Lasst uns zusammen spielen: In sozialen Netzwerken spielen

Wer glaubt, Jugendliche würden sich nur auf Spiele stürzen, bei denen es möglichst blutrünstig zugeht, der täuscht sich: Derzeit entfachen auch inhaltlich eher harmlose Spiele bei vielen Jugendlichen einen ungeheuren Reiz. Das gilt vor allem für Onlinespiele in sozialen Netzwerken wie Facebook oder SchuelerVZ.

Kaum einer weiß, dass man in sozialen Netzwerken nicht nur Nachrichten, Fotos und Videos austauschen kann, sondern auch gemeinsam spielen. Ein klarer Trend: Spielen in der Gruppe, online, mit und gegen Freunde und Bekannte, in Fachkreisen als „Social Games“ bekannt. Berühmtestes Beispiel ist zweifellos Farmville. Ein Onlinespiel, das kostenlos auf Facebook gespielt werden kann. Millionen Menschen aus aller Welt und in allen Altersgruppen sind bereits begeisterte virtuelle Farmer geworden.

Farmville-Spieler müssen sich um ihren virtuellen Bauernhof kümmern: Gemüse und Getreide pflanzen und es rechtzeitig ernten. Sie müssen dafür sorgen, dass ihr Traktor genügend Sprit hat und die Tiere im Stall genug zu futtern. Nur dann sammelt man ausreichend Punkte, um die Farm zu vergrößern oder sich beliebte Erweiterungen anzuschaffen, ob Farmhäuser oder Schnickschnack wie Zierpflanzen oder Parkbänke zum Aufstellen.

Das Besondere an Spielen wie Farmville ist zum einen, dass sie auch dann weiter gehen, wenn man selbst gerade nicht online ist. Bäume, Sträucher und Gemüse wachsen auch in der Offlinezeit, die Tiere entwickeln sich. Was den Druck erhöht, regelmäßig online zu gehen, um nach dem Rechten zu sehen. Zum anderen kann man seine Freunde aus den sozialen Netzwerken zu Nachbarn machen (was belohnt wird). Man kann dann auf deren Farmen aushelfen oder sich auf der eigenen Farm aushelfen lassen, man kann gemeinsame Projekte starten oder sich gegenseitig Pflanzen oder Tiere schenken.

Aber es sehen eben auch alle, ob man seine Farm vernachlässigt. Dadurch steigt der Druck, sich regelmäßig online zu zeigen – und sich womöglich mit virtuellen Statussymbolen einzudecken, etwa einem virtuellen Tannenbaum zur Weihnachtszeit. Das Problem: Viele solcher Statussymbole kann man nur kaufen. Mit echtem Geld!
Zwar nutzen diese Möglichkeit nur zwischen 10 und 15% aller Spieler, aber für die Spieleanbieter reicht das schon, um gut zu verdienen. Es gibt mittlerweile Dutzende von Onlinespielen, die nach genau diesem Muster aufgebaut sind. Man kann Farmen bestellen, Mafia-Clans beitreten oder auch gemeinsam Brett- oder Kartenspiele spielen. Der Phantasie sind praktisch keine Grenzen gesetzt.

Neben dem Suchtpotenzial – laut einer aktuellen Studie bezeichnen sich 17% aller Social-Gamer selbst(!) als süchtig und gehen mehrmals täglich online – und dem Problem, dass manche mehr Geld ausgeben als sie eigentlich wollen, gibt s noch eine weitere Gefahr: Einige Spieleanbieter sammeln unbemerkt Daten über die Benutzer und nutzen diese entweder zu Werbezwecken oder verkaufen die Daten sogar weiter. Das passiert zwar nie ohne Zustimmung der Spieler, aber im Eifer des Gefechts ist schnell mal eine untergeschobene Datenschutzbestimmung versehentlich per Mausklick abgenickt.

Spiele in sozialen Netzwerken verdienen deshalb einen kritischen Blick.

Farmville: Immer mehr wollen Farmer werden

Farmville: Immer mehr wollen Farmer werden

Alle reden derzeit von der Schweinegrippe – dabei ist im Augenblick ein ganz anderer Virus im Umlauf, der reihenweise gesunde Menschen niederstreckt und sie merkwürdige Dinge zu ihren Freunden und Kollegen sagen lässt. Sätze wie: „Willst Du nicht mal meine Felder düngen?“ Oder: „Du könntest auch mal wieder auf Deiner Farm aufräumen!“

Wenn Sie Menschen solche Sätze sagen hören, können Sie sicher sein: Ihr Gegenüber ist mit dem Farmville-Virus infiziert – und zwar ganz akut.

farmvilleFür alle, die Farmville nicht kennen: Das ist das mit Abstand populärste Onlinespiel auf Facebook, das sich derzeit epidemisch ausbreitet. Rund 68 Millionen Facebook-Benutzer sollen bereits virtuelle Farmer geworden sein und das Spiel regelmäßig spielen.

Und darum geht’s: Wer sich bei Farmville anmeldet (kostenlos), bekommt ein kleines Stück Land und soll hier die ersten Felder bestellen. Erdbeeren, Kartoffeln, Weizen, Baumwolle, sowas lässt sich hier anbauen. Das ist so einfach, das klappt auch ohne Handbuch. Ein virtuelles Männchen flitzt über den Bildschirm und erledigt die Arbeiten. Später kann man auch Schuppen bauen, irgendwann sogar richtige Häuser, man kann mit dem Traktor die Felder bestellen und aus immer mehr Pflanzen auswählen. Ein typisches Aufbauspiel – es geht immer irgendwie weiter.

Doch eins ist bei Farmville dann doch anders: Weil Facebook nunmal ein soziales Netzwerk ist und Farmville in Facebook läuft, muss auch das Spiel irgendwie soziale Aspekte haben. Jeder kann jeden einladen, zum Nachbarn zu werden. Und Nachbarn ist man behilflich: Da klickt man mal aufs Nachbarfeld vorbei, düngt die Felder des Freundes, verscheucht umher streunende Füchse oder jagt Maulwürfe. Für solche Hilfsdienste gibt es Extrapunkte. Außerdem kann jeder im Facebook-Profil über die heldenhaften Taten lesen.

In Kollegenkreisen ist Farmville derzeit ein Dauerbrenner. Der absolute Renner und häufigstes Thema am Mittagstisch. Alle reden darüber, amüsieren sich über den Erfolg oder Misserfolg der Freunde oder Kollegen in ihrer Eigenschaft als virtueller Farmer.

Vor allem Frauen spielen gerne Farmville. Vielleicht deswegen: Wie ein Freund, wie ein Kollege seine Farm organisiert, das sagt eine Menge über ihn oder sie aus: Werden alle Tiere ordentlich in Reih und Glied aufgestellt – oder dürfen die Tiere wild umher laufen? Gibt es eine Monokultur auf den Feldern – oder Vielfalt? Stehen Bäume und Sträucher derselben Gattung streng nebeneinander, oder herrscht eher Chaos? Wird rechtzeitig geernet, oder verdorrt das Obst und Gemüse schon mal am Baum?

Ein Fest für Soziologen und Psychologen! Und alle, die es eigentlich werden wollten…

Obwohl das Spiel kostenlos ist, verdient der Hersteller Zynga daran. Denn wie bei „Free to Play“-Spielen üblich, ist das Spiel gratis. Aber wer das ein oder andere Extra haben möchte, etwa verspielte Accessoires für den Farmer-Vorgarten, der kann sich diesen Wunsch im Spiel nur mit virtueller Währung erfüllen (Farmville Dollar) – und muss dafür letztlich in harter Währung zahlen. Das machen zwar nur drei bis fünf Prozent aller Spieler, aber das reicht völlig.

Weil solche Spiele in der Regel reine Modeerscheinungen sind und spätestens nach einem Jahr wieder von der Bildfläche verschwinden, muss sich der Hersteller auch beeilen – und genug Geld verdienen, um „The next big thing“ aus der Taufe zu heben. Die nächste große Idee.

So, ich muss jetzt aber auf meiner Farm ein paar Äpfel pflücken – sonst fallen die am Ende noch verfault vom Baum.