Ein e8-Gipfel ist eine schöne Idee – aber es muss mehr passieren

von | 27.05.2000 | Tipps

Man kann von Nicolas Sarkozy halten, was man will, aber in Szene setzen kann sich der französische Präsident. Er hat zweifellos ein gewisses Gespür für Themen. Im Vorfeld zum G8-Gipfel im Badeort Deauville hat Sarkozy zur Überraschung vieler eine Art Minigipfel in Sachen Internet anberaumt. Vom e8-Gipfel ist da schon spöttisch die Rede.

Es sind gleich mehrere hochkarätige Manager aus USA angereist, der langjährige Google-Chef Eric Schmidt zum Beispiel, aber auch Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. Andere IT-Konzerne wie eBay haben ebenfalls hochrangige Vertreter nach Frankreich geschickt. Sie alle wissen nur zu gut, warum, denn Nicolas Sarkozy ist bekannt dafür, das Internet kontrollieren, reglementieren und beschränken zu wollen.

Damit ist der französische Staatschef beileibe nicht allein. Viele Politiker wollen das, überall auf der Welt, auch bei uns in Deutschland. Die immer wieder gehörte Forderung, die Vorratsdatenspeicherung einzuführen, belegt das: Sie bedeutet Kontrolle total – und steht im krassen Gegensatz zum Selbstverständnis der meisten Internetbenutzer, die sich frei und unbeobachtet im Internet bewegen wollen.

Natürlich muss es Schranken geben, denn das Internet ist längst auch ein Tummelplatz für Kriminelle, wie die jüngste Kriminalitätsstatistik belegt. Auch wird das Internet für Cyberattacken genutzt. Regierungen und Institutionen müssen sich dagegen wappnen. Auch Datenschutz und Privatsphäre spielen eine große Rolle. Da müssen einheitliche Standards her, die möglichst weltweit gelten, und an die sich dann alle halten müssen, auch die großen amerikanischen Unternehmen, die das Thema bislang nicht sonderlich zu jucken scheint.

Von daher ist so ein e8-Gipfel eine gute Idee. Ein echtes Problem aber ist: Die Politik reagiert bislang nur auf das, was in der IT-Industrie passiert. Sie ist vergleichsweise träge und konzeptlos. Es macht einfach keinen Sinn, sich wochenlang über Kleinigkeiten wie Google Street View aufzuregen. Es müssen deutlich dickere Bretter gebohrt werden. Es muss eine Vision her, eine klare Vorstellung, wie das Internet in die Gesellschaft integriert werden kann. Sich nur Gedanken darüber zu machen, wie man das Internet reglementieren oder kontrollieren kann, ist Politik von gestern.

Auf dem G8-Gipfel waren erste besonnene Töne zu hören. Das Internet sei ein „einzigartiges Informationsinstrument“, das „helfe, Freiheit, Demokratie und Menschenrechte voranzubringen“, heißt es im Entwurf für die Abschlusserklärung. Immerhin. Was das aber konkret bedeutet, wird, wie meist, nicht gesagt.

Es ist vernünftig, sich endlich mal an einen großen Tisch zu setzen, mit Vertretern aus IT-Wirtschaft und Politik und aus aller Welt. Nur: Das reicht nicht. Es müssen auch Aktivisten, Macher, Blogger, Wissenschaftler, Techniker, Intellektuelle mit an den Tisch, denn sonst sind nur die Interessensgruppen Macht und Geld vertreten. Das Internet ist aber mehr als ein weiterer interessanter Wirtschaftszweig.

Das Internet ist ein Medium, das für viele ein neues Lebensgefühl bedeutet, auch ein demokratisches Instrument ist. Da müssen neue Ideen her, neue Regeln, neue Ansichten. Es braucht daher den entschiedenen Willen, sich in einer größeren Runde Gedanken darüber zu machen, wie das Internet der Zukunft aussehen kann und aussehen soll.

Wie viel Datenschutz will man eigentlich, wie viel Demokratie und Redefreiheit, gehört das angestaubte Urheberrecht nicht mal auf den Prüfstand – und wie kann man berechtigte Schutzinteressen vertreten, ohne die Freiheit zu beschneiden? Schwierige Themen, anspruchsvolle Fragen – auf die man auch in Deauville, natürlich, keine Antworten bekommen hat. Dabei sind die Antworten wichtig.