Das Wiener Attentat und die Verantwortung der Plattformen

von | 08.11.2020 | Social Networks

Facebook bietet für Krisensituationen (Erdbeben, Naturkatastrophen, Amoksituationen) einen Krisenmodus an. Da können Menschen ihren Angehörigen mitteilen, dass sie sicher sind („Safety Check“) – oder sich auch mit anderen Menschen in der Region verbinden. Beim Attentat in Wien sind in dem Krisenforum aber vor allem verstörende Aufnahmen gelandet. Nicht die einzige Panne. Es braucht dringend Regeln für Soziale Netzwerke in solchen Situationen.

Als in der Wiener Altstadt am Montagabend die ersten Schüsse gefallen sind, hat es nicht lange gedauert, bis auf Facebook und Twitter auch die ersten Warnungen zu lesen waren. Erweitert um Hashtags wie #Terror und #Attentat.  Plattformen wie Facebook und Twitter sind auf so etwas schon trainiert. Entdecken die Algorithmen solche Schlagwörter in einer Region häufig, wird automatisch ein Krisenmodus aktiv.

„Krisenmodus“ bei Facebook ein großes Problem

Bei Facebook ist es der „Safety Check“, der eigentlich einen guten Zweck hat: Wer sich in der betroffenen Region aufhält, von dort kommt oder noch vor kurzem da war, kann dann in Facebook mitteilen, ob es ihm bzw. ihr gut geht – und so Freunden und Familie mitteilen, dass alles in Ordnung ist. Darüber hinaus richtet Facebook automatisch ein Forum für die Krise ein. Auch hier eigentlich mit einem guten Zweck verbunden: Betroffene Menschen sollen sich informieren können, hier lässt sich aber auch Hilfe organisieren und aufklären.

Allerdings ist der bei Facebook automatisch eingerichtete Krisenbereich in diesem Fall mit Fotos und Videos aus Wien geflutet worden, die teilweise extrem verstörende Bilder zeigen – namentlich, wie der Attentäter durch die Innenstadt zog und kaltblütig Menschen tötete. Im Krisenmodus laufen die Videos sogar automatisch an – man muss sie nicht mal anklicken.

Falsche Informationen verbreiten Panik und Chaos

So etwas verbreitet Panik. Erst recht, wenn solche Aufnahmen auch noch auf den großen Plattformen geteilt werden. Nicht ungewöhnlich: In den ersten Minuten waren viele Falsch-Informationen zu lesen. Es seien zehn Täter, wurde behauptet. Falsch. Es gebe eine Geiselnahme. Falsch.

Für die Polizei an Albtraum, sagt Sebastian Fiedler vom Bund Deutscher Kriminalbeamter. Denn die Einsatzkräfte müssten sich mit Dingen beschäftigen, die gar nicht stimmen. Das behindert Polizei und Hilfskräfte gleichermaßen.

Leider passiert aber genau das bei so ziemlich jeder Krisenlage. Facebook betreut den Bereich im Krisenmodus überhaupt nicht. Alle Plattformen reagieren erst sehr spät, um allzu verstörende Fotos und Videos wieder zu entfernen.

Auch so manche Redaktion handelt unverantwortlich

In solchen Situationen wäre es sinnvoll, die Plattformen würden ausschließlich die Behörden twittern und posten lassen. So wie die Polizei Wien, die mehrfach aufgerufen hat, keine Fotos oder Videos zu posten. Was trotzdem unzählige Leute gemacht haben.

Und einige Redaktionen hat nicht nur die Videos trotzdem gezeigt, sondern den Täter auch noch unverpixelt in heroischer Pose und mit Echtnamen abgedruckt und auf die Webseite gebracht. Dabei warnen Experten: Das macht Täter zu Helden – und stiftet zur Nachahmung an.

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Sebastian Fiedler über Fotos und Videos im Netz nach einem Attentat