20 Jahre Wikipedia: Im Gespräch mit Katherine Maher

von | 18.01.2021 | Tipps

Wikipedia – für viele heute ein Synonym für Nachschlagen, Lexikon, Enzyklopädie. Vor 20 Jahren ist der Startschuss gefallen: Aus einem sympathischen kleinen Projekt wurde eine Institution. Ich habe mit der heutigen Wikipedia-Chefin Katherine Maher über die Zukunft von Wikipedia gesprochen.

Vor genau 20 Jahren hat Jimmy Wales die Online-Enzyklopädie Wikipedia gegründet – und den ersten Beitrag geschrieben. Heute ist Wikipedia der Inbegriff für das Nachschlagen von Informationen im Netz. Wikipedia ist unbestreitbar das Nachschlagewerk schlechthin. Keineswegs über jeden Zweifel erhaben. Aber doch allgemein akzeptiert, respektiert, wertgeschätzt und vor allem intensiv genutzt.

Die Deutschen sind besonders engagiert auf und mit Wikipedia

Allein wir Deutschen greifen laut Statistik von Wikipedia rund 30 bis 40 Millionen Mal pro Tag auf Wikipedia zu. Katherine Maher, die Chefin von Wikimedia, sagt mir im Interview: „Die Deutschen sind eine besonders engagierte und aktive Gruppe auf Wikipedia – wenn nicht die aktivste.“ Rund 2,5 Millionen Artikel hat die deutschsprachige Wikipedia. Das sind fast 5 Prozent der rund 54 Millionen Artikel, die Wikipedia in all den Sprachen aufzubieten hat, in denen es Wikipedia mittlerweile gibt. Sogar in Klingonisch – wenn auch nur für kurze Zeit.

Wikipedia sei ein wirksames Werkzeug gegen Fake-News, sagen manche. Das stimmt. Nirgendwo sonst lassen sich Fakten derart schnell, einfach, bequem und auch noch kostenlos und ohne lästige Werbung oder Ausschlachtung der Nutzerdaten nachschlagen. Auch, wenn auf Wikipedia aus unterschiedlichen Gründen auch nicht immer alles stimmt – es gibt einfach keine bessere und verlässlichere Informationsquelle im Netz als Wikipedia.

Kritiker meinen: Wikipedia sei dominiert von Männern

Kritik ist nichts Schlechtes: Sie kann eine gute Sache zu einer noch besseren Sache machen. Eine häufig gehörte Kritik: Wikipedia sei vor allem weiß, männlich und westlich. Katherine Maher kennt die Argumente und schmunzelt, wenn man sie darauf anspricht.  „Ja, das stimmt wohl. Wir wollen eine offene Enzyklopädie für die ganze Welt. Aber es ist wahr: Die Mehrheit der Wikipedianer ist männlich.“

Doch es sei ausdrücklich Ziel von Wikipedia, mehr Vielfalt zu erreichen – ohne das bestehende Wissen einzuschränken. Der Fokus liege deshalb in den nächsten zehn Jahren darauf, mehr Diversität zu erreichen. Mit mehr Wissen und Erfahrungen aus aller Welt.

Mehr als die Menschen zu motivieren, geht wohl kaum. Denn grundsätzlich kann ja jeder mitmachen bei Wikipedia. Jede – und jeder. Das Netzwerk kann Zuwachs gebrauchen. Denn obwohl die Artikelzahlen explodieren, bleibt die Zahl der Administratoren, Bearbeiter und Autor recht stabil, erklärt Katherine Maher. Und das sei schade.

Und es führt dazu, dass viele Artikel als veraltet oder überholungsbedürftig gelten. Daher sind mehr helfende Hände gefragt. Katherine Maher sieht aber auch eine Stärke in Bots und „Machine Learning“: Damit lassen sich Artikel aktuell halten, indem aktuelle Zahlen und Fakten automatisch eingetragen werden.

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Wikimedia-Chefin Katherine Maher im Interview

Mit Bots und Machine Learning gegen Manipulation

Technische Hilfe dieser Art kommt laut Katherine Maher auch zum Einsatz, wenn es darum geht, das Lexikon zu bewahren vor Manipulation. Verdächtige Eintragungen und Korrekturen sollen so erkannt und gesichtet werden. Denn so populäres Nachschlagewerk ist begehrt bei allen, die in der Öffentlichkeit in einem guten Licht stehen wollen.

Es gibt noch eine Menge zu tun bei Wikipedia. Der Schwerpunkt soll auf Texten liegen. Aber die Welt entwickelt sich: Mehr Videos und künftig vielleicht auch Augmented-Reality-Inhalte und Einsatzmöglichkeiten könnten Wikipedia gut tun.

Auf alle Fälle: Happy Birthday, liebes Wikipedia.