Die Snap Spectacles im Praxistest

von | 17.01.2017 | Tipps

Es gibt immer wieder Gadgets, die von sich Reden machen. Die neue Videobrille „Spectacles“ gehört eindeutig dazu – und hat mich neugierig gemacht vom ersten Moment an. Nun konnte ich die Videobrille eine Weile testen.

Einfach in den Laden gehen und nach einer Spectacles-Brille verlangen, das funktioniert (noch) nicht. Das neue Must-have aus der Hightech-Szene ist echt schwierig zu ergattern. Das liegt daran, dass der Hersteller der Brille, der Betreiber des Messenger-Dienstes Snap, die Brille nur sehr spärlich verteilt. Snap hat sich einen wirklich bemerkenswerten Margeting-Gag einfallen lassen: Künstliche Verknappung gepaart mit dem Reiz der Schnitzeljagd.

 

Snapbot verkauft die Brillen – wenn man schnell ist

Alle paar Tage stellt Snap irgendwo im Land einen Snapbot auf. Einen Verkaufsautomaten. Der steht meist nur für wenige Stunden dort, wo ihn Snap aufstellt. Der Snapbot verkauft die Spectacles. Das Problem dabei: Man weiß vorher nie, wo der Automat stehen wird. Auf dieser Webseite wird 24h vorher ein Countdown eingeblendet und der nächste Standort verraten – und dann muss man äußerst schnell sein, weil der Snapbot dort nur wenige Stunden steht und Brillen verkauft.

Schnitzeljagd als Marketing-Gag

So wird das Ganze zu einer Art Schnitzeljagd (hier der Verlauf, wo der Snapbot schon überall gestanden hat). Die Presse berichtet, die Onlinemedien sowieso. Ein wunderbares Spektakel mit jeder Menge kostenloser PR. Chapeau, das ist ein wirklich gelungener Schachzug.

Ein Massenprodukt ist die Spectacles bei weitem noch nicht. Aber es spricht sich rum, was man damit anstellen kann. Rund 130 Dollar muss man für die Brille mit eingebauter Kamera hinblättern. Weil sie so schwer zu bekommen ist, wird sie auf eBay für bis zu 1.000 Dollar angeboten.

Im Augenblick zahlt man gut 250 EUR dafür, also fast das Doppelte. Ein erheblicher Aufschlag. In der Zwischenzeit kann Snap herausfinden, wie begehrt die Brille eigentlich ist und ausreichend davon herstellen. So lässt sich die Markteinführung perfekt vorbereiten. Für ein Unternehmen, das sonst nur Apps verteilt, ist das sehr wichtig.

Diverse Modelle zur Auswahl

Aber was kann man mit der Brille eigentlich machen? Das Design ist ziemlich verrückt. Es gibt diverse Modelle in krassen Farben. Links im Bügel ist eine kleine Kamera eingebaut, wer genau hinschaut, erkennt die Linse. Rechts im Bügel sitzt eine LED-Leuchte. Sie wird hell, wenn mit der eingebauten Kamera gerade gedreht wird – damit die Umstehenden Bescheid wissen.

Wenn sie Bescheid wissen, denn manch einer könnte die Brille einfach für ein spaciges Modell halten und schenkt der LED-Beleuchtung keine besondere Beachtung. Die Videos sind maximal zehn Sekunden lang. Einmal auf den kleinen Knopf auf der linken Seite des Bügels gedrückt, nimmt die Brille auf. Möchte man weniger als zehn Sekunden aufnehmen, reicht es, noch mal kurz drauf zu drücken.

Man kann eine Aufnahme-Session auch bis zu zwei Mal erweitern und kommt so auf 30 Sekunden Video, die allerdings in der Brille trotzdem in 10-Sekunden-Häppchen gespeichert werden. Die Brille liefert die Videos mehr oder weniger selbständig in der Snap-Chat ab.

Dort kann man sie dann an Freunde schicken oder als „Memorys“ veröffentlichen. Total easy, das alles. Natürlich lassen sich noch Veränderungen vornehmen, etwa Emojis einbauen oder Texte hinzufügen. Auf Wunsch überträgt die Brille die Videos in HD-Qualität, ansonsten in SD- Auflösung, was für Snap eigentlich auch reicht.

Runde Videos ermöglichen ganz neues Seherlebnis

Das Besondere an den Videos: Sie sind weder im Quer-, noch im Hochformat, sondern rund. Man kann beim Betrachten der Videos das Handy bewegen und in die Position bringen, die einem gefällt. Es erscheint dann der passende (gewünschte) Bildausschnitt. Sehr originell! Klappt aber nicht, wenn man das Video auf Facebook, Twitter und Co. veröffentlicht.

Da sind die Videos schlicht rund. Man findet in den sozialen Netzwerken bereits eine Menge solcher Rund-Videos. Sie sind interessant, denn sie werden ja aus der Ich-Perspektive gedreht: Die Kamera sitzt unmittelbar über dem Auge, eine optimale Perspektive. Außerdem hat man die Hände frei und kann interagieren. Das ist sehr ungewöhnlich.

Und: Die Menschen reagieren anders, wenn sie keine Kamera oder kein Smartphone sehen, das sie dreht. Insgesamt eine sehr witzige und innovative Art, Videos zu drehen.

Natürlich gibt es begründete Bedenken, was die Privatsphäre betrifft: Mit so einer Brille auf der Nase kann man weitgehend unbemerkt Videos aufnehmen. Das wird nicht allen gefallen, deren Gesicht mit der Kamera eingefangen wird. Stichwort: Recht am eigenen Bild. Gut möglich, dass es schon bald ein Spectacles-Verbot in Teilen des Öffentlichen Lebens gibt.