Das Web ist für Gauck
Nächste Woche wählt die Bundesversammlung den nächsten Bundespräsidenten und entscheidet, ob Joachim Gauck oder Christian Wulff ins Schloss Bellevue einzieht. Geht es nach der Web-Gemeinde, kann es eigentlich nur der 70-jährige Gauck werden.
Das Netz ist regelrecht im Gauck-Fieber. Die Befürworter rühren auf unterschiedlichsten Plattformen die Werbetrommel für ihre Kandidaten, vor allem auf Facebook. Schon bevor SPD/Grüne Joachim Gauck als Kandidat präsentiert haben, gab es eine Facebook-Gruppe „Joachim Gauck als Bundespräsident“ – eingerichtet von Christoph Giesa, 29, einem FDP-Mann. Die Gruppe hat mittlerweile über 32.000 Mitglieder. Es gibt zwar auch eine Pro-Wulff-Gruppe auf Facebook, aber die hat gerade mal 150 Mitglieder.
Facebook, Twitter, Blogs, Webseiten – überall wird das Thema Bundespräsidentenwahl thematisiert. Zum Beispiel auf der Webseite
www.demos-fuer-gauck.de. Auch hier geht es darum, sich öffentlich zu Gauck zu bekennen. Es sind diverse Veranstaltungen geplant – auch Demos. Allerdings erweist es sich als schwieriger, Menschen zu Veranstaltungen und auf Demos zu locken, als sie online zu Befürwortern einer Sache zu machen. Noch sind die online organisierten Demos keine Massenveranstaltungen.
Online und Offline wird immer weiter vermisch. So gibt es mittlerweile „Gefällt mir“-Buttons mit Gaucks Konterfei: Da werden also Online-Gepflogenheiten, die „Gefällt mir“-Funktion in Facebook, in die Offlinewelt getragen.
Das Netz reagiert immer schneller auf aktuelle politische Ereignisse. Ursula von der Leyen war erst wenige Stunden als Kandidatin für das Bundespräsidentenamt im Gespräch, da hat sich die Netzgemeinde bereits aufgeregt: Ursula von der Leyen ist in der Webcommunity ein rotes Tuch. Sie hat sich mit ihrer Initiative zum Internetsperrgesetz eine Menge Feinde gemacht. Die Community hat schnell deutlich gemacht, dass die Ministerin keine geeignete Repräsentantin für eine moderne, offene Gesellschaft sein könne. Ihr haftet das Image der „Zensursula“ an.
Da stellen sich viele die Frage, welche Macht die Community letztlich hat, ob sie etwas bewegen kann? 32.000 Mitglieder einer Facebook-Gruppe sind beeindruckend, aber global betrachtet eher unbedeutend. Es darf bezweifelt werden, dass sich davon allzu viele Wahlmänner und Wahlfrauen direkt beeinflussen lassen.
Dennoch: Durch das Web werden politische Abläufe transparenter. Die Bürger können alles im Web nachschlagen, können „Faktenchecks“ durchführen, Gegenmeinungen einholen. Das Web hat daher sehr wohl eine Funktion beim politischen Meinungsbildungsprozess. Das Web ergänzt und beeinflusst heute die traditionellen Medien, da diese sich immer öfter auf die Aktivitäten im Netz beziehen.
Die Community kann heute mehr bewegen, als man denkt. Man erinnere sich an die Onlinepetition gegen das Internetsperrgesetz von Ursula von der Leyen: 130.000 Bürgerinnen und Bürger haben hier „unterzeichnet“, mitgemacht, und das Gesetz letztlich gestoppt, da es eine öffentliche Anhörung deswegen gab. Da hat die Öffentlichkeit im Web zweifellos eine Menge bewegt – und verändert.