Die Polizei und die Gesichtserkennung

Bundesinnenminister Seehofer macht offenbar einen Rückzieher: Die Bundespolizei soll nun wohl doch keine automatisierte Gesichtserkennung an sicherheitsrelevanten Orten einsetzen dürfen. Der aktuell vorgelegte Gesetzentwurf sieht das jedenfalls nicht mehr vor.

Offensichtlich in eine gewisse Einsicht eingekehrt, dass es hoch problematisch ist, im großen Stil und KI-gestützt Plätze oder Orte zu überwachen. Denn Gesichtserkennung funktioniert nicht perfekt – und macht gleichzeitig eine nahezu lückenlose Überwachung möglich.

US-Behörden füttern den Datenschurken – durch Bezahlung

Genau das ist die Sorge, die mit dem aktuellen Clearview-Fall verbunden ist. Ein US-Unternehmen hat gegen alle Nutzungsbedingungen rund drei Milliarden Fotos mit Gesichtern aus dem Netz gezogen und in einer gigantischen Datenbank gespeichert. Der eigentliche Skandal ist aber, was Clearview AI damit macht: Rund 600 Behörden in den USA zahlen dafür, dass sie Fotos ins System einspeisen dürfen – und erfahren, um wen es sich dabei handelt.

Polizei und Behörden verlassen sich auf ein Privatunternehmen, das niemand kennt, das niemand überprüft und das macht was es will. Unfassbar. Wäre das auch in Deutschland denkbar? Ich habe in Düsseldorf Sebastian Fiedler gesprochen (komplettes Interview, siehe Video) und ihn gefragt, ob die deutsche Polizei so etwas nicht auch praktisch fände.

Klare Antwort des Polizisten: „Auf keinen Fall! Es geht nicht darum, was praktisch ist, sondern was rechtsstaatlich in Ordnung geht.“ Clearview AI hat mit Rechtsstaatlichkeit nichts zu tun.

Twitter fordert Löschung der Fotos

Es regt sich Widerstand. Twitter zum Beispiel hat Clearview AI aufgefordert, eingesaugte Bilder unverzüglich zu entfernen. Eine Reaktion, die man auch von Facebook erwarten würde – und im Grunde auch von den US-Behörden und der US-Politik. Aber die US-Behörden füttern diesen Drachen ja. Was schon allein für sich ein Skandal ist. Eigentlich der noch viel größere als dass ein Unternehmen versucht, sich dreist einen Vorteil zu verschaffen.

Denken wir die Sache doch weiter: Wenn Clearview AI keine klaren Grenzen gesetzt werden – und hier geht eigentlich nur eins: Stecker ziehen! -, dann kommt doch schon bald die erste Spaß-App auf den Markt. Check your mate: Foto machen – und erfahren, wer das ist. Die ersten drei Versuche gratis. Danach gegen Dollar. Und dann kommt die schicke Augmented-Reality-Brille auf den Markt, die sogar in Echtzeit Gesichter scannt. Technisch alles denkbar.

Aber ein Albtraum.

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