Google Streetview kommt: Fluch oder Segen?

von | 20.10.2010 | Tipps

Streetview – eigentlich ein gut gewählter, weil treffender Name. Denn genau das bietet der in Deutschland so umstrittene Onlinedienst von Google: Straßenansichten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Wer Google Streetview in seinem Browser aufruft, egal ob auf dem PC oder im Smartphone, kann virtuell durch Straßen flanieren, sich im wahrsten Sinne des Wortes in der Welt umschauen, öffentlich zugängliche Bereiche erkunden – fast wie ein Fußgänger vor Ort, aber eben bequem von überall und jederzeit.
Bedenken gegen die Onlinedarstellung von Häusern

Nicht wenigen Leuten bereitet das Kopfzerbrechen: Seitdem klar ist, dass Google Streetview auch deutsche Städte abbilden will und nicht mehr länger nur die fremder Ländern, regt sich hierzulande Widerstand. Vielen ist nicht wohl bei dem Gedanken, dass ihr Haus für jeden online abrufbar ist. Vor allem Datenschützer und Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner haben im Vorfeld öffentlich Bedenken geäußert – und so nicht nur das Sommerloch gefüllt, sondern auch dafür gesorgt, dass deutsche Verbraucher online Widerspruch gegen die Darstellung ihrer Häuser oder Wohnungen in Google Streetview einlegen können.

Widerstand gegen Google Streetview: Das ist neu, das hat es noch nirgendwo gegeben, in keinem Land der Welt. Im Gegenteil: Eher haben sich kleinere Orte bislang beschwert, weil sie noch nicht in Google Streetview abgebildet waren. Vor allem, wer auf Tourismus aus ist, weiß ganz genau, dass der kostenlose Onlinedienst seine Vorteile hat und für mehr Aufmerksamkeit sorgt. In Deutschland kann man sich online gegen die Darstellung in Google Streetview wehren. Oder besser: Man kann die Verpixelung beantragen.

Die beiden häufigsten Argumente

Aber warum eigentlich? Was kann man gegen Google Streetview haben? Zwei Argumente hört man besonders häufig. Argument a): Jeder kann nach Eingabe der Adresse sehen, in welcher Nachbarschaft man wohnt, sogar in welchem Haus. Stimmt. Aber ist das so schlimm? Wer sich in einer Stadt auskennt, musst doch nur den Stadtteil erfahren – und weiß dann einigermaßen Bescheid. Wer es genauer wissen will, kann ohne weiteres auf Datenbanken zugreifen, die das durchschnittliche Einkommensniveau jeder Straße, jedes Hauses kennen. Das sind viel relevantere Daten als Fotoaufnahmen von Hausfassaden.

Argument b): Einbrecher können mit Google Streetview ihre Arbeit vorbereiten. Also ganz ehrlich: Den Einbrecher möchte ich sehen, der sich auf Fotos verlässt, die mitunter mehrere Jahre alt sind – und einfach so in ein Gebäude einsteigt, bloß weil es auf Google Streetview eine gute Figur macht. Dann müsste man auch alle Häuser unkenntlich machen in Pressefotos, in Zeitungen und Zeitschriften, in Katalogen, einfach überall, wo man genau erkennen kann, wo das abgebildete Haus steht. Abgesehen davon fürchten viele Bürger, man könne mit Google Streetview regelrecht in die Wohnungen schauen, was weder beabsichtigt, noch möglich ist – dafür reicht die Auflösung gar nicht.

Chancen und Risiken abwägen

Zweifellos: Neue Technologien bringen nicht nur neue Möglichkeiten, sondern auch gewisse Risiken mit sich. Wie immer gilt es, Nutzen und Risiken sorgfältig und nüchtern abzuwägen. Eine Debatte ist nützlich, allerdings wurde die Streetview-Debatte vergleichsweise hysterisch geführt. Streetview eignet sich allerdings hervorragend als Zielscheibe für Kritik, weil jeder sich vorstellen kann, was mit dem Dienst verbunden ist: 3D-Ansichten von Städten. Andere Themen, die viel wichtiger wären, sind zu abstrakt und werden deshalb gerne gemieden. Das gilt insbesondere für konkrete Datenschutzthemen.

Google betreibt einen immensen Aufwand, um Streetview anbieten zu können. Zahllose Autos fahren durchs Land, nehmen mit Kameras Straßen und Häuserfassaden auf. Später werden die Fotoaufnahmen dann in Rechenzentren verarbeiten, aus den unzähligen Einzelbildern Panoramaansichten gemacht, die nahtlos verzahnt sind, damit Internetbenutzer wirklich jeden Winkel einer Stadt erkunden können. In Deutschland werden die Kosten extrem höher sein als in anderen Ländern, denn die Widersprüche zu bearbeiten ist kostspielig.

Keine neuen Gesetze

Zeitweise war sogar von neuen Gesetzen die Rede, die eine Verwertung von Fotoaufnahmen wie bei Google Streetview verhindern sollten. Davon ist derzeit keine Rede mehr, die Wogen haben sich etwas geglättet – und auch die Kritiker sind mittlerweile recht zurückhaltend. Was daran liegen könnte, dass es eigentlich keine rechtliche Handhabe gegen die Verwertung der Fotos gibt. Die sogenannte „Panoramafreiheit“ garantiert, dass Bilder von öffentlich zugänglichen Plätzen und Gebäuden gemacht und verwertet werden dürfen. Auch ob die Ansichten von Häusern überhaupt eine schützenswerte persönliche Information darstellen, ist umstritten, schließlich erfährt man bei Google Streetview nicht, wer in den Häusern wohnt – diese Erkenntnis ist erst durch Verbindung verschiedener Datenquellen verfügbar.

Noch in diesem Jahr will Google Streetview mit den 20 größten deutschen Städten starten. Eins ist dann anders als im Rest der Streetview-Welt: Gelegentlich wird man beim virtuellen Spaziergang verpixelte Häuserfassaden zu Gesicht bekommen.