Handels-Abkommen „Acta“ sorgt für Aufregung – nicht nur im Web

Das „Anti Counterfeiting Trade Agreement“ (Acta) ist ein in den letzten Jahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgehandeltes Abkommen auf völkerrechtlicher Ebene zwischen der EU und Ländern wie USA, Kanada, Japan, Australien, Neuseeland und einigen anderen Staaten. Ziel des Abkommens sind international einheitliche Mindeststandards zur Abwehr von Produktpiraterie und Urheberrechtsverstößen im Internet. Beides sorgt aus Sicht der Industrie für erhebliche Umsatzeinbußen und soll daher wirkungsvoll international bekämpft werden.

Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Die Frage ist nur, wie das geschehen soll – und genau da regt sich in vielen Ländern zunehmend Widerstand, vor allem bei den Regelungen, die das Internet betreffen. Viele Punkte werden nicht nur von der Netzgemeinde kritisch gesehen, sondern auch von vielen Juristen und zunehmend sogar in der Politik. Kern der Kritik sind die mitunter möglichen Folgen, mit denen bei einer Ratifizierung des Abkommens aus Sicht der Kritiker zu rechnen wäre.

Vor allem befürchten viele erhebliche Einschnitte bei den Rechten im Internet und deutlich mehr Kontrolle. Noch gilt das Internet als Hort der freien Rede und der freien Meinungsäußerung. Jeder soll sagen, schreiben, twittern, posten oder in Videos mitteilen können, was er denkt, fühlt oder meint. Nur ist das längst nicht überall so: China, Iran, Malaysia – in diesen und vielen anderen Ländern ist das Internet nur eingeschränkt verfügbar. Dort sind mitunter komplette Portale gesperrt oder nur bedingt nutzbar, weil entsprechende Gesetze strikte Regeln und Einschränkungen vorsehen. Solche Zustände fürchten nun viele auch für die westliche Welt, wenn auch aus anderen Gründen.

Acta will nicht zensieren, sondern geistiges Eigentum wie Texte, Fotos, Videos, Filme oder Musik im Internet schützen. Die Rechte-Lobby hat im Hintergrund die Strippen gezogen. Es gibt viele Pflichten für Internetbenutzer, aber keine ausdrücklichen Rechte. Weitere Sorge vieler: Legt man das Abkommen wortwörtlich aus, wären beängstigende Szenarien denkbar. Würden alle Staaten Acta unterschreiben, wären Internet-Provider womöglich gezwungen, ihre User zu überwachen.
Was machen die User online? Was laden sie herunter? Verstoßen sie gegen geltendes Recht? Die Provider müssten möglicherweise alles überwachen und dokumentieren. Wird jemand drei Mal ertappt, weil er gegen geltendes Recht verstößt, droht der komplette Ausschluss aus dem Internet. „Three Strike“-Prinzip, nennt sich das. Zwei Ermahnungen, danach ist Schluss.

Abgesehen davon, dass viele andere Ansichten darüber haben, ob und wie geistiges Eigentum im Internet geschützt werden sollte: Die geplanten Methoden, Provider zu dauerhaften Kontrollen zu verpflichten, ist mehr als bedenklich. Zwar meinen Befürworter von Acta, eine derartige Kontrolle wäre durch das Abkommen nicht geplant, doch allein die Tatsache, dass die geplanten Regeln so verstanden werden können, reicht für eine begründete Kritik.

Daher gibt es erheblichen Widerstand gegen das Handelsabkommen, das US-Präsident Barack Obama allerdings bereits unterschrieben hat. Die Community protestiert nachdrücklich gegen die geplanten Gesetze. Es soll noch aufgehalten werden. Deshalb gibt es bereits eine Online-Petition, die bereits über 2,4 Millionen EU-Bürger virtuell unterzeichnet haben.

Doch der Protest beschränkt sich nicht aufs Web: Es gibt auch Demonstrationen auf der Straße. Besorgte Bürger haben in vielen deutschen Städten öffentlich demonstriert. Auch in Polen und einigen anderen Ländern sind bereits Tausende von Menschen auf die Straße gegangen. Ein Widerstand, der durchaus Wirkung zeigt: Die deutsche Regierung hat die Ratifizierung des Abkommens derzeit abgelehnt, selbst Verbraucherministerin Aigner kritisiert die EU-Kommission wegen der Acta-Verhandlungen deutlich.

Das Netz hat sich mal wieder als demokratisches Instrument bewährt: Ohne das Internet wären die Inhalte des Abkommens niemals so schnell bekannt geworden. Die Bürger haben sich im Web informiert, haben in sozialen Netzwerken den Protest organisiert und online Petitionen eingerichtet, alles innerhalb kürzester Zeit. Vergleichbar schnell wäre das in der Offline-Welt niemals möglich gewesen, da wäre das Abkommen längst unterzeichnet gewesen. Die Auswirkungen auf die Politik sind erkennbar und nachhaltig. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass es Acta durch die Instanzen schafft – zumindest nicht in der aktuellen Fassung.

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