Google hat wieder eine schicke und leistungsfähige Datenbrille vorgestellt.
Erinnerst du dich noch an Google Glass? Die futuristischen Datenbrillen mit dem klobigen Kameramodul, die 2013 für stolze 1.500 Dollar verkauft wurden? Damals waren sie der Inbegriff von Science-Fiction-Technologie – und gleichzeitig ein spektakuläres Flop. Jetzt macht Google einen zweiten Anlauf. Und diesmal könnte es tatsächlich funktionieren.
Das „Glasshole“-Desaster: Was damals schief lief
Um zu verstehen, warum Google Glass 2.0 eine Chance hat, müssen wir erst einmal schauen, was beim ersten Versuch alles schief gelaufen ist. Google-Mitgründer Sergey Brin hat sich jetzt überraschend offen zu den damaligen Fehlern geäußert: „Ich habe definitiv viele Fehler gemacht bei Google Glass, ich will ehrlich sein“, gab er auf der Entwicklerkonferenz Google I/O zu.
Die Probleme lagen auf mehreren Ebenen. Da war zunächst das Design: Die erste Google Glass sah aus wie eine Kreuzung aus Brille und Roboter. Das auffällige Kameramodul an der Seite schrie förmlich „Ich filme euch alle!“ – kein Wunder, dass die Träger schnell den Spitznamen „Glassholes“ bekamen. In Restaurants, Bars und sogar ganzen Städten wurden sie teilweise verboten.
Technisch war die Brille ihrer Zeit weit voraus – aber das war paradoxerweise das Problem. Die Technologie war noch nicht reif genug, um wirklich nützlich zu sein. Die Akkulaufzeit war miserabel, die Spracherkennung unzuverlässig, und die meisten Funktionen wirkten wie Spielereien ohne echten Nutzen. Für 1.500 Dollar bekam man im Grunde ein sehr teures Gadget, das mehr Probleme schuf als löste.
Brin räumte ein, dass er damals sowohl technisch als auch wirtschaftlich überfordert gewesen sei. Insbesondere die Lieferketten in der Unterhaltungselektronik und die Schwierigkeit, ein solches Produkt zu einem vernünftigen Preis anzubieten, habe er unterschätzt.

Was ist jetzt anders? KI macht den Unterschied
Zwölf Jahre später hat sich die Welt grundlegend verändert – und Google will es noch einmal versuchen. Diesmal mit einem entscheidenden Unterschied: künstlicher Intelligenz. Die neuen Smart Glasses basieren auf Android XR und werden von Googles KI-Assistent Gemini angetrieben.
„Und jetzt sieht es aus wie normale Brillen – ohne das Ding vorn“, erklärte Brin mit Blick auf das klobige Kameramodul des Vorgängers. Das ist schon mal ein großer Fortschritt. Statt wie ein Cyborg auszusehen, sollen die neuen Brillen optisch kaum von normalen Brillen zu unterscheiden sein.
Aber der eigentliche Durchbruch liegt in der KI-Integration. Während die erste Google Glass im Grunde ein kleiner Computer mit Display war, werden die neuen Brillen zu intelligenten Assistenten. Sie verstehen Sprache viel besser, können Kontext erfassen und sollen wirklich nützliche Informationen liefern, ohne dabei zu stören.
Stell dir vor: Du gehst durch eine fremde Stadt und flüsterst „Wo ist das nächste gute Restaurant?“ – und bekommst diskret Informationen eingeblendet, ohne dass jemand merkt, dass du gerade mit deiner Brille sprichst. Oder du schaust auf ein Schild in einer fremden Sprache und bekommst automatisch eine Übersetzung angezeigt.
Timing ist alles: Warum jetzt der richtige Moment ist
2013 waren Smartphones gerade mal sechs Jahre alt, und die meisten Menschen waren noch nicht daran gewöhnt, ständig mit Technologie zu interagieren. Heute ist das völlig anders. Wir sprechen mit Alexa, Siri und Google Assistant, als wären sie alte Freunde. Wir sind es gewohnt, dass Geräte uns verstehen und helfen.
Die Technologie ist auch viel weiter. Chips sind kleiner und sparsamer geworden, Batterien halten länger, und vor allem: KI-Modelle wie Gemini können Gespräche führen, die sich natürlich anfühlen. „Jetzt, in der KI-Welt, sind die Möglichkeiten dieser Brillen, einem zu helfen, ohne ständig abzulenken, viel größer“, so Brin.
Ein weiterer wichtiger Punkt: Die Datenschutz-Debatte hat sich gewandelt. Nicht, weil die Menschen weniger vorsichtig geworden wären, sondern weil sie verstehen, was möglich ist und was nicht. Google kann heute viel transparenter kommunizieren, wie die Brillen funktionieren und welche Daten verarbeitet werden.
Starke Partner für den Neustart
Google geht diesmal nicht allein vor. Zusammen mit dem Brillenanbieter Warby Parker aus New York plant das Unternehmen, schon 2026 ein marktfähiges Modell vorzustellen. Weitere Partner für Android XR sind Schwergewichte wie Samsung, Qualcomm und Sony, aber auch Spezialisten wie Xreal und Magic Leap.
Das ist ein kluger Schachzug. Warby Parker weiß, wie man Brillen macht, die Menschen gerne tragen. Samsung und Sony verstehen sich auf Massenfertigung. Qualcomm liefert die effizienten Chips. Google muss nicht mehr alles selbst lernen, sondern kann auf bewährte Expertise setzen.
Die Lehren aus dem ersten Versuch
Brin kommentierte die damalige spektakuläre Präsentation mit Fallschirmspringern scherzhaft: „Wir sollten wahrscheinlich zuerst das Produkt aufpolieren. Dann machen wir eine richtig coole Demo. Das ist wahrscheinlich der klügere Schachzug.“
Diese Selbstkritik zeigt: Google hat verstanden, was schief gelaufen ist. Statt wieder mit großem Tamtam ein unfertiges Produkt zu bewerben, setzt das Unternehmen diesmal auf solide Entwicklung und durchdachte Markteinführung.
Wird diesmal alles anders?
Die Chancen stehen nicht schlecht. Die Technologie ist reifer, die Nutzer sind bereit, und Google hat aus seinen Fehlern gelernt. Smart Glasses könnten tatsächlich das werden, was Smartphones für die 2000er Jahre waren: die nächste große technologische Revolution.
Aber es gibt auch Risiken. Der Markt ist heute viel umkämpfter als 2013. Apple arbeitet vermutlich an eigenen AR-Brillen, Meta investiert Milliarden in die Metaverse-Vision, und chinesische Hersteller wie Xiaomi drängen ebenfalls in den Markt.
Die entscheidende Frage wird sein: Schafft es Google, ein Produkt zu entwickeln, das Menschen wirklich im Alltag nutzen wollen? Nicht als Spielerei für Technik-Nerds, sondern als praktisches Werkzeug, das das Leben einfacher macht.
Die Antwort bekommen wir wahrscheinlich 2026. Bis dahin bleibt spannend zu beobachten, ob Google diesmal beweisen kann, dass manchmal der zweite Versuch der richtige ist.
Der Erfolg von Google Glass 2.0 wird nicht nur über die Zukunft von Smart Glasses entscheiden, sondern auch zeigen, ob Google noch in der Lage ist, neue Produktkategorien zu schaffen – oder ob das Unternehmen für immer ein Suchmaschinen-Riese bleiben wird.