GuttenPlag für Grimme Online Award nominiert

Karl Theodor zu Guttenberg. Silvana Koch-Mehrin. Veronica Saß, die Tochter von Edmund Stoiber. Sie alle dürften nicht gut auf so genannte Wikis zu sprechen sein. Mitmach-Plattformen im Internet, die wesentlich dazu beigetragen haben, die ungenierten Schummeleien der Prominenten bei ihren Doktorarbeiten aufzudecken. Heerscharen von Freiwilligen haben die Dissertationen von Guttenberg, Koch-Mehrin und Saß unter die Lupe genommen – und jede Menge Plagiate entdeckt.

Schneller und öffentlicher kann eine Doktorarbeit wohl nicht auseinander genommen werden. Mit Folgen: Alle drei haben ergeblidhe Schwierigkeiten bekommen und teilweise bereits ihre Doktorwürde eingebüßt. Eine neue Art der gesellschaftlichen Kontrolle. Deshalb ist GuttenPlag, die Onlineplattform, die sich zu Guttenbergs Dissertation zur Brust genommen hat, stellvertretend für diese neue Art der Kontrolle für den renommierten Grimme Online Award nominiert worden.

Auf der einen Seite verständlich, weil hier wirklich ein neues Instrument der öffentlichen Kontrolle eingeführt wurde. Aber auch eins, das nicht unbedingt immer fair mit den Betroffenen ins Gericht geht: Das bewährts Prinzip der Unschuldsvermutung wird hier umgekehrt. In den Wikis geht man davon aus, dass die Prominenten alle gemogelt haben – und sucht ausschließlich nach belastendem Material, nicht nach entlastendem. Das hat ein bisschen was von Selbstjustiz.

Das Netz will Karl-Theodor zu Guttenberg zurück

Das Netz und Karl-Theodor zu Guttenberg… Was für eine ambivalente Beziehung. Ohne das Internet, da sind sich alle einig, wäre der Druck auf den Ex-Bundesverteidigungsminister wohl kaum so groß gewesen, er hätte zumindest nicht so lange angehalten. Und ohne GuttenPlag hätte sich auch nicht so schnell herumgesprochen, wie viele geklaute Stellen es in der Doktorarbeit von zu Guttenberg gibt. Erst durch die gemeinsame Recherche im Wiki ist das deutlich geworden – überdeutlich.

Deswegen: Das Netz hat schon eine gewisse Rolle gespielt in der Affäre, hat den Fall der einstigen Lichtfigur erheblich beschleunigt.

Nun ist zu Guttenberg zurückgetreten – und der umgekehrte Fall tritt ein. Die spontan gegründet Facebook-Gruppe „Wir wollen Guttenberg“ zurück hat wenige Tage nach Gründung bereits über 550.000 Fans.

Karl-Theodor zu Guttenberg hat viele Fans in der Bevölkerung. Und die drü-cken in der Facebook-Seite nicht nur ihr Bedauern aus, dass zu Guttenberg gegangen ist, sie wollen ihn eindeutig zurück und organisieren über die Plattform sogar Demonstrationen im echten Leben.

Das Internet, die sozialen Netzwerke sind bei den Menschen angekommen: Sie nutzen sie, um ihre Meinung zu sagen, politisch aktiv zu werden, etwas zu bewegen – und das ist nicht nur richtig, sondern auch gut so.

Wann kommen Plagiate auf Knopfdruck?

Wie schnell und effektiv sich mit einem Wiki herausfinden lässt, ob ein Textdokument originell (oder besser: originär) ist oder doch eher ein Meisterwerk à la Copy and Paste, das hat der Fall zu Guttenberg eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Mit Hilfe ganz gewöhnlicher und zudem kostenlos verfügbarer Hilfsinstrumente wie Suchmaschinen lässt sich heute in Sekundenbruchteilen herausfinden, ob ein Satz oder Absatz so oder so ähnlich schon mal veröffentlicht wurde – zumindest, wenn der Text im Internet verfügbar ist, was heute auf die meisten Texte mehr oder weniger zutrifft.

Längst gibt es für Lehrer oder Hochschulprofessoren spezielle Software, die ebenfalls beim Aufspüren von Schummeleien behilflich ist. Die Programme finden heraus, ob Hausarbeiten sich auffallend mit Arbeiten ähneln, die bereits im Netz verfügbar sind – oder ob doch ein bisschen viel Wikipedia in der Arbeit enthalten ist.

So sehr sich alle über zu Guttenberg echauffieren, und das sicher nicht mal zu Unrecht: Wohl jeder hat zumindest schon mal daran gedacht, bereits vorhandene Texte aus öffentlich zugänglichen Quellen zu „übernehmen“, ohne sie ausdrücklich entsprechend zu kennzeichnen.

Wie mühsam es ist, die Texte dann zu bearbeiten, zu paraphrasieren, so dass sich nicht mehr ohne weiteres erkennen lässt, dass es sich um eine Dublette handelt. Daher denke ich: Schon bald wird es Webdienste geben, die Textpassagen so umarbeiten, umtexten, dass der Sinn erhalten bleibt, aber nicht mehr nachgewiesen werden kann, dass es sich um eine Kopie handelt. Kreatives Umtexten auf Knopfdruck – ob ein Computer das heute schon kann?

Vermutlich schon, bei entsprechender Programmierung. IBM hat mit seinem Watson ja gezeigt, dass eine Maschine heute durchaus auf umgangssprachlich und sogar ironisch formulierte Fragen korrekt antworten kann, schneller und besser als jeder Mensch, sogar in einer Fernsehsendung wie „Wer wird Millionär?“. Es dürfte also nur eine Frage der Zeit sein, bis es so etwas gibt – kommt dann allerdings zu spät für zu Guttenberg, jedenfalls für die letzte Dissertation. Wer weiß: Vielleicht plant der (Noch-)Bundesminister aber ja auch schon eine neue Doktorarbeit – in der Zeit nach seinem Karriereende. Kann eigentlich nicht mehr lange auf sich warten lassen…

GuttenPlat: Online nach Plagiaten fahnden

Prominent zu sein ist zuweilen kein Spaß. Wäre Theodor von Guttenberg nicht zufällig Bundespolitiker und Verteidigungsminister, würde sich die Öffentlichkeit wohl kaum für seine Dissertation interessieren. Denn eine Doktorarbeit mit dem Titel „Verfassung und Verfassungsvertrag“ verspricht keine spannende Lektüre.

Aber von Guttenberg ist prominent. Er steht außerdem auf einem hohen Sockel. Monatelang war er der Liebling der Medien. Doch der Wind hat gedreht: Jetzt wird seine Doktorarbeit online zerpflückt. Im eigens eingerichteten Wiki GuttenPlag untersucht die Online-Community jede einzelne Seite seiner 475 Seiten umfassenden Werks und weist auf vermeintliche Plagiate hin. Bislang hat die Community über 250 Seiten ausfindig gemacht, die mögliche Plagiate enthalten.

Das sind stolze 62 Prozent, auf denen von Guttenberg sich angeblich in anderen Quellen bedient hat. So mancher Plagiatsvorwurf dürfte jeder Grundlage entbehren, schließlich kann jeder Einträge im Wiki vornehmen. Immerhin weist das Wiki auch gleich auf der ersten Seite darauf hin: „Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Richtigkeit. Es werden automatisch alle im Wiki aufgeführten und korrekt benannten Plagiatsseiten gelistet.“

Aber die Idee ist interessant: Eine stattliche Zahl von Helfern untersucht in kollaborativer Arbeit von Guttenbergs Dissertation, fahndet nach möglichen Plagiaten. Klar, dass eine Gruppe da schneller ans Ziel gelangt als ein einzelner. ich finde es spannend zu sehen, was da im einzelnen alles entdeckt wurde – und was am Ende tatsächlich das Etikett „Plagiat“ verdient. Ganz ohne fachmännischen Blick und ohne Endkontrolle geht es aber nicht. Deshalb ist es gut, dass die Betreiber des Wikis die im Wiki gemaldeten Fundstellen nochmal überprüfen lassen.

Der Fall Guttenberg hat eine neue Form der Kontrolle im Web etabliert: Per Wiki lassen sich innerhalb kürzester Zeit mit bewährten technischen Mitteln (hier: Wiki) Arbeitsgruppen organisieren und Inhalte kontrollieren. Ein knapp 500 Seiten starkes Werk auf Herz und Nieren zu überprüfen, so etwas hätte früher Monate gedauert. Heute hat man, dank Internet, schon nach Tagen interessante Ergebnisse.