Virtuelles Fotoalbum

von | 01.08.2004 | Tipps

Kristallblauer Himmel, darunter ein riesiger See, der das kräftige Blau reflektiert und ein paar Berge im Hintergrund – so etwas erzeugt Fernweh. Das nächste Bild zeigt eine Straußen-Familie beim Futtern. Klick. Ein Sonnenuntergang, der durchaus für eine Fototapete taugt. Zwischendurch ein paar Momentaufnahmen und immer wieder dieselben Gesichter.

Sie halten ihre Eindrücke in Fotos fest und veröffentlichen die Bilder unter dem Kürzel „nowe“ nahezu täglich im Internet. Jeder kann die Tour verfolgen, denn die Bilder sind unter der Adresse https://www.20six.de/nowe1 öffentlich zugänglich. Zwei befreundete Pärchen auf Tour durch Neuseeland. Sogar wann die Fotos aufgenommen und ins Netz gestellt wurden ist kein Geheimnis. Der Internetbenutzer hat ein „Fotoblog“ angeklickt, ein virtuelles Tagebuch mit Fotos im Internet.

Virtuelle Fotoalben wie das von nowe werden im Internet immer populärer. Überall auf der Welt gibt es Fotografen, die ihre Bilder ins Netz stellen. Unter der Adresse https://www.satanslaundromat.com bekommen Besucher eine beeindruckende Fotosammlung aus dem New Yorker-Stadtteil Brooklyn zu sehen. Die Besucher dürfen nicht nur schauen, sondern können gleich ihre Eindrücke schildern.

Fotoblogs sind in den USA der neueste Trend im Netz nach den „Weblogs“ (Online-Tagebüchern).

„Es ist viel einfacher, zu einer Digitalkamera zu greifen und Fotos ins Netz zu stellen als etwas elegant auszuformulieren“, sagt Max Niederhofer, Geschäftsführer des Internetanbieters 20six.net mit Sitz in London. Niederhofers Unternehmen bietet in Deutschland, Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden kostenlos Speicherplatz für virtuelle Tagebücher an. Zehn Megabyte für Gedanken, Fotos, Notizen – und Anmerkungen der Besucher. 20six ist in Europa Marktführer. Aber auch andere Blog-Plattformen wie blogg.de oder photo-log.de erfreuen sich großer Popularität.

Allein in Deutschland gibt es mittlerweile rund 35 000 Weblogs von 20six. Rund 3500 davon sind Fotoblogs. Erste Umsätze macht das Unternehmen seit kurzem mit Werbeplätzen auf den gut besuchten Webseiten.

Im zweiten Quartal sollen dann auch noch Premium-Abos dazu kommen: Nach dem Vorbild amerikanischer Blog-Angebote wie livejournal.com oder xango.com erhalten registrierte Benutzer gegen eine monatliche Gebühr von wenigen Euro deutlich mehr, garantiert werbefreien Speicherplatz, sowie einige weitere Extras. Später will 20six sein Angebot um Mehrwertdienste ergänzen, etwa MMS-Versand aus dem Fotoblog.

Die Handhabung der Fotoblogs ist einfach: Jeder registrierte „Blogger“ bekommt eine eigene Webadresse. Doch es schauen nicht nur Freunde und Eingeladene vorbei. Viele Blogfans hüpfen neugierig von Fotoblog zu Fotoblog. Mit jedem neu hoch geladenen Foto, mit jedem Kommentar aus eigener oder fremder Feder verändert sich die Seite.

Sehr beliebt ist das Fotoblog „Celebrities“ beim Provider Buzznet. Wer hier vorbei schaut, sieht eine winkende Britney Spears von hinten, Jennifer Lopez beim Telefonieren auf der Rückbank ihrer Limousine oder zwei gelangweilt gähnende weiße Tiger, die zum Privatzoo des Magierduos Siegfried und Roy gehören. Jeder, der einen Star oder Promi vor die Linse bekommt, soll auf den Auslöser drücken und die Bilder zu den Celebrities ins Netz stellen.

Per Foto-Handy gemachte Schnappschüsse kann der Blogger innerhalb von Sekunden im eigenen Fotoblog veröffentlichen.

Wenn Ende des Jahres die neuen mobilen UMTS-Multimedianetze wie geplant starten und breitbandige UMTS-Handys auf den Markt kommen, lassen sich mit Fotos gespickte Webseiten auch auf mobilen Geräten betrachten.

„Dann stehen Fotoblogs endgültig vor ihrem Durchbruch“, sagt 20six-Geschäftsführer Niederhofer. „Bei uns in Deutschland ist der Bilderversand noch zu teuer“.

Mindestens 39 Cent zahlt ein Fotoblogger für jedes als MMS-Nachricht verschickte Foto. Hochaufgelöste Bilder können sogar 99 Cent kosten. Wer sich im Ausland aufhält, dem berechnet der Provider dank Roaming gerne auch schon mal 1,49 Euro pro Foto. In den Benelux-Ländern und in Skandinavien ist man längst einen Schritt weiter: Da zahlt der Mobilfunkkunde einen Paketpreis, der das Versenden einer bestimmten Anzahl von Foto-Nachrichten enthält.

Die Neuseeland-Urlauber stellen ihre mit einer Digitalkamera aufgenommenen Fotos dagegen noch traditionell ins Netz. Die Bildqualität ist einfach besser als beim Foto-Handy. n

JÖRG SCHIEB