Vernunft siegt über Internet-Sperren

Lange war um die richtige Lösung gerungen worden, wie man mit Kinderpornografie im Internet umgehen soll. Die einen wollten virtuelle Stoppschilder im Internet aufstellen. Ursula von der Leyen zum Beispiel, die ehemalige Familienministerin. Sie hat deswegen das sogenannte Internetsperrgesetz auf den Weg gebracht. Eine Lösung, die auch das BKA bevorzugt – und 2009 Gesetz wurde.

Aber auch eine Lösung, die heftig kritisiert wurde. Die Alternative: Löschen statt sperren. Denn in der Tat ist es viel sinnvoller, kriminelle Inhalte radikal aus dem Netz zu entfernen als nur eine Art Sichtschutz aufzustellen. Virtu-elle Stoppschilder lassen sich mühelos umgehen und beseitigen das Problem nicht.

Es ist Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger zu verdanken, dass hier die Vernunft gesiegt hat: Löschen statt sperren wurde ein Jahr lang ausprobiert. Und siehe da: Die Resultate waren überwältigend. 99% aller problematischen Inhalte sind nach spätestens vier Wochen aus dem Netz verschwunden. Damit hatte keiner gerechnet. Und deswegen sind die virtuellen Stoppschilder nun endgültig ad acta gelegt worden. Endlich.

Ende für Internet-Sperr-Gesetz

Jetzt hat sich doch die Vernunft durchgesetzt – sage zumindest ich, denn ich finde es vernünftig, auf das Internetsperrgesetz zu verzichten, die heftig umstrittene Sperrung von Webinhalten mit kinderpornografischen Inhalten. Darauf hat sich jetzt die Koalition aus CDU und FDP in Berlin geeinigt. Das von der Vorgängerregierung (CDU/SPD) auf Initiative der CDU/CSU auf den Weg gebrachte Internetsperrgesetz wurde nun also endgültig gekippt.

Noch mal zur Erinnerung: Das Internetsperrgesetz hatte zum Ziel, Webseiten und andere Angebote mit kinderpornografischen Inhalten aus dem Netz zu verbannen. Allerdings nicht, indem die Angebote selbst aus dem Netz entfernt würden, sondern indem virtuelle Trennwände aufgestellt werden: Internet-Provider sollten verpflichtet werden, Sperrlisten zu berücksichtigen und Zugänge zu erschweren. Personen mit technischem Sachverstand hätten diese Sperren allerdings mühelos umgehen können. Abgesehen davon gab es auch Kritik an den Sperrlisten selbst, die allein vom BKA erstellt werden sollten, ohne richterlichen Beschluss, und nicht mal einsehbar sein sollten.

Dagegen hat es jede Menge Protest gegeben – völlig zu Recht. Als Alternative wurde das Löschen der besagten Inhate angestrebt, was viel sinnvoller ist, weil die Inhalte so dann tatsächlich nicht mehr verfügbar sind, für niemanden. Argument dagegen: Das würde nicht zuverlässig funktionieren. Deshalb wurde ein einjähriger Test beschlossen. Und siehe da: Nach aktuellen Zahlen des Bundeskriminalamtes sind nach zwei Wochen 93 Prozent der kinderpornografischen Inhalte gelöscht, nach vier Wochen sind es sogar 99 Prozent. Ein überwältigender Erfolg, denn genau das hatten Kritiker der Löschlösung immer bemängelt. Sie meinten, es würde niemals gelingen, die Mehrzahl der Inhalte zeitnah zu löschen.

Genau das gelingt aber. Eine optimale Lösung, wie ich finde, denn so verschwinden nahezu 100% der unsäglichen Inhalte aus dem Netz, ohne dass Methoden eingeführt werden, die technisch unzureichend und rechtsstaatlich bedenklich sind. Zudem wären Sperrlisten, einmal eingeführt, auch in der Lage, für andere Zwecke eingesetzt zu werden – was sich wirklich niemand wünschen kann.

Ich bin froh über das Ergebnis. Hier hat die FDP ausnahmsweise mal Profil bewiesen, in Person von Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger.

Bayerns Justizministerin will Internetsperre

Endlich haben wir Sommertheater. Wenn eine CSU-Politikerin wie die bayerische Justizministerin Beate Dingsbums – Moment, ich schaue schnell mal nach, es ist Beate Merk -, es mit geradezu lächerlichen Äußerungen wie den Vorwürfen in Richtung FDP in die Presse schafft, dann muss einfach Ferienzeit sein.

Niemand wundert es, wenn die CSU die Internetsperre will – auch wenn das gegen jede Vernunft spricht, eigentlich längst durchdiskutiert ist und nicht ohne Grund im Koalitionsvertrag anders vereinbart ist. Zum gefühlt hunderttausendsten Mal also verlangt eine konservative Politikerin/ein konservatiber Politiker alle vernünftigen Argumente ignorierend die Internetsperre, also das Sperren von Webseiten mit kriminellen Inhalten. Dabei ist längst entschieden: Es wird gelöscht statt gesperrt. „Reicht nicht“, meint Beate Merk – und verlangt eben (auch?) nach den Sperren, und es ist ihr nicht mal peinlich, der FDP vorzuwerfen, für die Verrohung der Jugend verantwortlich zu sein, eben weil sie (die FDP) gegen die Internetsperre ist.

Wie das eine (Verrohung der Jugend) mit dem anderen (Sperren von Webseiten mit Kinderpornografie) überhaupt in einem Satz untergebracht werden kann, ohne vor Schamesröte anzulaufen, ist mir ein Rätsel. Denn selbst wenn es stimmen sollte, dass die Jugend verroht, dann sicher nicht, weil Kinderpornografie im Netz zu finden ist – nur wenige Jugendliche interessieren sich für solche Inhalte.

„Wenn man sich ansieht, welche Folgen der Konsum von schädlichen Videos haben kann, ist die Laissez-faire-Politik der FDP bei Kinderpornos im Netz grob fahrlässig“, sagte die stellvertretende CSU-Vorsitzende (auch das noch) Merk am Donnerstag in München. Die Äußerung ist meiner bescheidenen Meinung nach an Dummheit und Dreistigkeit nur schwer zu übertreffen – und wirft kein gutes Licht auf die Personalwahl der CSU im Allgemeinen und die Sachkenntnis der CSU bei Medienthemen im Besonderen.

Die EU will Internetsperre erzwingen

Kaum hat das oberste deutsche Gericht das Internetsperrgesetz einkassiert, weil es handwerklich schlecht gemacht ist und unsere Grundrechte missachtet, wollen die meisten Politiker nichts mehr davon wissen und tun so, als wären sie schon immer dagegen gewesen. Im Fall von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger stimmt das immerhin: Die FDP-Frau hat tatsächlich schon immer auf Löschen statt Sperren gesetzt – und tut es nach wie vor, auch jetzt noch, wo plötzlich die EU ein Internetsperrgesetz will, um Kinderpornografie im Netz einzudämmen.

Erstaunlich ist nur der Wortlaut: „Die Bundesregierung lehnt Internetsperren ab. Sie stellen kein wirksames Mittel im Kampf gegen Kinderpornografie dar, führen aber gleichzeitig zu einem großen Vertrauensschaden bei den Internetnutzern.“ Stimmt auffallend. Wie gesagt: Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger nehme ich das auch ab.

Aber die Kanzlerin Angela Merkel oder auch die CDU-Bulldogge Wolfgang Bosbach haben das Internetsperrgesetz auf den Weg gebracht. Und im Fall von Bosbach liegt wohl auf der Hand, dass er nicht dagegen ist, sondern für eine Internetsperre – es kann also keine Rede davon sein, dass die Bundesregierung tatsächlich dagegen ist, jedenfalls nicht geschlossen.

Aber wir wollen nicht kleinlich sein: Es ist schön zu sehen, wie sich die Dinge geändert haben. Das ist ausnahmsweise ein Verdienst der FDP, die bei Internetthemen schon zu Oppositionszeiten Haltung bewiesen haben. Da wünscht man sich, dass das so bleibt – auch gegen den Widerstand der EU, die nun denselben Fehler machen will wie die Bundesregierung und ein Internetsperrgesetz auf den Weg bringen will.

Dabei sind di Vor- und Nachteile doch hinreichend diskutiert, die Gefahren dürften klar sein. Löschen statt sperren ist ein viel besserer Weg. Eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Polizeibehörden der Länder ist wichtig. Und natürlich auch eine strafrechtliche Verfolgung all jener, die Kinderpornografie herstellen und konsumieren. Schon das „Drehen“ solcher Videos unter Strafe zu stellen, ist der richtige Weg. Drakonische Strafen für Konsum, Herstellung und Verbreitung, das packt das Übel an der Wurzel, nicht die Stigmatisierung des Verbreitungsweges.