Bahnhof Südkreuz: Wie gut muss Gesichtserkennung sein?

Ein Jahr lang hat die Bundespolizei am Bahnhof Berliner Südkreuz rund 90.000 Passanten täglich beobachten lasssen – von Videokameras und von Spezial-Software. Die Aufgabe: Herauszufinden, wie zuverlässig (oder eben nicht) so ein System arbeiten kann. Werden Personen entdeckt, nach denen gefahndet wird – und bleiben alle anderen unbehelligt? Die Ergebnisse der Testphase begeistern den Innenminister und schocken des Chaos Computer Club (CCC).

Am Berliner Südkreuz – ein stark frequentierter Bahnhof in Berlin – hat die Bundespolizei mehrere Monate lang einen Feldversuch durchgeführt. Wie gut lassen sich mit computergestützter Videoüberwachung Menschen erkennen, die auf der Fahndungsliste stehen? Dazu wurden einige Freiwillige in die Datenbank gestellt – und die vollautomatische Gesichtserkennung sollte sie entdecken, wenn sie über den Bahnhof flanieren.

Streit über die Treffer- und Fehlerquote

Die Bundespolizei und das Bundesinnenministerium melden einen „vollen Erfolg“: 80% Trefferquote habe es im Feldversuch gegeben. Damit hat das System nach Ansicht der Bundespolizei also in 80% einen Alarm ausgelöst, wenn einer der Probanden durchs Bild gelaufen ist. Der Chaos Computer Club (CCC) kritisiert das Ergebnis aber jetzt und meint, das Ergebnis sei „absichtlich geschönt“.

Die Experten kritisieren nicht nur, dass viel zu wenige Tests durchgeführt wurden – und auch das zugrundeliegende Datenmaterial. So wären die Datenbanken mit hochaufgelösten Fotoaufnahmen gefüttert worden, die bei Fahndungen oft gar nicht vorlägen. Auch seien gleich mehrere Aufnahmen der zur Fahndung ausgeschriebenen Personen in der Datenbank gelandet.

Algorithmen entscheiden immer mehr – künftig auch, wer wo herumlaufen darf?

Der Blick auf die Zahlen bringt uns kaum weiter

Warum das problematisch sein soll, kann ich allerdings nicht nachvollziehen. Denn zum einen gibt es durchaus häufig technische gute Aufnahmen von zur Fahndung ausgeschriebenen Personen und nicht nur Schnappschüsse. Auch liegen der Polizei in der Regel mehrere Aufnahmen vor. Problematischer ist wohl der Wert von 0,67% Falscherkennungen. Das bedeutet, bei 90.000 Reisenden, die täglich durch so einen Bahnhof laufen, lösen gut 600 davon einen Alarm aus – und werden möglicherweise genauer beobachtet.

Im Grunde bringt uns die Diskussion aber nicht weiter. Denn ob 80% der zur Fahndung ausgeschrieben Personen korrekt erkannt werden oder 90% oder sogar 100% und das mit 1% Fehlerquote oder 0,5% oder 0,1%, ist am Ende eine Frage der Effizienz. Was bedeutet es aber praktisch, wenn 10 oder 100 Mal am Tag eine „Meldung“ ausgelöst wird, weil eine zur Fahndung ausgeschriebene Person entdeckt wird? Was passiert dann? Reichen die Polizeikräfte, um jedes Mal aktiv zu werden – innerhalb von Sekunden?

Ich bezweifle das doch stark. Interessant wäre doch viel mehr die Frage, ob zum Beispiel der Geiselnehmer und Attentäter vom Kölner Hauptbahnhof, der „polizeibekannt“ gewesen ist, durch ein solches System erkannt worden wäre – und was dann passiert wäre? Hätte sich die Geiselnahme verhindern lassen? Da die Polizei bekannte Straftäter sowieso frei rumlaufen lassen muss, bringt es doch wenig, alle zu beobachten.

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