Alle reden derzeit von der Schweinegrippe – dabei ist im Augenblick ein ganz anderer Virus im Umlauf, der reihenweise gesunde Menschen niederstreckt und sie merkwürdige Dinge zu ihren Freunden und Kollegen sagen lässt. Sätze wie: „Willst Du nicht mal meine Felder düngen?“ Oder: „Du könntest auch mal wieder auf Deiner Farm aufräumen!“
Wenn Sie Menschen solche Sätze sagen hören, können Sie sicher sein: Ihr Gegenüber ist mit dem Farmville-Virus infiziert – und zwar ganz akut.
Für alle, die Farmville nicht kennen: Das ist das mit Abstand populärste Onlinespiel auf Facebook, das sich derzeit epidemisch ausbreitet. Rund 68 Millionen Facebook-Benutzer sollen bereits virtuelle Farmer geworden sein und das Spiel regelmäßig spielen.
Und darum geht’s: Wer sich bei Farmville anmeldet (kostenlos), bekommt ein kleines Stück Land und soll hier die ersten Felder bestellen. Erdbeeren, Kartoffeln, Weizen, Baumwolle, sowas lässt sich hier anbauen. Das ist so einfach, das klappt auch ohne Handbuch. Ein virtuelles Männchen flitzt über den Bildschirm und erledigt die Arbeiten. Später kann man auch Schuppen bauen, irgendwann sogar richtige Häuser, man kann mit dem Traktor die Felder bestellen und aus immer mehr Pflanzen auswählen. Ein typisches Aufbauspiel – es geht immer irgendwie weiter.
Doch eins ist bei Farmville dann doch anders: Weil Facebook nunmal ein soziales Netzwerk ist und Farmville in Facebook läuft, muss auch das Spiel irgendwie soziale Aspekte haben. Jeder kann jeden einladen, zum Nachbarn zu werden. Und Nachbarn ist man behilflich: Da klickt man mal aufs Nachbarfeld vorbei, düngt die Felder des Freundes, verscheucht umher streunende Füchse oder jagt Maulwürfe. Für solche Hilfsdienste gibt es Extrapunkte. Außerdem kann jeder im Facebook-Profil über die heldenhaften Taten lesen.
In Kollegenkreisen ist Farmville derzeit ein Dauerbrenner. Der absolute Renner und häufigstes Thema am Mittagstisch. Alle reden darüber, amüsieren sich über den Erfolg oder Misserfolg der Freunde oder Kollegen in ihrer Eigenschaft als virtueller Farmer.
Vor allem Frauen spielen gerne Farmville. Vielleicht deswegen: Wie ein Freund, wie ein Kollege seine Farm organisiert, das sagt eine Menge über ihn oder sie aus: Werden alle Tiere ordentlich in Reih und Glied aufgestellt – oder dürfen die Tiere wild umher laufen? Gibt es eine Monokultur auf den Feldern – oder Vielfalt? Stehen Bäume und Sträucher derselben Gattung streng nebeneinander, oder herrscht eher Chaos? Wird rechtzeitig geernet, oder verdorrt das Obst und Gemüse schon mal am Baum?
Ein Fest für Soziologen und Psychologen! Und alle, die es eigentlich werden wollten…
Obwohl das Spiel kostenlos ist, verdient der Hersteller Zynga daran. Denn wie bei „Free to Play“-Spielen üblich, ist das Spiel gratis. Aber wer das ein oder andere Extra haben möchte, etwa verspielte Accessoires für den Farmer-Vorgarten, der kann sich diesen Wunsch im Spiel nur mit virtueller Währung erfüllen (Farmville Dollar) – und muss dafür letztlich in harter Währung zahlen. Das machen zwar nur drei bis fünf Prozent aller Spieler, aber das reicht völlig.
Weil solche Spiele in der Regel reine Modeerscheinungen sind und spätestens nach einem Jahr wieder von der Bildfläche verschwinden, muss sich der Hersteller auch beeilen – und genug Geld verdienen, um „The next big thing“ aus der Taufe zu heben. Die nächste große Idee.
So, ich muss jetzt aber auf meiner Farm ein paar Äpfel pflücken – sonst fallen die am Ende noch verfault vom Baum.