Überall im Leben gibt es Spielregeln. Im „echten Leben“ gehört es zweifellos zum guten Ton, sich mit seinem Namen vorzustellen. Im Internet ist das allerdings nicht unbedingt üblich. Im Gegenteil: Ob in Blogs, Foren oder sozialen Netzwerken, viele verwenden lieber Pseudonyme und vermeiden Klarnamen. Das will Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich ändern. Er forderte in einem Interview ein Ende der Anonymität im Netz und hat damit eine heftige Diskussion losgetreten.
Was für ein Pseudonym spricht und was dagegen, wird im Internet derzeit eifrig diskutiert. Auf der extra eingerichteten Webseite my.nameis.me („Mein Name ist ich“) erklären Onlineuser aus aller Welt, warum sie ein Pseudonym verwenden und bevorzugen. Viele berichten hier sehr persönliche Dinge, was sie erlebt haben und weshalb der Entschluss gereift ist, selbst ein Pseudonym zu verwenden. Andere setzen sich schlicht dafür ein, anonym im Internet unterwegs zu sein, im Interesse anderer.
Gute Gründe für ein Pseudonym
Es gibt viele gute Gründe, nicht mit dem echten Namen online zu gehen. Lehrer wollen nicht von ihren Schülern enttarnt werden, Menschen mit Krankheiten, Behinderungen oder Sorgen wollen sich in Foren austauschen, ohne eindeutig identifiziert werden zu können. Andere sind bereits Opfer von Stalkern geworden oder wollen ganz generell ihren richtigen Namen nicht im Netz verwenden, etwa um sich vor Werbung zu schützen. Vor allem Frauen bevorzugen es, im Netz ein Pseudonym zu verwenden. User mit weiblich klingende Nutzernamen sind in Chaträumen 25 Mal häufiger verbalen Drohungen und sexuellen Anmachen ausgesetzt als Personen mit männlich klingenden Namen, das hat die Universität von Maryland bereits 2006 wissenschaftlich in einer Studie ermittelt.
Sich einfach das Leben einfacher zu machen, wenn man online geht, ist zweifellos auch ein legitimer Grund, ein Pseudonym zu wählen. Aber auch die vermeintliche Herkunft kann eine Rolle spielen. Wer in einem Blog oder Forum wiederholt als Islamist beschimpft wird, nur weil er Mohammed heißt, entscheidet sich irgendwann für einen anderen Namen, ein Pseudonym. Die Liste möglicher Gründe ist lang.
Proteste gegen Klarnamenzwang
Oft soll auch nicht jeder mitbekommen, was wir in unserer Freizeit machen. Als der Hersteller des Onlinerollenspiels „World of Warcraft“ („WoW“) vergangenes Jahr auf Klarnamen umstellen wollte, gab es einen Sturm der Entrüstung. Klar, ein User namens „Horst Müller“ klingt nicht besonders magisch oder kraftvoll. Außerdem wollen viele Spieler auch nicht, dass Freunde, Nachbarn oder Kollegen mitbekommen, dass sie gerne spielen. Auch das muss man respektieren. Hersteller Blizzard hat am Ende von seinem Vorhaben Abstand genommen.
Selbst wenn sich ein Land wie Deutschland tatsächlich dazu entschließen sollte, in Blogs und sozialen Netzwerken grundsätzlich die Verwendung von Klarnamen vorzuschreiben – im Rest der Welt wäre es wohl kaum so. Die Folgen sind klar: Es wäre dann kinderleicht, quasi über den Umweg Ausland auf Klarnamen zu verzichten. Abgesehen würde sich Deutschland als Einzelgänger lächerlich machen.
Schwierig umzusetzen
Kritiker weisen zu Recht darauf hin, dass so eine Vorschrift außerdem schwer zu umzusetzen wäre. Sollen sich Blogger mit Personalausweis registrieren? Wie sollen soziale Netzwerke prüfen, ob ein Name ein Klarname oder ein Pseudonym, echt oder ausgedacht ist? Wie ist es mit Künstlernamen? Die Folge wäre ein schier nicht denkbarer administrativer Aufwand, den niemand betreiben kann. Ganz abgesehen verstößt das gegen den Geist und dem Wesen des Internet.
Natürlich: Auch Kriminelle verstecken sich hinter Pseudonymen – aber daran würde wohl keine Vorschrift, Klarnamen verwenden zu müssen, etwas ändern. Dann würden Kriminelle eben auf Klarnamen ausweichen, auf erdachte oder gestohlene Identitäten.
Google will Profile mit Pseudonymen verbannen
In Gang gekommen ist die Diskussion bei uns in Deutschland nach den Attentaten in Norwegen, da es norwegische Blogger gegeben hat, die sich hinter einem Pseudonym versteckt haben. Doch international wurde das Thema schon vorher diskutiert. Denn Google hat im Juli beschlossen, in seinem neuen sozialen Netzwerk Google+ nur Klarnamen zuzulassen. Die AGBs wurden entsprechend angepasst. Wenig später hat Google einige Profile mit angeblich offensichtlichen Pseudonymen gelöscht. Daraufhin hat der Protest begonnen: Darf ein Onlinedienst das, so etwas vorschreiben, nutzt Google nicht seine Macht aus, wenn es bestimmen können will, wer sich mit Pseudonym oder Künstlernamen anmelden darf und wer nicht?
Mittlerweile ist Google etwas großzügiger, auch Pseudonyme werden zugelassen, sofern sie nicht zu absurd erscheinen. Vorbild ist Facebook: Das Netzwerk hat seine Mitglieder von Anfang an aufgefordert, sich mit echtem Namen anzumelden. Doch konsequent eingehalten wird das auch nicht. Die übliche Begründung: Die Umgangsformen werden besser, die Atmosphäre ist entspannter. Teilweise stimmt das auch. Google+ verfolgt dieselbe Politik und argumentiert, Klarnamen dienten der Bekämpfung von Spam und beugen gefälschten Profilen vor.