Proteste gegen Handels-Abkommen Acta

Für viele ist das Internet ein Ort der freien Kommunikation: Jeder kann mehr oder weniger sagen, was er denkt. Zumindest bislang ist das so. Wenn in China, Iran oder Ägypten das Recht auf freie Meinungsäußerung beschnitten wird, sind die Proteste groß. Aber auch in der westlichen Welt gibt es immer wieder Versuche, das Internet zu beschränken, oft durch die Hintertür des Urheberschutzes.

Zuletzt in den USA mit Gesetzesinitiativen wie PIPA oder SOPA, jetzt droht ein neues Handelsabkommen namens Acta Realität zu werden – und nicht wenige befürchten auch hier herbe Einschnitte in die Freiheit des Internet.

Acta steht für „Anti-Counterfeiting Trade Agreement“, zu deutsch: „Handelsabkommen zur Abwehr von Fälschungen“. Dahinter verbergen sich komplexe Vereinbarungen zwischen diversen Staaten, darunter USA, Kanada, die EU, Australien, Japan und viele andere. Acta enthält viele Aspekte, unter anderem verbindliche Maßnahmen zur Durchsetzung von Urheberrechtsansprüchen im Internet. Im Klartext: Texte, Fotos, Videos, Filme und Musik sollen besser international geschützt werden.

Geplant ist unter anderem, dass Internetprovider haftbar gemacht werden könnten, wenn ihre Kunden, also die User, Urheberrechtsverstöße begehen. Sie sollen deswegen gezwungen werden, stärker darauf zu achten, was ihre Kunden im Internet machen – sie sollen sie überwachen.
Angedacht sind drakonische Strafen, bekannt als „Three Strike“-Prinzip: Nach drei Verstößen gegen das Urheberrecht, soll ein Internetzugang gesperrt werden können.

Es wurde vieles angedacht, auch die Anstiftung oder Beihilfe zur Urheberrechtsverletzung strafbar zu machen. Das könnte weitgehende Folgen haben: Ein Portal wie Youtube wäre streng genommen gar nicht mehr denkbar, denn hier werden natürlich ständig Urheberrechtsverstöße begangen, es wird Musik verwendet, es werden Filmausschnitte verwendet – Youtube oder andere Videoportale müssten nun dafür haften.

Kritiker sehen ACTA daher als Bestrebung, das Urheberrecht enorm zu verschärfen. Die vor zwei Wochen geplanten US-Gesetzinitiativen Pipa und Sopa gehen in eine ähnliche Richtung, die Proteste waren enorm, Wikipedia hat sich 24 Stunden abgeschaltet. Jetzt formiert sich auch Widerstand gegen Acta. Es ist Eile geboten, denn vergangenen Donnerstag hat das umstrittene „Anti-Counterfeiting Trade Agreement“ eine weitere Hürde genommen, die EU hat zugestimmt. Jetzt müsste die Vereinbarung von allen Mitgliedsstaaten ratifiziert werden, 22 von 27 Staaten haben das bereits getan.

Im Web formiert sich Widerstand heute am schnellsten und effektivsten. Es gibt einige Webseiten und Blogs, die über die Hintergründe und auch über die Gefahren aufklären, die aus Sicht der Kritiker mit Acta verbunden sind. Besonders dicht sind die Informationen in einem gut gemachten Youtube-Video, das verständlich erklärt, worum es bei Acta überhaupt geht – und eben, wo die Gefahren liegen.

Das Video ist teilweise etwas alarmistisch und sicher auch hier und da etwas übertrieben, aber es zeigt die Richtung auf: Hinter Acta stecken vor allem die Interessen der Rechteverwerter, Musik- und Filmindustrie insbesondere, aber auch große Verlage. Die haben ein Interesse daran, die Verbreitung im Internet zu erschweren oder sogar unmöglich zu machen.

Doch es wird nicht nur im Web protestiert, sondern verstärkt auch öffentlich demonstriert. Seit dem 25. Januar 2012 kommt es in Polen zu Massenprotesten. In vielen Städten gingen mehrere Zehntausend Menschen gegen die ACTA-Gesetzgebung auf die Straße. Einige Teilnehmer verglichen die Proteste vereinzelt sogar mit denen der Gewerkschaft Solidarność Anfang der 1980er Jahre. Jetzt schwappt die Protestwelle auch nach Westeuropa, auch nach Deutschland. Am 11. Februar wollen Acta-Gegner deutschlandweit protestieren, in vielen deutschen Städten.

Acta lässt sich noch stoppen, wenn nicht alle Staaten das Papier ratifizieren. Darauf hoffen viele, auch viele Amerikaner, weil sie das Abkommen eigentlich nicht mehr stoppen können, es muss im Senat nicht bestätigt werden.

Europäische Bürgerrechtsbewegungen wie die Digitale Gesellschaft und La Quadrature du Net setzen darauf, dass sich das EU-Parlament noch davon überzeugen lässt, das Abkommen abzulehnen. Dazu ist allerdings noch deutlich mehr Unterstützung aus der Bevölkerung nötig. Verschiedene Aktionen, im Web wie im echten Leben, sollen das bewirken. Die Aktionen erinnern an die Proteste gegen Sopa und gegen das „Zensursula“-Gesetz.

Die Bürgerrechtsplattform avaaz.org hat eine Online-Petition erstellt. Hier können User aus aller Welt Einspruch gegen Acta erheben. Mehr als eine Million Personen haben die Petition bereits unterzeichnet, die bald an Entscheidungsträger in Brüssel übergeben werden soll.
Es könnte funktionieren, es wäre jedenfalls nicht das erste Mal, dass sich auf diesem Weg genügend Menschen mobilisieren ließen und ein Gesetz tatsächlich gestoppt wird.