Hybride Kriegsführung: Auch im Netz wird gekämpft

Das Internet spielt im Ukraine-Konflikt eine große Rolle. Ukraines Vize Fedorov ruft über Twitter offen Tech-Konzerne zur Hilfe auf. Während Google gezielt Dienste abschaltet, stellt Elon Musk in der Ukraine sein Satelliten-Internet zur Verfügung.

Mykhailo Fedorov, Vize-Premierminister der Ukraine ist gleichzeitig Minister für Digitalisierung des Landes – und spielt gekonnt auf der Klaviatur der digitalen Medien. Minister Fedorov hat auf seinem Twitter-Account diverse Tech-Konzerne konkret um Hilfe und Boykott Russlands gebeten: Apple solle doch in Russland seine Stores schließen, Netflix seinen Streaming-Dienst in Russland einstellen.

 

Der ukrainische Vize-Premier Fedorov nutzt Twitter, um Hilfe zu organisieren und zum Boykott gegen Russland aufzurifen
Der ukrainische Vize-Premier Fedorov nutzt Twitter, um Hilfe zu organisieren und zum Boykott gegen Russland aufzurufen

Google schaltet Verkehrsdienst ab

 Nicht mit allen Wünschen und Forderungen dringt Fedorov durch. Mit einigen aber schon. So hat Youtube den umstrittenen Sender „Russia Today“, der vor allem auf Youtube sendet, von Werbeeinnahmen ausgeschlossen. Zwar hätte sich Fedorov ein Ausschließen des gesamten Kanals gewünscht, so fließt aber zumindest kein Geld mehr an den Sender.

Außerdem hat Google in seinem Kartendienst Google Maps die Verkehrshinweise in der Region Ukraine abgeschaltet. Was auf den ersten Blick wenig zu bringen scheint, hat einen ernsten Hintergrund: Ein IT-Experte hatte am 24. Februar festgestellt, dass aufgereihte LKW und Militärfahrzeuge um morgens 3.15 Uhr als „Stau“ in Google Maps verzeichnet waren.

Die eingeschalteten Smartphones der mit den Fahrzeugen auf der Straße stehenden Soldaten waren für Googles Algorithmus ein Verkehrsstau – auch die Smartphones der Ukrainer, die nur langsam oder gar nicht am Konvoi vorbei kamen. Um solcherlei taktische Informationen nicht weiter öffentlich zu machen, hat Google den Dienst abgeschaltet.

Boykottaufrufe auf Twitter
Boykottaufrufe auf Twitter

Bitte um Spenden auf Krypto-Konten

Fedorov ruft aber auch zu Spenden in Kryptowährungen auf: Die Ukraine hat Krypto-Wallets für Bitcoin, Ethereum und Tether eröffnet – und es sollen schon Millionenbeträge aus anonymen Quellen gespendet worden sein. Umgekehrt fordert Fedorov Krypto-Börsen auf, russische Konten zu sperren/blockieren.

Auch an den Tech-Milliardär Elon Musk hat sich Fedorov gewandt. Denn bei kriegerischen Aktivitäten in der Ukraine ist beeits digitale Infrastruktur beschädigt, teilweise sogar zerstört worden (etwa ein eigenes Satelliten-Kommunikationssystem). Nicht auszuschließen, dass das russische Militär gezielt die gesamte digitale Infrastruktur zerstören will – oder, wer weiß, später auch „besetzen“ und auf diese Weise kontrollieren möchte. In Russland gibt es kein freies Internet.

Elon Musk schaltet Satelliten-Internet für Ukraine frei

Darum der Fedorovs Tweet an Elon Musk: Während Musk den Mars kolonisieren wolle, versuche Russland, die Ukraine zu besetzen, schreibt er. „Wir bitten Sie, die Ukraine mit Starlink-Stationen zu versorgen und vernünftige Russen zum Aufstehen aufzufordern“.

Zum Hintergrund: Elon Musk gehört das Unternehmen SpaceX, das den Satelliten-Internetdienst Starlink betreibt. Rund 2.000 Satelliten umkreisen bereits den Globus – in einer vergleichsweise geringen Höhe von 350 bis 1.000 Kilometer. Es sollen noch deutlich mehr werden. Die Satelliten kommunizieren per Laser miteinander und erlauben, von so ziemlich jeden Fleck der Erde aus ins Internet zu gehen. Nutzer können dann mit erstaunlich hoher Bandbreite surfen, E-Mails verschicken, Videos hochladen.

Eigentlich ist Starlink dazu gedacht, schlecht angebundene, ländliche Gebiete mit Internetzugang zu versorgen. Die Satellitenschüssel kostet 500 Dollar, der Online-Zugang 100 Dollar im Jahr. Bislang wurde die Ukraine nicht von Starlink versorgt. Das hat Elon Musk in seiner Hilfsaktion geändert – und „Terminals“ auf den Weg gebracht. Satelliten-Antennen, die notwendig sind, um mit den Satelliten Kontakt aufzunehmen. Darüber können Regierung, Militär und Zivilisten ungehindert mit der Außenwelt kommunizieren.

Globales Satelliten-Netzwerk versorgt aus dem All mit Internet
Globales Satelliten-Netzwerk versorgt aus dem All mit Internet

Das Internet als Kriegsschauplatz

Doch es zeichnet sich auch im Internet eine Eskalation ab. Minister Fedorov ruft auf seinem Twitter-Kanal alle Menschen mit IT-Kenntnissen dazu auf („We are creating an IT army“), sich aktiv am Kampf gegen russische Propaganda und auch russischen Hack-Angriffen zu engagieren. Über den Messenger-Dienst „Telegram“ sollen die Aufgaben („Tasks“) koordiniert werden.

Auch der Hacker-Verbund „Anonymous“ hat Russland den Krieg erklärt: Die im Verbund lose verbundenen Hacker aus aller Welt wollen russische IT-Infrastruktur angreifen. Ein gefährliches Vorhaben, da russische Hacker sehr erfahren, trainiert und mächtig sind. Bei einer Kriegsführung im Internet drohen Attacken auf westliche Infrastruktur – und das kann schnell fatale Folgen haben. Etwa beim Ausfall von wichtigen Verkehrssystemen oder wenn Krankenhäuser lahmgelegt werden.

Schon seit Wochen greifen russische Hacker-Kollektive die digitale Infrastruktur der Ukraine an: Webseiten werden lahmgelegt, Server angegriffen und gezielt Daten gelöscht. Rechte: WDR/Schieb

Fedorov will eine IT-Armee aufbauen
Fedorov will eine IT-Armee aufbauen

 

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