Wie Ägypten das Internet verschwinden lässt

von | 01.02.2011 | Tipps

Onlinedienste wie Twitter und Facebook haben in Ägypten eine große Rolle bei der Organisation der Proteste gespielt. Die ägyptische Regierung hat deswegen erst Twitter, dann Facebook und schließlich das gesamte Internet im Land sperren lassen. Mit einem Trick gelangen aber trotzdem Nachrichten ins Netz: Per Anruf und Voicemail.

Seitdem Mubaraks Regierung alle führenden Internet-Provider des Landes angewiesen hat, das Internet abzuschalten, geht in Ägypten gar nichts mehr: Niemand kommt ins Netz, die Ägypter selbst nicht, Touristen nicht, auch die Wirtschaft muss auf das heute so wichtige Kommunikationsmedium verzichten.

Der wirtschaftliche Schaden ist enorm. Die Auswirkungen sind auch im Ausland zu spüren Ägypten ist im Internet praktisch verschwunden, die Verbindungen sind durch einen Trick in beide Richtungen gekappt worden. Nur ein kleiner Provider, der für die ägyptische Börse arbeitet, blieb verschont: Er versorgt die Welt mit Börsendaten aus Kairo – und umgekehrt die Börse mit Daten aus der Welt.

Viele wundert es, dass das Internet sich überhaupt abschalten lässt, schließlich gilt das Internet als unzerstörbar. Doch das ist nur bedingt richtig: Das moderne Internet, das internationale Netzwerke verbindet, ist auf bestimmte Basisdienste angewiesen. Wenn die fehlen, kann das Internet nicht funktionieren. Eben dieses Basis hat die ägyptische Regierung dem Netz entzogen: Mit relativ wenigen technischen Eingriffen ist Ägypten vom Netz genommen worden.

Das funktioniert deshalb so gut, weil es in Ägypten nur vier nennenswerte Provider gibt und Ägypten darüber hinaus zentral organisiert ist: Alles läuft in Kairo zusammen. In Deutschland wäre ein Abschalten des Internet zwar theoretisch auch denkbar, wäre allerdings deutlich schwieriger. Zum einen weil es deutlich mehr Provider gibt, zum anderen weil sich viele der Anbieter gegen eine Sperrung wehren würden. Eine Abschaltung wäre auch aus juristischer Sicht derzeit nicht vorstellbar…

Allerdings wird auch in demokratischen Ländern darüber nachgedacht, die Möglichkeit zu einer Notabschaltung des Internet vorzusehen: In USA und in Österreich wird ein „Kill Switch“ erwogen, eine Möglichkeit zur Notabschaltung des Internet. So soll etwa der US-Präsident die Möglichkeit erhalten, die gesamte Internet-Infrastruktur auf Knopfdruck lahmzulegen, sollte dies erforderlich sein, etwa bei einer terroristischen Bedrohung.

Doch selbst, wenn E-Mails, Webseiten und soziale Netzwerke brach liegen – derzeit dringen trotzdem Nachrichten aus Ägypten ins Netz. Google hat sich etwas Besonderes einfallen lassen, eine Art Hintertür für alle, die in Ägypten twittern wollen, es aufgrund der technischen Abschaltung aber nicht können. Google hat dazu spezielle Festnetznummern eingerichtet, die man anrufen kann. Dort können Anrufer eine Nachricht hinterlassen, die anschließend via Twitter verbreitet wird, etwa über den Twitter-Kanal speak2tweet.

Auf diese Weise können die Ägyter derzeit Nachrichten in die Welt twittern, ohne auf das Internet zugreifen zu müssen. Die Voicemail-Nachrichten kann sich jeder im Internet anhören. Dabei kommt der Onlinedienst saynow.com zum Einsatz, den Google erst vor einigen Tagen gekauft hat. Nun hat der Suchmaschinenriese bereits ein sinnvolles Einsatzgebiet für den Service gefunden.