Deutsches Internet soll komplett ins Archiv

Der Schreiber dieser Zeilen wundert sich ja immer wieder, wie deutsche Politik, deutsche Richter und deutsche Amtsträger ganz allgemein über das Internet denken – und zu welchen unglaublich däm…, äh, welche einfallsreiche Entscheidungen sie so fällen.

Ab sofort muss man mächtig aufpassen, was man schreibt im Web. Denn: Die Bundesregierung verlangt (und das allen Ernstes), dass ab sofort nahezu das komplette deutschsprachige Web, also auch dieses Blog, in der Deutschen Nationalbibliothek gespeichert wird. Nahezu jede Webseite, samt Layout, Bildern und sogar Audios soll die Deutsche Nationalbibliothek für unsere Nachfahren speichern.

Alle Achtung!

Und das wird einfach mal so beschlossen, ohne sich konkreter Gedanken darüber zu machen, wie das überhaupt funktionieren soll, welche Webseiten archivierungswürdig oder sogar archivierungspflichtig sind, wer diese Aufgabe übernehmen und wer das alles bezahlen soll.

Das Gesetz kann jeder nachschlagen. Aber ob man’s auch versteht? Das PDF (immerhin!) bietet Amtsdeutsch at its best. Man versteckt sich hinter Paragrafen und Formulierungen, die garantiert niemand versteht. Vermutlich nicht mal die Urheber.

Wie heißt es im Gesetzestext so schön: Das ab sofort gültige Gesetz betrifft „alle Darstellungen in Schrift, Bild und Ton, die in öffentlichen Netzen zugänglich gemacht werden.“ Die Nationalbibliothek möchte regelmäßig Kopien des deutschen Internets erhalten, einschließlich multimedialer Elemente. Davon ausgenommen sind „zeitlich begrenzte Vorabveröffentlichungen, reine Software- oder Anwendungstools und auch Fernseh- und Hörfunkproduktionen“.

Immerhin verfeinert der FAQ der Deutschen Nationalbibliothek noch: „Beispiele für Netzpublikationen sind elektronische Zeitschriften, E-Books, Hochschulprüfungsarbeiten, Digitalisate, Musikdateien oder auch Webseiten und dynamische Applikationen.“ Wobei ich beim besten Willen nicht weiß, was „Digitalsate“ sein soll – oder „dynamische Applikation“.

Private Webseiten sollen immerhin ausgenommen sein. Unter Umständen. Aber wer weiß das schon so genau. Und wie ein Betreiber, der mehrere Millionen Webseiten hat, weil sie etwa dynamisch erzeugt werden, diese „abliefern“ soll, wird natürlich auch nicht erläutert.

Da hat der Amtsschimmel mal wieder mächtig gewiehert… Wenn nun heute plötzlich alle deutschsprachigen Angebote damit beginnen würden, die Vorschrift ernst zu nehmen und die Nationalbibliothek täglich mit dem jeweils gesamten Angebot zu versorgen, die Beamten würden im Datenchaos versinken.

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