Klarnamenpflicht im Netz: Sinnvoll – oder ein Papiertiger?

von | 16.01.2020 | Digital

Im Netz läuft nicht alles rund – das wissen wir. Hass und Hetze nehmen zu, vor allem in den Sozialen Netzwerken. Da wird gepöbelt, beleidigt, ja auch bedroht und gedroht. Immer unverfrorener. Im Schatten der Anonymität ist das auch leicht, sagen viele. Und einige fordern, auf die Anonymität zu verzichten. Zum Beispiel Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble gerade erst. Aber ist das der richtige Weg?

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat in einem „Bild am Sonntag“ Interview eine Klarnamenpflicht im Netz verlangt. Nicht zum ersten Mal.

Wie wir alle wissen, können wir im Netz weitgehend anonym unterwegs sein. Ob wir uns bei Facebook, Twitter oder wo auch immer „Snoopy123“, „VolksHeld18“, „joergi“ oder „Jörg Schieb“ nennen – also mit Klarnamen –, bleibt alleine uns überlassen. Früher gab es bei Facebook tatsächlich mal der Verpflichtung, den echten Namen zu verwenden, doch das ist schon lange nicht mehr so.

Das Problem – sagt Wolfgang Schäuble und sagen auch viele andere, und das sicher zu Recht: Im Schatten der Anonymität lassen viele alle Hemmungen fallen. Sie krakeelen, pöbeln, hetzen, beleidigen und bedrohen sogar Menschen. Ohne jeden Anstand. Weil keiner weiß, wer dahintersteckt.

Die Idee: Muss sich jeder mit Klarnamen im Netz aufhalten, wäre das anders. Dann würden sich die Menschen mehr zurückhalten – und sie wären leichter für Polizei und Behörden zu identifizieren.

Was würde das denn tatsächlich bringen?

Das ist mehr als fraglich. Denn eins muss man leider feststellen: All jene, die pöbeln, hetzen und bedrohen tun das immer ungenierter und unverfrorener. Viele verwenden keine Pseudonyme, sondern Klarnamen – auch ohne Vorschrift.

Sie haben keine Sorge, strafrechtlich belangt zu werden. Es scheint keinerlei Unrechtsbewusstsein zu geben. Selbst Aufruf zur Gewalt und Morddrohungen erscheinen im Netz immer häufiger im Klarnamen. Solche Erfahrungen – direkte persönliche Drohungen – musste auch Dorothee Bär machen, die Staatsministerin für Digitalisierung im Bundeskanzleramt.

Dorothee Bär ist gegen Klarnamenpflicht

Apropos: Stellt sich die Frage, was Dorothee Bär über die Forderung zur Klarnamenpflicht denkt. Sie sagt:

Ich halte 0,0 von der Klarnamenpflicht. Aus ganz verschiedenen Gründen.  Ich kann verstehen, dass man die Hoffnung hat, so wie Sie es formuliert haben, dass es sich dadurch bessert. Ich persönlich sage aber: Allein mir fehlt der Glaube. Natürlich wäre es wünschenswert zu sagen: Lasst es uns doch einfach mal verbieten, diese Pseudonyme und dann wird alles gut. Dann wird eben nicht alles gut.

Dorothee Bär.

Also: Glasklar eine andere Haltung als Wolfgang Schäuble – und übrigens auch als AKK. Auch sie würde lieber eine Klarnamenpflicht oder etwas Vergleichbares einführen.

Dorothee Bär ist der Überzeugung, dass eine Klarnamenpflicht das Problem nicht löst. Denn heute schon begehen viele Straftaten im Netz unter Klarnamen. Und deutsche Täter zu ermitteln ist auch möglich, wenn keine Klarnamen verwendet werden. Außerdem gäbe es gute Gründe, Pseudonyme oder Anonyme zu verwenden. Und da hat sie recht.

Vorteile von Anonymität und Pseudonym

Auch hierzulande ist es keineswegs immer einfach, seine Meinung zu sagen. Wer die AfD angreift, kann sich durchaus Schwierigkeiten einhandeln. Mit Klarnamenpflicht liefert man die Namen auf einem Silbertablett.

Aber es gibt noch andere Gründe. Wer sich zum Beispiel über Krankheiten austauschen will, über psychische Probleme, Gewalt in der Familie – möchte ganz sicher nicht jedes Mal mit seinem richtigen Namen in Erscheinung treten. Auf Dauer über Google zu finden. Hier sind die Möglichkeit zur Anonymität natürlich ein Segen.

Ich kann der Grundidee zur Klarnamenpflicht durchaus etwas abgewinnen – aber nur in einer idealen Welt. In der sich alle mit Respekt begegnen und niemand etwas zu befürchten hat. Da ist es anständig, sich mit Namen vorzustellen.

Aber wir leben leider nicht in einer solchen Welt. Die Nachteile einer Klarnamenpflicht wären ungleich größer als die möglichen Vorteile. Abgesehen davon ist fraglich, wie sich das überhaupt durchsetzen ließe, wenn man kein komplettes Überwachungs-Internet will. Daher gibt’s derzeit nur eins: Alles melden und anzeigen, was einem auffällt. Und die Politik muss Behörden und Justiz besser dafür ausstatten. Viel besser!

 

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