace oder bei einem Cloud-Anbieter gelagert sein.

Wir können für jeden Pod einstellen, wer ihn sehen und verändern darf. Konkretes Beispiel: Sammle ich meine Fitnessdaten, ermittelt mit einem Fitness-Armband, landen sie in einem „Fitness“-Pod. Darauf habe ich Zugriff – und vielleicht der Hersteller des Armbands. Wechsle ich das Armband, entziehe ich dem einen Hersteller den Zugang – und gewähre dem nächsten den Zugriff. Klingt anders als heute, oder?

Ist das realistisch?

Die Idee wird gerade entwickelt. Die Software ist OpenSource, das bedeutet, jeder kann sie lizenzfrei nutzen und weiter entwickeln. Daraus sind schon große Projekte entstanden. Das wird aber vermutlich nicht reichen, um einen Durchbruch zu schaffen. Es bräuchte eine kritische Masse an Menschen.

#Eine Möglichkeit wäre, dass die Politik so etwas vorschreibt. Verbindlich. Zumindest, dass jeder die Möglichkeit haben muss, seine Daten auf diese Weise selbst zu verwalten. Das würde auf einen Schlag eine Menge Probleme lösen – und wäre technisch machbar.

 

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