Ende für Internet-Sperr-Gesetz

Jetzt hat sich doch die Vernunft durchgesetzt – sage zumindest ich, denn ich finde es vernünftig, auf das Internetsperrgesetz zu verzichten, die heftig umstrittene Sperrung von Webinhalten mit kinderpornografischen Inhalten. Darauf hat sich jetzt die Koalition aus CDU und FDP in Berlin geeinigt. Das von der Vorgängerregierung (CDU/SPD) auf Initiative der CDU/CSU auf den Weg gebrachte Internetsperrgesetz wurde nun also endgültig gekippt.

Noch mal zur Erinnerung: Das Internetsperrgesetz hatte zum Ziel, Webseiten und andere Angebote mit kinderpornografischen Inhalten aus dem Netz zu verbannen. Allerdings nicht, indem die Angebote selbst aus dem Netz entfernt würden, sondern indem virtuelle Trennwände aufgestellt werden: Internet-Provider sollten verpflichtet werden, Sperrlisten zu berücksichtigen und Zugänge zu erschweren. Personen mit technischem Sachverstand hätten diese Sperren allerdings mühelos umgehen können. Abgesehen davon gab es auch Kritik an den Sperrlisten selbst, die allein vom BKA erstellt werden sollten, ohne richterlichen Beschluss, und nicht mal einsehbar sein sollten.

Dagegen hat es jede Menge Protest gegeben – völlig zu Recht. Als Alternative wurde das Löschen der besagten Inhate angestrebt, was viel sinnvoller ist, weil die Inhalte so dann tatsächlich nicht mehr verfügbar sind, für niemanden. Argument dagegen: Das würde nicht zuverlässig funktionieren. Deshalb wurde ein einjähriger Test beschlossen. Und siehe da: Nach aktuellen Zahlen des Bundeskriminalamtes sind nach zwei Wochen 93 Prozent der kinderpornografischen Inhalte gelöscht, nach vier Wochen sind es sogar 99 Prozent. Ein überwältigender Erfolg, denn genau das hatten Kritiker der Löschlösung immer bemängelt. Sie meinten, es würde niemals gelingen, die Mehrzahl der Inhalte zeitnah zu löschen.

Genau das gelingt aber. Eine optimale Lösung, wie ich finde, denn so verschwinden nahezu 100% der unsäglichen Inhalte aus dem Netz, ohne dass Methoden eingeführt werden, die technisch unzureichend und rechtsstaatlich bedenklich sind. Zudem wären Sperrlisten, einmal eingeführt, auch in der Lage, für andere Zwecke eingesetzt zu werden – was sich wirklich niemand wünschen kann.

Ich bin froh über das Ergebnis. Hier hat die FDP ausnahmsweise mal Profil bewiesen, in Person von Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger.

Zehn Argumente gegen Internetsperren

Wie aus heiterem Himmel ist die Diskussion im die Internetsperren wieder entbrannt. Kommissarin Cecilia Malmström fordert nun lauthals europaweite Sperren, damit Webseiten mit kinderpornografischen Inhalten gesperrt werden – und damit, so die Hoffnung, nicht mehr zugänglich sind.

Das war auch in Deutchland so geplant – und ist gescheitert. Mittlerweile sieht sogar die Regierungskoalition ein, dass Internetsperren nicht der richtige Weg sind und ignoriert das eigene Gesetz. Es wird nicht angewendet. Nicht zuletzt, weil es reichlich Kritik gegeben hat.

Malmström argumentiert auf dieselbe Art und Weise. wie Monate zuvor schon deutsche Politiker, die unbedingt virtuelle Stoppschilder im Internet aufstellen wollten – und es teilweise auch immer noch wollen und sich deshalb über die erneute Diskussion freuen.

SInnlos. Und unverständlich. Denn es gibt zehn gute Gründe, warum Internetsperren nicht der richtige Weg und teilweise sogar schädlich sind.

1. Löschen statt Sperren: Eine Löschung ist viel sinnvoller, denn ein gelöschtes Angebot kann von niemnaden mehr genutzt werden, nirgendwo auf der Welt – deshalb ist eine Löschung grundsätzlich effektiver als eine wie auch immer gestaltete Sperrung. Was sich nicht bis zu den befürwortenden Politikern rumgesprochen hat: Es gibt offizielle Studien, die belegen, dass es nicht nur relativ einfach ist, Angebote mit kriminellen Inhalte aus dem Netz zu entfernen, sondern auch schnell funktioniert – wenn jemand da ist, der sich dafür einsetzt. Phishing-Webseiten verschwinden in der Regel recht schnell aus dem Netz. Warum nicht kinderpornografische Angebote?

2. Es ist unsinnig (und eigentlich auch ein bisschen naiv) anzunehmen, kinderpornografische Inhalte würde in erster Linie über reguläre Webseiten verteilt. Stets ist von Webseiten die Rede, die sich noch vergleichsweise einfach kontroillieren ließen. Zumindest technisch. Doch in Wahrheit wird die Mehrheit der kinderpornografischen Inhalte auf andere Weise im Netz verteilt, in Chaträumen, in geschlossenen Foren oder in Peer-to-Peer-Netzwerken, denen man mit Sperrverfügungen ohnehin nicht Herr wird.

3. Die Mehrzahl der Web-Server, die kinderpornografische Inhalte zur Verfügung stellen, stehen nicht in der Karibik oder in Osteuropa, wo der Zugriff in der Tat schwierig sein könnte, sondern in der westlichen Welt. Hier ist ein relativ einfacher Zugriff möglich, eine Entfernung der Inhalte problemlos möglich.

4. Internetsperren lassen sich relativ einfach umgehen: Internetbenutzer verwenden dann einfach nicht die DNS-Server der europäischen Provider, sondern aus anderen Ländern und greifen so auf jeden Webinhalt zu – ohne Sperren oder Kontrollen. Auf Youtube kursieren Anleitungen, die erlauben, die nötigen Einstellungen in nicht mal 60 Sekunden auf jedem PC vorzunehmen.

5. Internetsperren könnten, einmal eingeführt, auch für andere Zwecke eingesetzt werden. Die Liste der Begehrlichkeiten ist lang: Schon haben Politiker in verschiedenen Ländern gefordert, auch andere Inhalte zu sperren, ob Glücksspiele, Onlinespiele, Inhalte mit jugendgefährenden Inhalten – und in Zukunft vielleicht auch Inhalte mit politischen Inhalten. Kritiker meinen: Wehret den Anfängen.

6. Zumindest in Deutschland sollten die Listen mit den gesperrten Webangeboten von einer Behörde (dem BKA) erstellt, täglich an die Provider übermittelt und angewendet werden – ohne dass die Listen öffentlich gemacht würden. Es gibt keine Möglichkeit für die Betreiber von gesperrten Inhalten, die Gründe zu erfahren und sich ggf. dagegen zu wehren. Es ist nicht auszuschließen, dass beim Sperren einzelner Server auch Inhalte geblockt werden, die eigentlich gar keine kinderpornografischen Inhalte zur Verfügung stellen, bloß weil sie sich in unmittelbarer „Nachbarschaft“ zu den Servern mit kriminellen Inhalten befinden.

7. Internetsperren verunsichern die Community. Alles, was den Zugang erschwert oder behindert, verunsichert vor allem jüngere Internetbenutzer, die das Internet als wichtigstes Kommunikationsmedium sehen. Zwar geht kaum jemand so weit zu sagen, dass es „Zensur“ sein, kinderpornografische Inhalte aus dem Netz zu entfernen. Aber die meisten Kritiker sind sich einig, dass Sperren der falsche Weg und ein ungeeignetes Mittel sind. Das Schaden ist größer als der Nutzen – und die eigentlichen Ziele lassen sich anders erreichen.

8. Internetsperren können für die Betreiber/Anbieter krimineller Inhalte sogar nützlich sein. Sie erfahren auf diese Weise, dass Behörden ihr Treiben entdeckt haben – und womöglich ermitteln. Das gibt ihnen Gelegenheit, sich zurückzuziehen und/oder auf andere Maschinen auszuweichen. was die eigentiche Ermittlungsarbeit enorm erschweren dürfte.

9. Internetsperren senden ein völlig falsches Signal: Sie vermitteln dem unbedarften User den Eindruck, das Internet sei „gesäubert“ – was aber nicht den Tatsachen entspricht. In Wahrheit werden lediglich virtuelle Sichtbehinderungen aufgestellt, die jede noch so leichte Brise hinwegzufegen vermag.

10. Beim Einführen von Internetsperren würden sich dIe kriminellen Aktivitäten schnell auf andere Bereiche und Techniken im Internet verlagern. Das eigentliche Problem ist damit nicht im geringsten beseitigt. Polizei und Behörden riskieren hingegen, dass ein neuer virtueller Marktplatz entsteht. Wichtiger ist es, das Übel an der Wurzel zu packen und Anbieter wie Konsumenten streng zu verfolgen und zu bestrafen.

Bundespräsident Köhler sperrt sich gegen Internetsperrgesetz

Erstaunlich: Der erste Mann im Staate, Bundespräsident Horst Köhler, muss jedes Gesetz unterzeichnen, sonst tritt es nicht in Kraft. Unter das „Gesetz zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornografischen Inhalten in Kommunikationsnetzen“ hat Köhler seine Tinte nicht gesetzt, jedenfalls erst einmal. Köhler hat Bedenken, dass das Sperrgesetz verfassungskonform ist – und deshalb eine Stellungnahme bei der Bundesregierung eingefordert.

Eine peinliche Schlappe für die abgewählte Regierung im allgemeinen und für Ex-Innenminister Schäuble und Ex-Familienministerin von der Leyen. Wie praktisch, dass die verantwortlichen Drahtziehen nicht mehr in Amt und Würden sind. Das, was sie auf den Weg gebracht haben und was so viel Widerstand hervorgerufen hat, gefällt nun also auch dem Bundespräsidenten nicht. Das ist eine Backpfeife, denn nur selten verweigert der Bundespräsident seine Unterschrift.

Von Anfang an hatten viele Juristen und Experten argumentiert, das Internet-Sperrgesetz sei nicht verfassungskonform, vor allem, weil übliche Regeln der Rechtsstaatlichkeit außer Kraft gesetzt werden. Es kommt halt nicht häufig vor, dass eine Behörde Dinge anordnen darf, wo es dann nicht mal ein Widerspruchsrecht gibt. Das Internetsperrgesetz zeugt zwar von eisernem Willen, es auf den Weg zu bringen, ist aber eben ansonsten ein echter Flop.

Ich bin gespannt, wie das weiter geht. Denn eigentlich soll das Gesetz ohnehin nicht in Kraft treten (erst mal), das will die FDP so und hat es in den Koalitionsvertrag schreiben lassen. Köhlers Weigerung, das Gesetz lautlos durchzuwinken, dürfte jedenfalls für einige Aufregung in den Ministerien sorgen. Und die neue Familienministerin hat gleich eine unangenehme Akte auf dem Schreibtisch.