Wikileaks: Hacken für die Rede-Freiheit

Das Enthüllungsportal Wikileaks veröffentlicht ständig neue brisante Dokumente und zieht damit den Groll der westlichen Regierungen auf sich. Die Gegner üben erkennbar Druck auf das Portal aus: Wikileaks-Gründer Julian Assange wird wegen ganz eines gänzlich anderen Sachverhalts von Interpol gesucht, er soll offensichtlich aus den Verkehr gezogen werden.

Gleichzeitig wird die Wikileaks-Webseite im Internet attackiert. Doch es wurde noch auf andere Weise Druck ausgeübt: In den letzten Tagen haben einige US-Firmen Wikileaks die Verträge gekündigt: Amazon, einer der größten Anbieter von Webservern und Webspace, hat Wikileaks von heute auf morgen vom Netz genommen. Mastercard, Visa und Paypal überweisen keine Spenden mehr.

All das ruft zunehmend Sympathisanten auf den Plan, die sich das nicht gefallen lassen wollen. Eine ganz eigene Protestbewegung im Web entsteht. Einige Sympathisanten „bestrafen“ jetzt Firmen, die Wikileakds das Leben schwer machen: Amazon, Mastecard, Paypal, Visa und einige andere haben das bereits zu spüren bekommen. Die Homepage von Mastercard war vergangene Woche nach Angriffen durch Wikileaks-Sympathisanten stundenlang nicht zu erreichen. Auch die Server von Amazon waren am Wochenende in Westeuropa ins Strudeln geraten.

Der Angriff auf Wikileaks wird von immer mehr Menschen als Angriff auf die Redefreiheit verstanden: Da soll ein Enthüllungsportal stillgelegt, mundtot gemacht werden. Das macht viele, vor allem junge Menschen erkennbar wütend. Sie suchen nach einer zeitgemäßen Möglichkeit des Protests. Sie wählen das Internet: Sie attackieren Webseiten von Unternehmen, die Wikileaks die Freundschaft gekündigt haben und attackieren sie. Das erzeugt einen wirtschaftlichen Schaden. Das soll zeigen: Wir lassen uns nicht alles gefallen – und überlegt Euch gut, ob Ihr Wikileaks ohne Not schwächen wollt. Eine moderne Art der Sitzblockade.

Experten sprechen in diesem Zusammenhang von einer „Distributed Denial of Service“-Attacke, kurz DDoS. Bei dieser Art des Angriffs werden einzelne Server eines Unternehmens, das man schädigen möchte, im großen Stil mit Anfragen überhäuft. Es handelt sich dabei um zigtausende von Anfragen pro Sekunde. Minutenlang. Dabei geht jeder Server irgendwann in die Knie.

Dazu sind keineswegs Hunderte oder Tausende von Sympathisanten erforderlich, die gleichzeitig die Server ansprechen. Bei einer Distributed Denial of Service Attacke werden vielmehr so genannte Botnetzwerke aktiviert. Botnetzwerke sind Netzwerke von PCs, die in der Vergangenheit mit einem Trojaner infiziert wurden und deswegen ferngesteuert werden können. Die PCs lassen sich auf Knopfdruck nutzen, um etwa eine Distributed Denial of Service Attacke durchzuführen – ohne dass es die Besitzer der PCs bemerken.
Die größten Botnetzwerke der Welt bestehen aus mehreren Millionen PCs, die alle ferngesteuert werden könnten. Kleinere Botnetzwerke bestehen immer noch aus zigtausenden von PCs und reichen für eine DDoS-Attacke völlig aus. Im Grunde reicht eine einzige Person, um so eine DDoS-Attacke durchzuführen. In den letzten Tagen sind diverse Angriffe dieser Art durchgeführt worden, auf die Server von Firmen wie Amazon, Paypal, Mastercard oder Visa.

Mitunter wurde aber auch einfach in Chats ein Massenangriff organisiert: Da wurde abgesprochen, wann welche Server mit Anfragen zu überhäufen sind – und so die Server belastet, ganz ohne Botnet.

Kundendaten sind nicht gefährdet: Eine DDoS-Attacke ist kein Hackangriff. Es geht nicht darum, in ein System einzudringen, um Daten zu manipulieren oder zu entwenden. Solche Hackangriffe werden meist still und leise durchgeführt, so diskret, damit es niemand merkt. DDoS-Attacken sind das genaue Gegenteil: Solche Angriffe sind laut – und haben nur ein Ziel: Den Server lahmzulegen.
Die Webseite ist dann eine Weile nicht zu erreichen, aber es geht nicht darum, Kundendaten zu entwenden. Konsumenten brauchen sich daher keine Sorgen zu machen. Für die Unternehmen ist der Schaden dennoch groß, denn ein Onlineshop, der nicht erreichbar ist, kann nichts verkaufen. Der wirtschaftliche Schaden kann enorm sein.

Doch es gibt noch andere Formen des Protests. Der neueste Trick: Die Faxgeräte der Unternehmen werden mit Faxen überflutet. Heutzutage kann man auch so was automatisieren – und Faxe über das Internet kostenlos versenden. In den letzten Tagen sind etliche Faxgeräte in Hauptquartieren von Unternehmen wie Mastercard, Visa oder Paypal mit Faxen überschüttet worden.

In einem Internetaufruf mit dem Titel „Mission Leakflood“ hat eine kleine Gruppe von Wikileaks-Unterstützern zu einem FaxDDoS-Angriff aufgerufen. Die Aktivisten haben extra die konkreten Faxnummern aufgelistet, gegen die sich der gemeinsame Angriff richten soll. Alle, die mitmachen, wurden darum gebeten, weder pornografische noch gewaltverherrlichende Darstellungen zu faxen und den Opfern der Attacken Respekt zu zollen.

Es gibt aber auch eine Art von konstruktiven Protest: Da kopieren Sympathisanten die Wikileaks-Datenbanken und „spiegeln“ Webseite und Inhalte, es gibt also 1:1-Kopien des Enthüllungsportals unter anderen Adressen. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass die Inhalte nicht verloren gehen – und gleichzeitig die Wikileaks-Server entlastet werden.

Amazon von Wikileaks-Sympathisanten gehackt?

Damit hat wohl keiner gerechnet: Nachdem Wikileaks quasi auf allen Kanälen angegriffen wurde, haben sich innerhalb kürzester Zeit überall auf der Welt Sympathisanten eingefunden. Sie untersützen Wikileaks – direkt und indirekt. Die einen spiegeln die Inhalte und sorgen so dafür, dass auch unter erschwerten Bedingungen die Inhalte nicht verloren gehen. Die anderen „bestrafen“ die Firmen, die Wikileaks im Regen haben stehen lassen – allen voran Mastercard, Paypal, Visa und Amazon.

Auch Amazon? Wer Amazon nur als Onlineshop kennt, mag das nicht verstehen. Aber Amazon ist einer der größten und wichtigsten Anbieter von Webspace und Web-Servern für Unternehmen jeder Größe. Nirgendwo sonst kann man derart schnell und einfach verlässlich Kapazitäten buchen und nutzen wie bei Amazon. Nun ist Amazon Anfang Dezember dadurch aufgefallen, dass das Unternehmen Wikileaks einfach vor die Tür gesetzt hat: Wikileaks durfte vom einen auf den anderen Tag seine Inhalte nicht mehr bei Amazon „hosten“, also speichern.

Die Strafe: Hacker in aller Welt haben versucht, Amazon durch eine „Denial of Service“-Attacke in die Knie zu zwingen. Bei Mastecard ist das geglückt – bei Amazon erst mal nicht. Aber am Sonntag ging auch bei Amazon für knapp eine Stunde gar nichts mehr, zumindest in Europa. Die Webseiten des Onlineshops waren in vielen europäischen Ländern nicht erreichbar, auch in Deutschland nicht.

So ein Ausfal ist für den Onlinehändler ein Desaster, schließlich wird in der Vorweihnachtszeit so kräftig eingekauft wie nie. Jede Offlineminute bedeutet kräftige Umsatzverluste, daher war der Ausfall ein teurer Spaß für Amazon.

Amazon selbst erklärt, es habe sich um einen „Hardwarefehler“ gehandelt. Doch diese Erklärung ist unglaubwürdig, denn Amazon ist einer der am besten organisierten Anbieter für Webspace überhaupt. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein simpler Hardwarefehler die gesamte Infrastruktur eines Kontinents stört, ist sehr gering. Wahrscheinlicher ist da wohl, dass hier WikiLeaks-Sympathisanten aktiv waren. Die hatten ohnehin angekündigt, Amazon zu attackieren, so wie vergangene Woche Mastercard, Visa, Paypal und andere.

Anfang Dezember hat Amazon WikiLeaks dann überraschend gekündigt. Offiziell wegen Verstoßes gegen die allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die Inhalte auf WikiLeaks seien illegal. Allerdings kann das offensichtlich nicht ganz stimmen. Denn in Wahrheit mühen sich Politiker und Strafverfolgungsbehörden ab, ein Gesetz zu finden, gegen das WikiLeaks-Gründer Julian Assange oder WikiLeaks selbst verstoßen haben könnten – und finden keins. Daher ist es mehr als überraschend, dass Amazon derart argumentiert. Eine Grundlage gibt es dafür derzeit nicht.

Es wäre viel besser gewesen, Amazon hätte es darauf ankommen lassen und ein Gericht angerufen. Das hätte dann in aller Ruhe entscheiden können, ob WikiLeaks mit seinem Portal tatsächlich gegen geltendes Recht verstößt. Diese Frage zu klären wäre spannend geworden.

Doch darauf hat sich Amazon nicht eingelassen. Jetzt steht Amazon da als ein Unternehmen, das zwar Bücher verkauft, aber sich nicht für die freie Rede einsetzt und auf gewisse Weise sogar Zensur betreibt, so interpretieren es zumindest die Sympathisanten von WikiLeaks. Keine gute PR.

CyberWar um Wikileaks

Das Enthüllungsportal Wikileaks ist längst mehr als nur eine Webseite, auf der man diskret und anonym vertrauliche Dokumente veröffentlichen kann. Wikileaks ist zu einem Politikum geworden – weltweit. Die einen wollen Wikileaks unterstützen, die anderen möglichst schnell kaputt einstellen. In einem Punkt sind sich allerdings beide Seiten einig: Sie kämpfen mit extrem harten Bandagen.

Die US-Regierung versucht, Wikileaks mit allen Tricks kleinzukrie-gen. Da werden US-Firmen unter Druck gesetzt, damit sie Wikileaks kündigen, etwa Provider wie Amazon oder Zahlungsanbieter wie Mastercard, Visa oder Paypal. Der Wikileaks-Gründer Julian Assan-ge wird weltweit gejagt, wenn auch wegen merkwürdiger Gründe. Und die Wikileaks-Seite wird attackiert, im Netz angegriffen… Alles keine sauberen Methoden.

Umgekehrt greifen auch die Wikileaks-Sympathisanten zu unlaute-ren Mitteln. Sie legen die Server von Firmen wie Mastercard lahm, weil sie Wikileaks kein Geld mehr überweisen, sie attackieren die Webseiten von Unterstützern der US-Regierung. Ebenfalls nicht legal – eher eine emotionale Reaktion. Keine vernünftige.

Wikileaks stellt eine Menge auf den Kopf. Geheimnisse sind plötzlich nicht mehr geheim, selbst Supermächte, große Firmen und Institutionen müssen befürchten, die Kontrolle über den Informationsfluss zu verlieren. Einfach nur Kontrolle und Druck ausüben zu wollen, so wie im analogen Zeitalter, ist jedenfalls keine Lösung. Die Öffentlichkeit hingegen muss sich fragen, ob sie wirklich alles wissen will, um jeden Preis. Wir alle müssen uns mit Wikileaks auseinandersetzen.

Wikileaks wird das Leben schwer gemacht

Das ist schon interessant: Mit juristischen Mitteln kann man Wikileaks nicht so richtig beikommen, jedenfalls nicht schnell und effektiv (so ist das im Internet halt). Also werden andere Seiten aufgezogen.

Wikileaks musste diese Woche eine Menge Tiefschläge einstecken. Erst hat Amazon das Portal vor die Tür gesetzt. Für alle, die es nicht wissen: Amazon verkauft Speicherplatz und Serverkapazitäten im Internet – und ist einer der wichtigsten Partner vieler Startups und Onlinedienste. Auch Wikileaks hat die Dienste von Amazon in Anspruch genommen, gegen entsprechende Bezahlung. Nun hat Amazon dem Portal gekündigt.

Kann vorkommen. Nun aber hat auch Paypal Wikileaks die Freundschaft gekündigt. Wikileaks bezieht über Paypal Spenden aus aller Welt. Da wollte Paypal nicht mehr mitmachen und hat nun den Stecker gezogen – angeblich, weil Wikileaks illegale Aktivitäten betreibe.

Dann waren da diese Woche noch die Denial of Service Attacken (DoS) auf Wikileaks, die den DNS-Provider in Bedrängnis gebracht haben, so dass der DNS-Provider Wikileaks ebenfalls die Freundschaft gekündigt hat. Wikileaks war stundenlang nicht oder schwer zu erreichen und musste mehrmals die Domain wechseln.

Mir kann niemand erzählen, dass das Zufall ist. Das klingt doch nach einer konzertierten Aktion. Hier zieht garantiert jemand die Fäden, und es sollte niemanden wundern, wenn es sich dabei um den US-Geheimdienst handelt. Man braucht schon eine gewisse Macht (man könnte auch Überzeugungstalent sagen), um Unternehmen wie Amazon oder Paypal dazu zu bewegen, einen Vertrag zu kündigen. So etwas kommt extrem selten vor.

Wir dürfen gespannt sein, wie das weiter geht. Auf Dauer wird man Wikileaks nicht abschalten können, so viel steht fest.

Wikileaks gerät zunehmend unter Druck

Wer brisante Dokumente hat, geheime Papiere, Informationen, die für die Allgemeinheit von Interesse sein könnten, der ruft heute nicht mehr bei einer Zeitung an, sondern veröffentlicht die Dokumente, Videos oder Infos auf Wikileaks – anonym.

Wikileaks ist eine Art Enthüllungsportal im Internet. Allein über den Irakkrieg wurden hier kürzlich über 90.000 geheime Dokumente veröffentlicht, über Zwischenfälle im Irak. Das bringt das US-Militär nicht nur in Bedrängnis, sondern auch in Rage. Der Vorwurf: Geheimnisverrat.

Militär und Regierung gehen immer forscher gegen Wikileaks vor, die Plattform gerät zunehmend unter Druck. Angestellte und Aktivisten werden am US-Flughafen abgefangen und verhört, andere so verunsichert.

Doch Wikileaks selbst erfreut sich bei Journalisten aus aller Welt größter Beliebtheit – als verlässliche, stets reichhaltige Infoquelle und Recherchehilfe. Wikileaks ist eine feste Größe in der modernen Medienwelt geworden – und unglaublich nützlich.

WikiLeaks: Öffentliche Plattform für sensible Informationen

Ein 22-jähriger Soldat soll geheimes Bildmaterial aus dem Irakkrieg über die Onlineplattform Wikileaks (www.wikileaks.org) öffentlich gemacht haben und wurde deswegen vor zwei Wochen festgenommen. Im April dieses Jahres war bei Wikileaks ein Video aus dem Irakkrieg zu sehen, das aus einem US-Kampfhubschrauber aufgenommen wurde. Hier ist zu sehen, wie US-Soldaten aus den Hubschraubern Iraker auf der Straße erschießen. Ein Dutzend Zivilisten starben bei dem Vorfall, der sich 2007 in einem Vorort von Bagdad ereignet hatte, darunter auch zwei Fotografen der Nachrichtenagentur Reuters.

Besonders heikel sind die Funksprüche der Besatzung, der Soldaten, die hämisch, herablassend, menschenunwürdig sind. Solche Dokumente vertuscht das Militär gerne – und in der Regel auch erfolgreich. Traditionelle Medien berichten kaum kritisch über den Krieg.

Ein Onlineportal wie Wikileaks lässt sich nicht kontrollieren, so sind die Informationen nach außen gedrungen. Man könnte Wikileaks als Enthüllungs-Wiki bezeichnen. „Leak“ steht im Englischen für „Loch“ oder „undichte Stelle“. Hier können Menschen anonym Missstände öffentlich machen. Sie nutzen dazu die vorhandene Plattform, ein Wiki (wie Wikipedia), veröffentlichen Artikel, Fotos oder Videos – aber eben nicht unter dem echten, richtigen Namen, sondern unter einem Pseudonym.

Diese Möglichkeiten hat der 22-jährige US-Soldat genutzt, der über eine hohe Sicherheitsfreigabe verfügte und so Zugang zu geheimen Computernetzwerken hatte. Dort hat er auch das Video entdeckt, das er, neben zahllosen weiteren Dokumenten, Texten, Fotos und Videos an Wikileaks weitergeleitet hat. Davon soll er einem ehemaligen Hacker erzählt haben. Der allerdings schaltete schließlich die Behörden ein. Derzeit wird der Soldat in Kuwait festgehalten, bislang ohne Anklage. Noch steht nicht fest, ob der Soldat die Taten tatsächlich begangen hat – oder sich nur damit brüstete.

WikiLeaks ist im Januar 2007 gestartet und versteht sich als Webseite, die Insidern eine Möglichkeit bietet, Geheimnisse auszuplaudern, die für die Öffentlichkeit wichtig oder relevant sein können. Wer WikiLeaks betreibt, ist nicht bekannt. Es sollen unter anderem von chinesischen Dissidenten und Hackern aus aller Welt betrieben werden.

Das Video aus dem Irakkrieg ist vielleicht das bekannteste, aber keineswegs das einzige Dokument, das von sich reden macht. Andere Themen sind zum Beispiel die Giftmüll-Verklappung in Afrika oder Enthüllungsberichte über Scientology. 2008 wurde die Seite vom britischen „Economist“ sogar mit dessen Preis für Neue Medien ausgezeichnet.

www.wikileaks.org