Bei der Durchsicht meiner Artikel habe ich einen FAZ-Beitrag über die Comdex’95 gefunden. Die Comdex was damals das, was heute die CES ist. Eine der wichtigsten IT-Messen der Welt. Vielleicht ganz spannend, aber zumindest doch unterhaltsam, zu lesen, was uns 1995 bewegt hat.
In Las Vegas wurde der Information Highway geteert
Das zentrale Thema auf der amerikanischen Computermesse Comdex war die Datenautobahn
Die alljährlich im November stattfindende Comdex ist Amerikas größte Computermesse – nach Ausstellungsfläche und Besucherzahlen ist die Cebit in Hannover allerdings dreimal größer. Mehr als 200.000 Besucher machten sich auf den Weg in die Wüste, um sich über aktuelle Trends aus der Branche der Bits und Bytes zu informieren.
Zentrales Thema war diesmal die Datenautobahn. Überall wurden die Segnungen der Online-Welt gepriesen, besonders die des Internet. Ausnahmslos jeder war bemüht, Profit aus der Online-Hysterie zu schlagen – egal wie. Selbst Monitorhersteller schreckten nicht davor zurück zu behaupten, durch ihre Geräte sehe man das Globale Dorf besonders deutlich.
Auch Chipbauer Intel, dem es im Grunde egal sein kann, was die Leute zum Rechnerkauf bewegt, machte eine tiefe Verbeugung vor dem Zeitgeist: In überdimensionalen Lettern prangte Intels Werbebotschaft über dem Comdex-Eingang: „Getting the World connected“.
Laßt uns die Welt miteinander verbinden. Das war auch die Message des inoffiziellen Branchen-Gurus Bill Gates. Der umstrittene Microsoft-Chef, mittlerweile ein Medienereignis für sich und Publikumsmagnet, füllte am zweiten Messetag problemlos den den größten Saal am Ort. Knapp 7000 Zuhörer fanden im Aladdin-Theater Platz, weitere 3000 begehrten Einlaß, mußten aber aus Platzmangel draßen bleiben. Die Pechvögel konnten die knapp einstündige Rede des Bit-Messias nur auf einer Leinwand mitverfolgen.
Der Multimilliardär demonstrierte anhand leicht verkitschter Videoeinspielungen, wie gängige Büroanwendungen in naher Zukunft aussehen könnten. Die Software des nächsten Jahrtausends werde vom Anwender lernen, orakelte Gates, statt wie heute üblich den Anwender zu zwingen, die komplizierte Programmbedienung zu lernen. Diese „anpassungsfähige Software“ sei in der Lage, Routineaufgaben selbständig zu erledigen und gesprochene Befehle zu verstehen. Verdeutlicht wurde zudem, daß Datenaustausch und Informationsbeschaffung via Internet schon bald für jeden PC-Benutzer selbstverständlich sein werden.
Lou Gerstner von IBM, der einen Tag vor Bill Gates seine Rede hielt, und Bob Frankenberg von Novell, er war einen Tag später an der Reihe, bliesen in dasselbe Horn: Das Internet wurde als Motor, Chance und Rückgrat der Branche zugleich gesehen. Glaubt man den drei Branchengrößen, scheint nichts mehr ohne das Internet zu gehen. Wer eine der drei Veranstaltungen besucht hat, konnte sich die jeweils anderen beiden sparen. Noch nie waren die „Schlüsselreden“ (Key Notes) im Kern so ähnlich.
Übertroffen wurde Bill Gates, was die Anzahl an Zuhörern betrifft, nur durch die Popgruppe Fleetwood Mac. Die Band spielte vor rund 13.000 Zuschauern im Festsaal des MGM-Hotels. Kommen durfte jeder, der auf der Messe rechtzeitig eine der kostenlos verteilten Eintrittskarten ergattern konnte. Eingeladen zu dieser ungewöhnlichen Feier hatte Vobis-Mitbegründer Theo Lieven. Um auf sein gerade erst auf dem amerikanischen Markt eingeführtes Produkt WitchDesk aufmerksam zu machen, schien jedes Mittel recht. Auch eine Party mit 13.000 Gästen.
WitchDesk ist gewissermaßen eine Oberfläche für die Oberfläche, ein Aufsatz für Microsofts Windows. Mit Hilfe von WitchDesk läßt sich der Desktop leicht und bequem auf den persönlichen Geschmack anpassen. Einmal entsprechend eingerichtet – Programmierkenntnisse garantiert nicht erforderlich -, startet man die Textverarbeitung zum Beispiel, indem man mit der Maus auf die fotorealistisch abgebildete Schreibmaschine klickt. Auf Wunsch ertönt dann für einen Augenblick auch noch Getippe aus den PC-Boxen. Multimediaeffekte jeder Art, ob Foto, Musik, Sprache oder Video, sind in WitchDesk eingebaut.
Die begehrte Auszeichnung „Best of Comdex“ hat WitchDesk nicht erhalten, auch wenn darauf spekuliert wurde, sondern Apples Newton 2.0. Auf der Comdex wurde die zweite Generation von Apples notizbuchgroßen Handcomputern gezeigt. Doch Apple hat nicht die Hardware des Personal Digital Assistant (PDA) überarbeitet, sondern die Software. Deutlich verbessert wurde zum Beispiel die Handschriftenerkennung sowie die Kommunikationsmöglichkeiten, aber auch die Anbindung an Windows-PCs oder Apple Macintosh. In den Vereinigten Staaten soll der neue Newton bereits Anfang Dezember zu haben sein, in Deutschland im ersten Quartal.
Viel Aufmerksamkeit ergatterte auch das Suchprogramm WebCompass von Quarterdeck. Damit können Internet-Benutzer die gängigen Online-Kataloge des World Wide Web, namentlich Yahoo, Lycos und NetCrawler, nach Suchbegriffen durchforsten. Der Vorteil des WebCompass: Das Programm durchsucht alle Online-Kataloge gleichzeitig, wo sonst mehrere Arbeitsschritte erforderlich sind. Zudem lassen sich die Rechercheergebnisse auf dem eigenen Rechner speichern, strukturieren und bei Bedarf regelmäßig auf den neuesten Stand bringen. Ein wirklich praktisches Werkzeug für all jene, die gerne und häufig im World Wide Web (WWW) „surfen“.
Einige Anbieter, die im vergangenen Jahr Besuchertrauben um ihre Standtheken versammeln konnte, waren in diesem Jahr nicht mehr vertreten. All jene nämlich, die mit spärlich bekleideten Pin-Up-Girls am Stand für Online-Kalender, ausgefallene Computerspiele à la Strip Poker sowie Nur-für-Männer-CDs warben. Anstößige Anbieter wie diese wurden vom strikt um Seriösität bemühten Veranstalter Softbank kurzerhand ausgeschlossen. Die Betroffenen veranstalteten deshalb eine eigene Messe „Adultex“ mit eindeutigem Schwerpunkt – in Gehweite für alle Comdex-Besucher.