Google+ scheucht die Branche auf: Wie ein soziales Netzwerk alles durcheinander bringt

Vor zwei Wochen hat Google sein eigenes soziales Netzwerk Google+ vorgestellt. Kontakte knüpfen, aktuelle Nachrichten austauschen, Fotos und Videos von Freunden anschauen – das geht nicht länger nur bei Facebook, SchuelerVZ, StudiVZ und Co., sondern jetzt auch bei Google.

Nicht wenige meinen, Google+ könnte „the next big thing“ sein. Die Branche ist jedenfalls in Aufruhr, in Fachkreisen wird emsig über die Vor- und Nachteile von Google+ diskutiert. Google+ kann eine Menge: Google+ wirkt aufgeräumt und übersichtlich, ist sehr komfortabel in der Bedienung, vielseitig und hat interessante Funktionen zu bieten, zum Beispiel einen „Hangout“ genannten Videochat. Hier können bis zu zehn User parallel im Videochat miteinander plaudern.

Facebook ist derzeit erkennbar überfordert

Facebook scheint derzeit überfordert ob der neuen Konkurrenz. Mark Zuckerberg hat zwar vor einigen Tagen etwa großspurig „awesome news“ angekündigt, atemberaubende Neuigkeiten. Doch was wurde vorgestellt? Ein simpler Videochat – für zwei Personen, technisch abgewickelt über Skype. Wenn die Konkurrenz einen Gruppen-Videochat für bis zu zehn Personen anbietet, ist das natürlich nicht besonders beeindruckend.

Facebook hat eine Menge Vorsprung. Über 700 Millionen Mitglieder weltweit, ein üppiges Onlineangebot, jede Menge Inhalte und sowie reichlich Apps, die unter Facebook laufen. Diesen Vorsprung muss Google erst mal aufholen. Der Internetriese wird nicht versuchen, Facebook 1:1 zu kopieren, sondern sich auf Teilbereiche konzentrieren, insbesondere die Echtzeit-Nachrichten der User, der Austausch von Fotos, das Beschaffen und Verteilen von Infos und Nachrichten. Das ist auch das Kerngeschäft von Google – und da kann Google vom Start weg Online-Anzeigen präsentieren und Geld verdienen.

Google+ gilt dennoch als klare Kampfansage an Facebook. Google will ein möglichst großes Stück vom Kuchen, Facebook möglichst viele User abjagen. Nach nicht mal zwei Wochen hat Google+ bereits mehrere Millionen registrierte Mitglieder – ein großer Erfolg.

Google+ macht auch Twitter und anderen Diensten Konkurrenz

Doch Google+ macht nicht nur Facebook Konkurrenz, sondern auch Twitter, denn Googles soziales Netzwerk enthält einen Nachrichtendienst, der mit Twitter vergleichbar ist. Erst vor wenigen Tagen hat Google den Zwitscherdienst Twitter aus seiner Echtzeitsuche entfernt. Offizielle Begrüngung: die Verträge seien ausgelaufen. Google wird schon bald den Nachrichtenstrom aus Google+ in die Echtzeitsuche integrieren. Wer Twitter-Nachrichten finden will, muss jetzt zu Microsoft Bing oder Twitter gehen.

Deutschsprachige soziale Netzwerke wie SchuelerVZ oder StudiVz sind ebenfalls Verlierer. Kaum jemand möchte in drei, vier sozialen Netzwerken gleichzeitig angemeldet sein, sondern da, wo am meisten los ist. Soziale Netzwerke wie Xing oder LinkedIn werden durch den Start von Google+ eher weniger tangiert, denn diese sozialen Netzwerke haben einen Focus auf Geschäftskontakte. In diesem Bereich will Google+ gar nicht wildern.

Zutritt nur mit Einladung – erst mal

Offiziell für jeden geöffnet ist Google+ noch nicht. Man braucht eine Einladung von einem aktiven Mitglied. Jeder Google-Plus-Benutzer kann andere User einladen. Um Google+ nutzen zu können, ist lediglich ein Google-Konto nötig. Wer einen der zahlreichen Onlinedienste von Google nutzt, ob Mail, Reader, Textverarbeitung, verfügt bereits über einen Account-.

Schon bald soll Google+ für die Allgemeinheit geöffnet werden – es wird sicher nicht mehr so lange dauern, vermutlich nur wenige Tage, vielleicht auch ein paar Wochen. Aber Google hat keine Zeit zu verlieren, von daher gehe ich davon aus, dass der offizielle Start für jeden schon sehr bald erfolgen wird.
Aber auch bei Google+ läuft nicht alles rund, es gab bereits erste Pannen. Google-Plus-User haben dutzendfach einzelne E-Mails mit Benachrichtigungen erhalten. Offizielle Begründung: Eine Festplatte war vollgelaufen, es konnten keine Daten mehr gespeichert werden – und deshalb wurden in einer Endlosschleife Nachrichten verschickt.

Auch das mit den Einladungen hat nicht immer reibungslos funktioniert: Manchmal wurden die Einladungen nicht wirklich verschickt, manchmal wurden sie verschickt, aber man konnte sie nicht einlösen, hat keinen Zugang bekommen.

Boom der Sozialen Netzwerke trotz Schattenseiten

Da können Datenschützer noch so sehr vor gefährlichen Einblicken ins Privatleben warnen: Die sozialen Netzwerke im Internet boomen wie nie zuvor. Facebook, Xing und StudiVZ sind aus dem Leben der Deutschen nicht mehr wegzudenken. Mehr als zehn Millionen haben sich allein bei Facebook angemeldet – wie kommt das?

Was macht es so interessant, im Netzwerk dabei zu sein? Geht es eigentlich noch ohne, wenn die Freunde und Bekannten „drin“ sind? Welche Vorteile bringt es, sich selbst online zu präsentieren und zu vernetzen– aller Datenschutzwarnungen zum Trotz?

Funkhaus Wallrafplatz diskutiert mit Hörern und Experten über den Reiz der sozialen Netzwerke und gibt Tipps zum Schutz der persönlichen Daten.

Funkhaus Wallrafplatz, 22.05.2010 | 9.20 bis 10.00 Uhr:
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Angebliches „Datenleck“ in SchuelerVZ

Manchmal muss ich staunen. Das, was der Student der Wirtschaftsinformatik da jetzt geschafft hat, nämlich 1,6 Millionen rudimentäre Daten von Mitgliedern aus SchuelerVZ mit Hilfe eines Crawlers zu kopieren, das soll jetzt ein Skandal sein?

Unglaublich.

Es wurden keine Zugangsdaten gesammelt, es wurden keine Daten zusammengetragen, die nicht ohnehin öffentlich waren, sondern lediglich Daten in einer Liste zusammengeführt, die ohnehin öffentlich zugänglich waren, die jeder sehen, jeder lesen konnte. Der Mann hat sich nur ein bisschen Arbeit gespart und einen Crawler geschrieben, ein Programm also, das die Daten automatisch einsammelt. Man hätte auch ein Blatt Papier und einen Stift nehmen können.

Im Grunde hat der Student das gemacht, was Google, Bing, Yahoo und Co. den ganzen Tag tun: Öffentlich zugängliche Daten „gesaugt“. Wo bitte ist da der Skandal? Wenn überhaupt, muss man darüber diskutieren, welche Folgen es haben kann, wenn Daten im großen Stil eingesammelt werden können. Einverstanden. Aber sonst? Natürlich muss man gerade Schülerinnen und Schüler, als Jugendliche dafür sensibilisieren, dass sie nicht so viele Daten von sich preisgeben, dass selbst ein Fremder wissen kann, wo er sie antreffen oder anquatschen kann. Natürlich. Das ist eine sinnvolle Diskussion.

Aber so zu tun, als gäbe es hier einen neuen Datenskandal, ein unglaubliche Sicherheitslücke, das ist wirklich – Schwachsinn. Gelegentlich liest und hört man jetzt noch Kommentare, die das verquicken mit dem Thema Werbung, die deshalb aufrufen: „Raus aus den sozialen Netzwerken“, als hätte das irgendwas miteinander zu tun. Hat es aber nicht. Das ist nur eins: populistisch.

Eine konstruktive Debatte um angemessenen Datenschutz, die zweifellos berechtigt und nötig ist, sieht anders aus. Wer es sich so einfach macht und so eine Aktion zum Datenschutzskandal aufbläst, handelt unverantwortlich. Jetzt wird auch noch der TÜV angegriffen, weil er SchuelerVZ gute Noten in Sachen Datenschutz und Datensicherheit ausgestellt hat. Dabei ist die bekannt gewordene Datensammelei kein Grund, dieses Urteil in Frage zu stellen, da bin ich völlig einer Meinung mit dem TÜV.

Erneute Datenpanne bei SchülerVZ

Eigentlich sollte nach der letzten Datenpanne bei SchülerVZ alles besser werden. Erst vor wenigen Tagen sind über 1,6 Millionen Datensätze von Mitgliedern des Schülerportals SchülerVZ öffentlich gemacht worden. Zwar ausnahmslos öffentlich zugängliche Daten, aber eben nur im geschlossenen Kreislauf von SchülerVZ öffentlich.

Doch nun wurden dem Onlineportal netzpolitik.org und dem Verbraucherzentrale Bundesverband 118.000 Datensätze aus SchülerVZ zugespielt, die auch brisante private Daten enthalten, nämlich neben dem Namen auch das Geschlecht, das Geburtsdatum und die ID-Nummer des jeweiligen Mitglieds. Daten, die normalerweise nur Freunde sehen können und deswegen eigentlich nicht im großen Stil kopiert werden können.

Eigentlich. Es ging aber offenbar doch. Zumindest bis Juli, denn da wurde die Sicherheitslücke geschlossen, zumindest in SchülerVZ. Die Datensätze, die derzeit kursieren, wurden also vor dem Stopfen des Sicherheitslecks kopiert. In anderen VZ-Diensten wie StudiVZ soll es aber immer noch möglich sein, den Trick anzuwenden, um in großer Zahl private Daten zu „saugen“.

Nun könnte man sich hinstellen und sagen: OK, Datenleck ist ja schon eine Weile geschlossen. Was soll’s. Aber das ist deswegen unklug, weil die Betreiber von SchülerVZ bei der letzten Datenpanne behauptet haben, es wären ausschließlich Daten betroffen, die ohnehin öffentlich zugänglich sind. Private Daten wären sicher gewesen und wären es auch weiterhin.

Das aber stimmt eben wohl doch nicht. Die Betreiber von SchülerVZ werden sehr wohl gewusst haben, dass es eine Sicherheitslücke gab, schließlich haben sie sie auch gestopft. Nur öffentlich zugeben wollten sie es nicht.

Fest steht: Die Sicherheitstipps des SchülerVZ-Erklärbärs scheinen jedenfalls zumindest damals vollkommen nutzlos gewesen zu sein. Sicher ist eben doch nicht immer wirklich sicher.

All das fördert natürlich nicht gerade das Vertrauen in soziale Netzwerke. Wenn es aber dazu führt, dass sich jeder konkreter Gedanken darüber macht, was er ins Netz stellt und was nicht, ist schon eine Menge gewonnen, denn noch wird zu viel zu unbesorgt online offenbart.

Auch darf gerne der Druck auf die Anbieter zunehmen, denn sie haben eine enorme Verantwortung, vor allem wenn sie Daten von Jugendlichen „hüten“. Dieser Verantwortung werden aber viele nicht wirklich gerecht. Das muss sich dringend ändern. Warum nicht drakonische Strafen für solche Sicherheitsmängel einführen? Das würde die Neigung zur Sorgfalt zweifellos ganz schnell steigern.

Datenpanne bei SchülerVZ: Beschwichtigen statt Handeln

Schon wieder also eine Datenpanne, diesmal bei SchülerVZ. Es waren keine Hackerkünste nötig, um rund eine Million Datensätze aus dem sozialen Netzwerk zu kopieren, sondern nur eine gute Idee und ein paar flink geschriebene Programmzeilen. So einfach kann das gehen.

Da kommt es schon etwas merkwürdig rüber, wenn SchülerVZ behauptet, es habe kein Datenleck gegeben und es wären nur Daten kopiert worden, die ohnehin öffentlich zugänglich sind.

Zugegeben, es waren keine urpersönlichen Daten, die da geklaut und öffentlich angeboten wurden. Aber Name, Vorname, Geschlecht, Alter, besuchte Schule und Profilbilder sind schon persönlich genug. Einfach so auf Knopfdruck alle Schülerinnen im Alter von 16 aus Bielefeld auskundschaften zu können oder alle männlichen Schüler mit türkischem Nachnamen in Duisburg, das würde ich schon als ernsthaftes Datenleck bezeichnen.

Zwar handelt es sich um kein Sicherheitsleck im technischen Sinne, also kein Programmierfehler und auch keine ungestopfte Sicherheitslücke. Wohl aber um einen systemischen Fehler. Denn wenn als einzige Hürde zum massenweisen Auslesen von Schülerprofilen ein sogenannter Captcha-Code genutzt wird, der offensichtlich ohne weiteres von einem OCR-Programm (Texterkennung( gelesen werden kann, ist das sehr wohl eine Datenleck.

Das bestreiten zu wollen, ist ein klassischer Fall von Runterspielkampagne. Eigentlich sollten Web-2.0-Unternehmen wie die VZ-Gruppe besser als alle andere wissen: Das funktioniert heute nicht (mehr). Es ist klüger, den Fehler zuzugeben und das Problem schnellmöglich zu beseitigen. Darauf hinzuweisen, dass der Datenklau gegen die AGB verstößt, ist regelrecht lächerlich.

Anbieter sozialer Netzwerke müssen sich ständig ihrer Verantwortung bewusst sein und diese ernst nehmen. Wenn mal was schief läuft, was in einer sich derart rasant verändernden Welt schnell passieren kann, sollte man umgehend handeln und nachbessern. Beschwichtigen ist jedenfalls nicht die richtige Reaktion.