Auf wenigen Veranstaltungen in Deutschland wird so konkret und intelligent über digitale Themen, Strukturen, Konzepten und Mängeln diskutiert wie auf dem „Hacker“-Kongress des CCC.
In der letzten Woche des Jahres findet traditionell ein Hackerkongress des Chaos Computer Club (CCC) statt – auch in diesem Jahr nur virtuell. Weshalb die Macher auch von rC3 sprechen – ein „remote“-Kongress eben.
Auf der Veranstaltung zeigen technisch interessierte und versierte Menschen oft Dinge, die man gar nicht für möglich hält. Oder es wird über Risiken und Sicherheitslücken diskutiert.
Luca App „technologisch tot“
Ein Thema dieses Jahr: die Luca-App. Man hört eigentlich gar nicht mehr viel von ihr, trotz hoher Inzidenzen. Was aber vor allem daran liegt, dass die Gesundheitsämter kaum noch Daten abfragen. Entwicklerin Bianca Kastl sieht in der Luca-App mittlerweile „kein Potenzial mehr fürs effektive Kontakt-Tracing in der Pandemie“.
Die Lösung sei „technologisch tot“. Mit Iris Connect hat sie, gemeinsam mit anderen Entwicklern, eine alternative Lösung an den Start gebracht. Für die Kontaktverfolgung bei Corona vermutlich zu spät.
Social Scoring: Rückwirkend die Regeln ändern
Auch eine andere öffentliche Anwendung ist Thema auf dem Kongress: das Social Scoring System in China. Damit wird das Verhalten der Bevölkerung im Orwell’schen Ausmaß beobachtet und dann belohnt oder bestraft. Jeder Bürger hat ein Social Score Konto – und vom Kontostand ist es abhängig, ob man einen Kredit oder die Wohnung in schöner Lage bekommt.
Offensichtlich behält es sich die Kommunistische Partei sogar vor, „Dinge sogar retrospektiv anzupassen“, berichtete der Sinologe Kolja Quakernack auf dem rC3-Kongress. Bedeutet: Wenn die Partei es will, kann rückwirkend ein bestimmtes Verhalten belohnt oder bestraft werden. Kaugummi-Kauen?
Heute vielleicht noch erlaubt, morgen aber möglicherweise nicht mehr. Und wer beim Kaugummi-Kauen in der Vergangenheit erwischt wird (obwohl es da noch erlaubt war), wird trotzdem bestraft. Das ist verrückt und machtbesessen – aber auch ein Beispiel, was möglich ist, wenn einem Staat unvorstellbare Datenmengen vorliegen.
Ein Grund mehr, das Social Scoring System in China als mahnendes Beispiel zu sehen.
Staat sollte umdenken bei OpenData
Ein anderer auf dem rC3 eifrig diskutierter Aspekt betrifft die Art und Weise, wie Behörden und Regierung bei uns mit kreativen Köpfen umgehen. Wenn eine Aktivistin wie Lilith Wittmann eine Sicherheitslücke in der Wahlkampf-App der CDU entdeckt, bekommt sie nicht etwa ein respektvolles „Dankeschön!“, sondern eine Anzeige.
Es gibt weitere Beispiele. Etwa wenn Aktivisten versuchen, von der öffentlichen Hand ermittelte Daten besser für die Allgemeinheit verfügbar zu machen. Anstatt solche Projekte zu fördern, gab es in der Vergangenheit allzu oft Gegenwehr.
Es waren auch rund 100 Privatleute, die das Portal bund.dev auf die Beine gestellt haben. Ein Versuch, inoffizielle „Schnittstellen“ von staatlichen Organisationen zu dokumentieren und so allen verfügbar zu machen.
Es liegt im Interesse der Allgemeinheit, wenn öffentliche Daten auch leicht zugänglich sind und verarbeitet werden können. Das sollten die Entscheider bei uns lernen.
Wie viel „Digital“ steckt im Koalitionsvertrag?