Wie nachhaltig ist Digitalisierung eigentlich?

Ständig hören wir: Es muss schneller voran gehen mit der Digitalisierung. In den Schulen. In der Verwaltung. Aktuell natürlich bei den Gesundheitsämtern, um die Corona-Krise besser in den Griff zu bekommen. Und in der Wirtschaft mal sowieso.

Ganz so, als könnte die Digitalisierung mit Leichtigkeit alle Probleme lösen, die wir haben. Dabei wissen wir doch alle, dass es anders ist. Die Digitalisierung löst nicht nur Probleme, sondern schafft auch selbst welche. Jede Menge davon. Nur welche das sind, das ist vorher nicht immer abzusehen,

KI kann Krankheiten heilen – gleichzeitig werden unsere Systeme verletzbarer

Klar: Die Digitalisierung kann Prozesse optimieren. Abläufe verbessern. KI kann jetzt sogar Proteine „falten“ und so dabei helfen, Krankheiten zu heilen. Aber die Digitalisierung hat eben auch einen Sack voller Nachteile im Gepäck: Sie ist kostspielig. Sie erhöht die Abhängigkeit. Etwa von den Systemen, aber auch von Anbietern. Und: Digitalisierung macht vulnerabel. Verletzbar.

In jüngster Zeit kommt noch ein weiterer Aspekt dazu, der eine immer größere Rolle spielt: die Nachhaltigkeit. Auf dem jüngsten Digitalgipfel Anfang Dezember haben Politiker und Experten intensiv darüber gesprochen. Wie nachhaltig ist Digitalisierung eigentlich? Macht sie die Welt klimafreundlicher – oder belastet sie die Umwelt nicht mehr als sie nutzt?

Wir müssen also eine Menge Fragen stellen. Etwa: Können Drohnen in der Landwirtschaft helfen, lassen sich mit KI Verkehrsströme optimieren – und lässt sich so Energie sparen und der CO2-Fußabdruck verkleinern? Es gibt zweifellos viele interessante Ansätze. Es geht darum, die Richtigen rauszupicken und loszumarschieren.

Digitalisierung birgt auch viele Nachteile

Gleichzeitig ist Digitalisierung aber auch eine enorme. Allen voran der enorme Energiebedarf: Rechenzentren verbrauchen sehr viel Energie. Jetzt schon rund 2,7% des europäischen Strombedarfs. Tendenz: Steigend. Die EU will das ungebremste Wachstum des Energiehungers eindämmen. Aus ökologischen Gründen. Das ist richtig und wichtig – und damit auch Thema auf dem Digitalgipfel.

Viel zu wenig beachtet bislang ist aber auch die Frage, wo all die Rohstoffe herkommen, die in moderner Technologie verbaut sind: Seltene Erden und seltene Metalle vor allem. Sie werden teilweise unter räuberischen Bedingungen abgebaut, in China, in Chile, in Afrika. Mit umweltzerstörerischen, gesundheitsschädlichen und menschenverachtenden Methoden.

Niemand spricht über Ressourcenverschwendung

Eine uneingeschränkt empfehlenswerte Dokumentation auf ARTE belegt: Wir belügen uns alle selbst, wenn wir glauben, den ökologischen Wandel gäbe es wirklich. Moderne Technologie – und auch die Digitalisierung – fordern ihren Tribut. Und die Politik schaut weg. Das gehört zur Nachhaltigkeit zweifellos dazu, ist aber auf dem Digitalgipfel vermutlich kein Thema. Denn mit den Fragen des Ressourcenabbaus und der Ressourcenverschwendung beschäftigt sich Politik nicht gerne.

Dafür in diesem Jahr mit einem anderen Aspekt (denn dafür gibt es Applaus): Der bessere Schutz von Plattform-Beschäftigen. Die Digitalisierung sorgt für viele prekäre Beschäftigungen, ob im Lieferbetrieb oder als Uber-Fahrer.

Nachhaltigkeit: Nicht nur Umweltschutz

Es gibt heute viele sogenannte „Solo-Selbständige“ (auch so ein Unwort, weil es nach Freiwilligkeit und Selbstbestimmung klingt, nicht nach Ausbeutung und sozialem Verfall), die von Plattformen abhängig, aber dort nicht richtig beschäftigt sind.

Und auch Mitarbeiter von Amazon werden von ihrem Brötchengeber überwacht – und sind nicht unbedingt in jeder Hinsicht zu beneiden. Digitalisierung bedeutet allzu häufig Turbokapitalismus pur: Die einen verdienen, die anderen zahlen die Zeche. Umwelt inklusive.

Rechenzentren verbrauchen enorm viel Energie

Für die meisten von uns ist Internet ein bisschen wie Magie. Wir zücken das Smartphone oder klappen das Notebook auf – und im Display erscheint die ganze Welt. Nachrichten, Meldungen, Webseiten, Fotos, Videos – nur einen Mausklick entfernt. Und kaum einer macht sich Gedanken darüber, wie das eigentlich funktioniert.

Möglich machen das Rechenzentren. Jede Menge davon. Bei den großen IT-Giganten wie Google, Facebook, Microsoft. Bei den Streamingdiensten. Bei den Providern. All diese Rechenzentren und Cloud-Dienste sind extrem energiehungrig. Rund 2,7% der europäischen Strombedarfs geht auf das Konto solcher Rechenzentren. Tendenz: Steigend. Schon 2030 sollen es 3,2 Prozent sein. Und das sind nur die Rechenzentren. Der Energiebedarf der Geräte der Nutzerinnen und Nutzer kommt noch dazu.

EU will Stromverbrauch beschränken

Doch die EU hat sich ehrgeizige Klimaziele gesetzt. Deshalb müssen auch die Rechenzentren sparen. Energie vor allem, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren.

Die EU hat deshalb einen Katalog an Vorschlägen und Anforderungen vorgelegt, die Rechenzentren ab einer bestimmten Größe künftig erfüllen müssen. Besonders wichtig bei Rechenzentren: die Kühlung. Denn überall, wo viele Computer am Stück rechnen, wird viel Wärme produziert, und damit die Chips nicht durchschmoren braucht es starke Kühlsysteme. Die erfordern aber einen hohen Energieeinsatz, insbesondere bei warmen Außentemperaturen. Es müssen also effizientere Kühlungssysteme her.

Rechenzentren optimieren – das lohnt sich

Gleichzeitig kann und soll die Abwärme der Rechenzentren genutzt werden, etwa zur Heizung oder um Energie zurückzugewinnen. Besonders wichtig ist natürlich auch der Einsatz erneuerbarer Energien.

Last not least können und müssen Rechenzentren aber auch optimiert werden, damit sie weniger Energie verbrauchen. Außerdem spielt es auch eine Rolle, wo Rechenzentren stehen. In Südeuropa ist nicht der ideale Ort: Dort ist es ohnehin warm – da produziert die Kühlung einen höheren CO2-Ausstoß. In Norwegen muss man dagegen nur die Fenster öffnen … Im Ernst: Es gibt Rechenzentren am Meer, die kühlen mit Meerwasser. Es gibt also Ideen, die müssen nun umgesetzt werden.

Wie sieht Ihre Energiebilanz aus?

Irgendwann wird es sicher in Europa Zertifikate geben, auf die man achten könnte. Fest steht: Das Thema ist in der Politik angekommen. Nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Rechenzentren werden sich immer häufiger die Frage stellen lassen müssen, wie ihre Energiebilanz aussieht. Und womöglich auch Dienstleister, die Cloud-Dienste anbieten.

Es ist also aller höchste Zeit, auch diesen Aspekt zu beachten, wenn man die Digitalisierung vorantreiben möchte.

 

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