TikTok vermehrt unter Druck: Eine Gefahr für Kinder?

von | 30.08.2024 | Social Networks

TikTok: Harmlose Unterhaltung oder gefährliche Suchtfalle? Wir beleuchten die dunkle Seite der beliebten Video-App und ihre Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche.

Ein aktuelles US-Gerichtsurteil könnte weitreichende Folgen für soziale Medien haben: TikTok muss sich für den Tod einer Zehnjährigen verantworten. Gleichzeitig fordert der deutsche Drogenbeauftragte ein Verbot für Kinder unter 12.

Tod durch Blackout Challenge auf TikTok

Als die zehnjährige Nylah Anderson aus dem US-Bundesstaat Pennsylvania im Dezember 2021 von ihren Eltern leblos in ihrem Zimmer aufgefunden wurde, ahnte niemand, dass ihr Tod in den USA eine grundlegende Debatte über die Verantwortung sozialer Medien auslösen würde.

Eine auf TikTok verbreitete „Blackout Challenge“ hatte das junge Mädchen damals dazu verleitet, sich selbst zu strangulieren (es wurde in TikTok-Videos so vorgemacht) – mit fatalen Folgen: Das junge Mädchen ist dabei gestorben.

Die Blackout Challenge auf TikTok ist ein extrem gefährlicher Trend, bei dem sich Teilnehmer vor laufender Kamera bis zur Bewusstlosigkeit würgen. Das Ziel ist es, einen Zustand der Ohnmacht zu erreichen und diesen Moment zu filmen. Diese lebensgefährliche Herausforderung hat bereits zu mehreren Todesfällen geführt, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 8 bis 14 Jahren. Die Risiken reichen von Ohnmacht über Koma bis hin zum Tod durch Sauerstoffmangel

Blackout Challenge: Würgen oder Drücken bis zur Ohnmacht
Blackout Challenge: Würgen oder Drücken bis zur Ohnmacht

Als Reaktion auf die tödlichen Folgen hat TikTok alle Beiträge zur Challenge gelöscht und zeigt Warnhinweise bei entsprechenden Suchanfragen an. Dennoch haben betroffene Eltern das Unternehmen verklagt, da der Algorithmus angeblich solche gefährlichen Videos fördert. Experten und Eltern betonen die Notwendigkeit von Aufklärung und Prävention.

Sie empfehlen, offen mit Kindern über die Gefahren zu sprechen, ihre Online-Aktivitäten zu überwachen und ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Schulen und Eltern spielen eine wichtige Rolle dabei, Jugendliche über die Risiken aufzuklären und ihnen einen kritischen Umgang mit sozialen Medien beizubringen.

TikTok vor Gericht: Ein Präzedenzfall mit weitreichenden Folgen

Am Dienstag (27.08.2024) ließ ein US-Berufungsgericht eine Klage gegen TikTok zu, in der die Eltern das Unternehmen für den Tod der jungen Nylah verantwortlich machen. Bislang konnten sich Onlinedienste in den USA hinter einer Regel verstecken, dass Onlinedienste nicht für die Inhalte verantwortlich sind.

Doch Richterin Patty Shwartz hat – erstmals in der US-Geschichte – komplett anders entschieden: Sie argumentiert, dass TikTok sehr wohl eine Schuld treffen könnte, weil der Empfehlungsalgorithmus der Plattform der jungen Schülerin diese gefährlichen Inhalte ausgespielt hat.

Junge Menschen informieren sich vor allem auf TikTok
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Der Algorithmus ist entscheidend

Diese Entscheidung könnte die bisherige Auslegung des „Communications Decency Act“ von 1996 grundlegend verändern. Die Art und Weise, wie Algorithmen Inhalte ausspielt (wem wird was gezeigt), seien als „redaktionelle Entscheidungen“ zu werten und somit eine Form der Meinungsäußerung des Unternehmens selbst.

Diese Neuinterpretation könnte weitreichende Konsequenzen haben. Jeffrey Goodman, der Anwalt von Nylahs Mutter, brachte es auf den Punkt: „Die großen Technologiekonzerne haben gerade ihre ‚Du kommst aus dem Gefängnis frei‘-Karte verloren“.

Diese Sichtweise stellt einen Paradigmenwechsel dar. Bisher konnten sich soziale Medien in den USA darauf berufen, lediglich eine neutrale Plattform für nutzergenerierte Inhalte zu sein. Künftig könnten sie für die Auswirkungen ihrer Algorithmen zur Verantwortung gezogen werden.

TikTok nicht nur in den USA unter Druck

Während TikTok in den USA mit rechtlichen Konsequenzen konfrontiert wird, gerät die Plattform auch in Deutschland zunehmend in die Kritik. Der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert forderte kürzlich ein Verbot von TikTok für Kinder unter 12 Jahren.

Blienert argumentiert, dass erst ab diesem Alter Jugendliche besser einschätzen könnten, wie sie soziale Medien sinnvoll nutzen. Er geht sogar noch weiter und fordert technische Einschränkungen nach Alter bis 18 Jahre, um „gefährdende Elemente auszuschließen“.

Lebensgefährliche Stunts: Auf TikTok und Co. an der Tagesordnung
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Ist TikTok tatsächlich gefährlich für Kinder?

Die Frage, ob TikTok eine Gefahr für Kinder darstellt, ist zweifellos komplex und vielschichtig. Einerseits bietet die Plattform kreative Möglichkeiten und Unterhaltung (allerdings längst nicht immer altersgerecht). Andererseits bergen Challenges wie die „Blackout Challenge“ erhebliche Risiken.

Eine Studie der Landesanstalt für Medien NRW zeigt, dass ein Drittel der Challenges auf TikTok potenziell schädlich ist. Besonders beunruhigend: Über 60 Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen begegnen laut Untersuchungen der Landesanstalt für Medien auf TikTok Inhalten, die bei ihnen Unwohlsein verursachen.

Der Algorithmus als zweischneidiges Schwert

Der Empfehlungsalgorithmus von TikTok, der nun im Zentrum der rechtlichen Debatte steht, ist gleichzeitig Stärke und Schwäche der Plattform. Er sorgt für eine hohe Nutzerbindung, verstärkt aber ohne jeden Zweifel auch die Verbreitung problematischer Inhalte.

Dr. Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW, kritisiert: „TikTok muss neben den offensichtlichen Nachlässigkeiten beim Schutz der Menschenwürde auch im Bereich des Jugendschutzes anfangen, seine Verantwortung ernst zu nehmen“.

Eltern in der Pflicht: Begleitung statt Verbot?

Trotz der Risiken plädieren viele Experten nicht für ein generelles Verbot. Stattdessen empfehlen sie eine aktive Begleitung durch Eltern und pädagogische Fachkräfte. Laura Kankaala, Cybersecurity-Expertin, betont die Wichtigkeit einer offenen Gesprächsatmosphäre: „Das macht es Ihren Kindern leichter, zu Ihnen zu kommen und über beunruhigende Inhalte in der App zu sprechen“.

Eltern sollten Konten ihrer Kinder unbedingt komplett anonymisieren, das Alter in TikTok richtig einstellen (viele Kinder tragen ein höheres Alter ein, damit sie keine „Nachteile“ haben) und die Sicherheitseinstellungen gemeinsam anpassen. Außerdem können Eltern die Nutzung der Kinder im eigenen Handy überwachen.

Studie der Landesanstalt für Medien

https://www.medienanstalt-nrw.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen-2024/default-a455c6a6ed/februar/tiktok-studie.html

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