Wenn Ingenieure Prototypen verlieren … die Apple iPhone 4 Affäre

Wenn man als Journalist etwas zu sehen bekommt, was man normalerweise noch nicht sehen darf, ob nun Hardware oder Software, muss man oft einen so genannten NDA unterschreiben, ein „Non Disclosure Agreement“. Da steht dann drin, dass man nichts schreiben, veröffentlichen oder publizieren darf über das, was man da sieht oder hört – bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, der vor jeweiligen Hersteller festgelegt wird. Selbst vor so manchem Gespräch mit einem Entwickler oder Manager muss man so ein NDA unterschreiben.

Und damit ist nicht zu spaßen: Wer ein NDA bricht, muss zumindest damit rechnen, nie wieder vorab mit Infos versorgt zu werden. Darum ist es nur schwer vorstellbar, dass ein Ingenieur von Apple mit einem Prototypen der nächsten iPhone-Generation rumrennen darf, also außerhalb der heiligen Mauern von Apple, diesen Prototypen in einen Biergarten mitnimmt – und das wertvolle Stück einfach liegen lässt.

Ich glaube diese Geschichte einfach nicht. Der Mann würde öffentlich gesteinigt, aufgeknüpft und am Ende auf einen Scheiterhaufen verbrannt, wenn er einen solchen Lapsus tatsächlich zu verantworten hätte.

Daher muss man wohl davon ausgehen, dass es sich im aktuellen Fall des Biergarten-iPhone um eine gezielte, gut inszenierte Indiskretion handelt. Um Marketing im IT-Zeitalter. Da lässt man ein Handy liegen, tut so, als wäre das versehentlich geschehen – und wartet, was passiert. In einer Düsseldorfer Kneipe (oder gar in Jülich oder Erfurt) würde ein herrenlos herumliegendes iPhone wohl bestenfalls in eine fremde Tasche wandern. In einem In-Café in Kalifornien, an einem Ort, in dem praktisch nur IT-Leute arbeiten, sieht das anders aus. Da fällt dem Finder schnell auf, dass es sich nicht um ein normales iPhone handeln kann, sondern um etwas Besonderes. Und schwupps, schon sind indiskrete Blogger informiert – und die Nachricht kann ihre Kreise ziehen.

Wer bis hierhin nur Bahnhof versteht: Im „Gourmet Haus Staudt“ in Redwood, Kalifornien, rund 35 Kilometer nordöstlich von Apples Firmenzentrale in Cupertino, hat man ein iPhone entdeckt, das jemand liegen gelassen hat – und sich als Prototyp des kommenden iPhones der vierten Generation entpuppt hat. Der Finder hat genau das bemerkt und das wertvolle Modell an den Techblog Gizmodo verkauft. Gizmodo hat das iPhone auseinander genommen und jede Menge Details über die nächste iPhone-Generation veröffentlicht.

Folgende technischen Fakten gelten mittlerweile als gewiss:

Dass andere nicht ganz so freigiebig sind, beweist Gizmodo-Konkurrent Engadget. Der hatte die Fotos des Fund-Handys lange vor Gizmodo auf der Seite, auch ohne das Gerät gekauft zu haben. Gizmodo aber kann nun etliche Infos nachliefern, die man anhand des Prototypen und der Schilderungen des Finders zusammengetragen hat. So also ist der Prototyp:

* Es gibt eine Kamera auf der Vorderseite, etwa für Videochats
* Es gibt eine größere Linse und einen Blitz
* Der Prototyü bringt drei Gramm mehr auf die Waage als das iPhone 3GS
* Der Akku ist 16 Prozent größer
* Ein zusätzliches Mikro, vermutlich um Nebengeräusche filtern zu können
* Das Display ist etwas kleiner, hat aber eine höhere Auflösung (960×640 Pixel)
* Stolze 80 GB RAM

Das sind mehr Infos, als man sonst über ein Nachfolgemodell erfährt.

Nun wird eifrig diskutiert, was das alles zu bedeuten hat – ob Apple diese Indiskretion nun gezielt lanciert hat, etwa um von dem eigentlichen Prototypen abzulenken. Oder ob wirklich alles ein dummer Zufall war und das nächste iPhone wirklich so aussehen könnte…

Ich denke: Apple ist viel zu schlau und viel zu streng, als dass so etwas einfach so passieren könnte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Apple-Ingenieur mit einem Prototypen des nächsten iPhones das Firmengelände verlassen kann, ohne dass Alarmglocken läuten und Sicherheitsleute den lebensmüden Mitarbeiter auf der Stelle in Fesseln legen. Nein, das kann ich mir wirklich nicht vorstellen.

Deshalb gehe ich von einer gezielten Indiskretion aus. Ob, um von den tatsächlichen technischen Daten abzulenken – oder einfach nur um Werbung zu machen, weiß ich nicht. Ich denke aber, dass das nächste iPhone noch andere Überraschungen zu bieten haben wird als das, was Gizmodo da jetzt veröffentlicht hat. Optisch wird das iPhone 4 auf jeden Fall anders aussehen. Ich gehe auch fest davon aus, dass das nächste iPhone etwas für alle Fans von sozialen Netzwerken zu bieten hat. Das Feld will Steve Jobs unter Garantie nicht Microsoft überlassen, die vor einigen Tagen das „Social Phone“ angekündigt haben.

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