Kopieren ist heilig und Kopier-Schutz eine Sünde

Wer sich mit eingefleischten Computerfreaks unterhält, der kann schon mal leicht den Eindruck bekommen, dass Bits und Bytes, Software und Hardware, Daten und Informationen heilig sind. Jetzt wurde in Schweden tatsächlich eine neue Kirche gegründet, die in diese Richtung geht, die „Kirche der Kopimisten“. Das Kopieren von Daten ist ein offizieller Akt des Glaubens und Kopierschutz ist Sünde.

Der Austausch von Dateien übers Internet (Filesharing) gilt in Schweden ab sofort als anerkannter religiöser Glaube. Die schwedischen Behörden haben den „Kopimisten“ den Status einer religiösen Glaubensgemeinschaft zugesprochen. Damit stehen sie und ihre Ansichten ab sofort unter einem gewissen staatlichen Schutz. Megaupload-Gründer Kim Schmitz, der vor kurzem in Neuseeland festgenommen wurde, dürfte das gerne hören, denn damit ist das Kopieren und Verteilen von Informationen jeder Art ab sofort ein heiliger Akt.

Kopimisten wollen, dass wir Daten kopieren –je mehr, desto besser

Der Name „Kopimisten“ kommt vom englischen „Copy me“, kopiere mich. Und genau das ist auch das Motto der Religionsgemeinschaft: Man soll und darf alles kopieren. Etwas zu kopieren, Daten zu kopieren, ein heiliger Akt, das Vervielfältigen und Verbreiten von Daten und Informationen regelrecht eine Pflicht eines jeden. Schließlich erschaffe man dadurch etwas Neues, wenn Daten aus mehreren Quellen zusammengeführt werden. Die Gründer der kirchlichen Glaubensgemeinschaft, die mittlerweile rund 3000 Mitglieder zählt, vergleicht den Prozess des Datenkopierens ernsthaft mit der Fortpflanzung: Auch hier würden schließlich Informationen von der Natur kopiert, die Erbinformationen, und durch Zusammenfügen entstehe etwas Neues.

Daten und Informationen haben nach Ansicht der Gruppe einen Wert, der sich beim Kopieren vervielfacht. [Strg][C] und [Strg][V] sind heilige Symbole, die bekannten Tastenkombinationen zum Kopieren von Daten, eine Form von Schöpfungsakt. Das Remixen von Daten und Informationen gilt als besonders wichtig und wertvoll, schließlich entstehe dabei nicht nur etwas Neues. Es gibt auch Sünden: Daten zu verbergen ist eine Sünde, Kopierschutz gilt praktisch als Todsünde. Schließlich verhindert ein Kopierschutz den heiligen Akt des Kopierens.

Gegründet von einem Piraten

Gegründet wurde die kirchliche Gemeinschaft von Isak Gerson, ein 19-Jähriger, der in Uppsala Philosophie studiert. Gerson bezeichnet sich selbst als „spirituellen Führer“ der Kopimisten. Er hofft, ganz offiziell, dass alle Kopimisten ihren Glauben in Zukunft „ohne Angst vor Verfolgung“ ausleben können. Wer nun denkt: Merkwürdig, Schweden, da kamen doch auch die ersten Filesharing-Dienste wir „The Pirate Bay“ her und da ist doch auch die Idee für die Piratenpartei entstanden, der liegt völlig richtig.

Die „Missionerande Kopimistamfundet“ genannte kirchliche Gemeinschaft hat Isak Gerson, der auch Mitglied der schwedischen Piratenpartei ist, im Jahr 2010 gegründet. Anfangs wurden die Anträge auf Anerkennung als religiöse Gemeinschaft abgelehnt, zwei Mal. Die schwedischen Behörden haben den Nachweis von formalisierten Gebeten oder Meditationen verlangt. Kein Problem für die Gründer, sie haben den erforderlichen Nachweis nachgereicht. Bedeutet konkret: Der schwedische Staat unterstellt, dass die Kopimisten tatsächlich Kopier- und Remix-Rituale abhalten und damit religiöse Zeremonien haben.

Die eigentlichen Ziele der Kopimisten

Es geht vermutlich nicht wirklich um Religion, sondern darum, die Gesellschaft zu verändern. Die Anhänger von Pirate Bay und Piratenpartei halten nicht viel vom Urheberrecht in der derzeit gültigen Form, sie wollen eine ganz andere Art von Urheberrecht im Netz, einen anderen Umgang mit Daten, im weitesten Sinne ein „freies Internet“.

Durch die Anerkennung einer neuen religiösen Anschauung wird das Kopieren von urheberrechtlich geschütztem Material nicht gleich legal. Aber nun hoffen die Kopimisten, und sie werden vermutlich mit Vehemenz in diese Richtung gehen, dass ihre nun als religiöse Überzeugung anerkannte Anschauung in künftigen Gesetzen Berücksichtigung findet. Die Argumentation ist klar: Wenn ein geltendes Gesetz die religiösen Rituale erschwert oder verhindert, muss das Gesetz geändert werden.

So gesehen ist die neue, nun als religiöse Anschauung offiziell akzeptierte Anschauung ein (wichtiger) Baustein in dem Ziel, die Gesellschaft zu verändern, den Umgang mit Daten und Informationen im Netz zu verändern. Eine politische Kampagne, wenn man so will, ein geschickter Schachzug. Offiziell wird die religiöse Gruppe nicht von der Piratenpartei unterstützt, zumindest nicht finanziell.

Homepage der Kopimisten:
https://kopimistsamfundet.se/

Also doch: Apple ist keine Religion oder Sekte

Schon länger wird scherzhaft gesagt, Apple sei keine Firma, sondern eine Sekte – mit Jüngern statt Kunden. Ein bisschen was ist dran. Denn wer Apple-Produkte kauft, der tut das in der Regel nicht einfach so, sondern aus Überzeugung, oft sogar aus tiefer Überzeugung. Häufiger Nebeneffekt: Missionarischer Eifer. Alle, die sich noch in der Windows-Welt verirren, werden bedauert und verständnislos angeschaut.

Nun hat sich der britische Fernsehsender BBC dieses Phänomens angenommen. In der Serie Secrets of the Superbrands geht es um die enge Bindung von Menschen an Marken, nicht nur Apple, sondern ganz allgemein. Anlass für die Folge über Apple war die Eröffnung des Apple Stores im Londoner Covent Garden. Anwesende haben die Shoperöffnung enthusiastisch gefeiert. Solche Szenen kennt man.

In der BBC-Sendung wurde das Hirn eines ausgewiesenen Apple-Fans untersucht. Forscher haben dem Herausgeber der Apple-Fanseite „World of AppleFotos von Markenprodukten gezeigt, darunter auch Apple-Produkte. Je nachdem, welches Bild dem Blogger gezeigt wurde, reagierten unterschiedliche Hirnregionen. Erstaunlich: Fotos mit Apple-Produkten stimulierten die selben Hirnregionen, wie das Betrachten religiöser Symbole bei Gläubigen.

Irgendwie haben wir es doch immer geahnt. 🙂