Die Zukunft der Rechenzentren liegt im All: Wie die künstliche Intelligenz unsere Energieversorgung herausfordert

von | 06.05.2025 | KI

Während KI-Systeme immer hungrigere Energiefresser werden und Rechenzentren bereits heute 40% ihrer Energie allein für Kühlung verbrauchen, richtet Eric Schmidt seinen Blick nach oben. Erfahren Sie, warum der ehemalige Google-CEO in Weltraum-Rechenzentren eine Lösung für die drohende Energiekrise sieht und wie diese futuristische Vision funktionieren könnte. Ist das der nächste große Schritt für unsere digitale Infrastruktur oder nur ein teurer Traum?

In einer überraschenden Entwicklung hat Eric Schmidt, ehemaliger CEO von Google (2001-2011) und langjähriger Chairman des Tech-Riesen, seinen Blick in Richtung Weltraum gewendet.

Als neuer CEO des Raumfahrt-Startups Relativity Space scheint Schmidt eine Vision zu verfolgen, die auf den ersten Blick wie Science-Fiction klingt: Rechenzentren im Weltraum zu etablieren. Diese Idee ist jedoch keine bloße Träumerei, sondern eine Reaktion auf eine immer dringlicher werdende Herausforderung – die explodierenden Energieanforderungen unserer digitalen Infrastruktur im KI-Zeitalter.

Das Rechenzentrum Colosseum wurde im Blitztempo gebaut
Das Rechenzentrum Colosseum wurde im Blitztempo gebaut

Die Energiekrise der Rechenzentren

Was treibt einen Visionär wie Schmidt zu solch ambitionierten Plänen? Die Antwort liegt in den alarmierenden Energieprognosen für die kommenden Jahre. Im April 2025 äußerte Schmidt vor dem House Committee on Energy and Commerce seine Besorgnis darüber, dass die Energieressourcen der Erde nicht ausreichen werden, um den steigenden Bedarf von KI-getriebenen Rechenzentren zu decken.

Die Zahlen sind tatsächlich beeindruckend: Laut Prognosen könnten Rechenzentren bis 2027 zusätzlich 29 Gigawatt an Energie benötigen und bis 2030 sogar 67 Gigawatt mehr. Zum Vergleich: Ein durchschnittliches Kernkraftwerk in den USA produziert etwa ein Gigawatt. Goldman Sachs Research prognostiziert sogar, dass der globale Energiebedarf von Rechenzentren bis Ende dieses Jahrzehnts um bis zu 165% steigen könnte im Vergleich zu 2023.

Das Kühlungsproblem: Der versteckte Energiefresser

Ein oft übersehener Aspekt dieser Energiekrise ist der enorme Aufwand, der für die Kühlung der Rechenzentren betrieben werden muss. Studien zeigen, dass zwischen 30% und 55% des gesamten Energieverbrauchs eines Rechenzentrums allein für Kühl- und Belüftungssysteme aufgewendet werden – im Durchschnitt etwa 40%.

Die wachsende Rechenleistung, insbesondere für KI-Workloads, führt zu einer verhängnisvollen Eskalationsspirale: Mehr Leistung erzeugt mehr Wärme, was wiederum mehr Energie für die Kühlung erfordert. Moderne KI-Rechenzentren erreichen mittlerweile Leistungsdichten von 17 Kilowatt pro Rack, mit Prognosen von bis zu 30 Kilowatt bis 2027. Spezialisierte KI-Trainingsmodelle können sogar über 80 Kilowatt pro Rack verbrauchen.

Ein einfaches Rechenbeispiel verdeutlicht die finanziellen Dimensionen: Wenn durch effizientere Kühlung 200 Kilowatt an Leistung eingespart werden könnten, würde dies bei einem Strompreis von 0,20 € pro Kilowattstunde zu jährlichen Einsparungen von etwa 350.000 € führen – und das nur für ein einzelnes Rechenzentrum.

Die KI-Revolution: Treiber des exponentiellen Wachstums

Was hat diesen dramatischen Anstieg verursacht? Die Antwort ist eindeutig: Künstliche Intelligenz. Die International Energy Agency (IEA) schätzt, dass die weltweite Stromnachfrage von Rechenzentren sich zwischen 2022 und 2026 verdoppeln könnte, vor allem aufgrund der KI-Adoption. In fortgeschrittenen Volkswirtschaften werden Rechenzentren voraussichtlich mehr als 20% des Wachstums des Strombedarfs bis 2030 ausmachen.

Dies markiert eine dramatische Wende. Während der Stromverbrauch von Rechenzentren zwischen 2015 und 2019 trotz Verdreifachung der Workloads nahezu konstant blieb – hauptsächlich dank Effizienzgewinnen – scheinen diese Verbesserungen seit 2020 an ihre Grenzen zu stoßen. Eine einzelne ChatGPT-Anfrage benötigt etwa 2,9 Wattstunden Strom, verglichen mit 0,3 Wattstunden für eine Google-Suche.

In einigen Regionen werden die Auswirkungen bereits spürbar. In Irland machen Rechenzentren bereits über 20% des gesamten Stromverbrauchs aus, während in mindestens fünf US-Bundesstaaten der Anteil über 10% liegt. Laut McKinsey könnte der Strombedarf von Rechenzentren in den USA zwischen 2024 und 2030 um etwa 400 Terawattstunden bei einer jährlichen Wachstumsrate von 23% steigen.

Der Energieverbrauch für das Erzeugen von Bildern ist noch deutlich höher
Der Energieverbrauch für das Erzeugen von Bildern ist noch deutlich höher

Die Weltraum-Lösung: Verrückte Idee oder brillante Innovation?

Vor diesem Hintergrund erscheint Schmidts Weltraum-Initiative weniger abwegig. Rechenzentren im All bieten zwei entscheidende Vorteile:

  1. Unbegrenzte Solarenergie: Im Weltraum steht Sonnenenergie unbegrenzt zur Verfügung, ohne die Einschränkungen durch Tag-Nacht-Zyklen oder Wetterbedingungen auf der Erde.
  2. Natürliche Kühlung: Die kalte Umgebung des Weltraums, insbesondere im Schatten der sonnenabgewandten Seite, bietet ideale Bedingungen für die Kühlung von Serverinfrastruktur ohne zusätzlichen Energieaufwand.

Schmidt ist nicht der Erste mit dieser Idee. Unternehmen wie Lumen Orbit und das EU-Projekt Ascend arbeiten bereits an ähnlichen Konzepten. Lumen hat kürzlich 11 Millionen Dollar Startkapital eingesammelt, um einen Prototypen zu entwickeln, der Rohdaten von Satelliten empfangen und mittels KI für die Übertragung zur Erde komprimieren soll.

Kritische Stimmen und Herausforderungen

Doch nicht alle sind von dieser Weltraum-Vision überzeugt. Kritiker wie Pierre Lionnet von Eurospace argumentieren, dass die auf der Erde eingesparte Energie durch die enormen Energiekosten der Raketenstarts kompensiert würde, mit möglicherweise noch schlimmeren globalen Auswirkungen auf die Atmosphäre.

Zudem bleibt die Frage, wie Rechenzentren im Weltraum praktisch umgesetzt werden können. Die derzeitigen Anforderungen an Trägerraketen, Kommunikationstechnologie und Infrastruktur im All stellen immense Herausforderungen dar.

Eine notwendige Vision für eine nachhaltige digitale Zukunft?

Ob Schmidts Vision Realität wird oder nicht – sie unterstreicht die dringende Notwendigkeit, neue Wege für unsere digitale Infrastruktur zu finden. Während wir in das Zeitalter der künstlichen Intelligenz eintreten, müssen wir innovative Lösungen entwickeln, um den wachsenden Energiehunger unserer digitalen Welt zu stillen, ohne unseren Planeten weiter zu belasten.

Die Idee der Weltraum-Rechenzentren mag heute noch futuristisch erscheinen, aber angesichts der prognostizierten Verdoppelung des globalen Energieverbrauchs von Datenzentren bis 2028 (mit einer jährlichen Wachstumsrate von 19,5%) könnte sie schneller zur Notwendigkeit werden, als wir denken.

Die wahre Innovation liegt vielleicht nicht nur in der technischen Umsetzung, sondern in der Bereitschaft, über den Tellerrand – oder in diesem Fall über die Erdatmosphäre – hinauszudenken, um nachhaltige Lösungen für die digitale Transformation zu finden.