Eigentlich können wir Deutschen das doch: Organisieren. Bürokratie. Effizienz. Doch diese Tugenden scheinen uns abhanden zu kommen. Sich einen Impftermin zu verschffen, das ist eine mindestens mittelgroße Herausforderung. Eine Katastrophe, sagen andere. Tatsächlich ist die Webseite zum Buchen von Terminen in NRW zeitweise ausgefallen – und wenn erreichbar, alles andere als überzeugend.
„Das Licht am Ende des Tunnels“: So haben viele Politiker die Impfaktion in den Impfzentren genannt. Ziel muss sein, möglichst viele impfbereite Menschen schnellstmöglich zu impfen. Doch es gibt nicht nur ständig Hiobsbotschaften, was die Lieferbarkeit der Impfstoffe anbelangt – sondern auch jede Menge Schwierigkeiten und unnötige Hürden bei der Vergabe der Impftermine.
Nicht erreichbar und schlecht gemacht
Streckenweise war die offizielle Webseite nicht erreichbar. Das ist mir völlig unverständlich. Denn wer auf Cloud-Dienste zurückgreift (sogenannte „Content Delivery Networks“), kann wenigstens die Erreichbarkeit der Startseite („Landing Page“) bequem sicherstellen. Selbst wenn eine Million Menschen gleichzeitig darauf zugreifen, gibt es dann kein Problem.
Auch der grundsätzliche Aufbau der Seite wirkt wenig überzeugend. Pro E-Mail-Adresse ist nur ein Termin möglich. Warum können Ehepaare keinen gemeinsamen Termin buchen? Warum können die Tochter oder der Sohn nicht mit ihrer Mail-Adresse für die Eltern einen Termin buchen? Wo waren die Entwickler und die Auftraggeber mit ihren Gedanken?
Digitalisierung? – Och nö …
Und überhaupt: Jeder, der seine Lebensmittel oder Getränke online ordert oder beim Arzt einen Onlinetermin buchen will, bekommt heute mehr Transparenz und Komfort geboten. Es ist zermürbend und frustrierend, wie schlecht es um die Digitalisierung in Deutschland bestellt ist.
Ideal wäre eine Impf-App, die folgende Informationen vermittelt: Wo stehe ich in der Prioritätenliste? Wo ist das nächste Impfzentrum? Wann kann ich mich impfen lassen? Und wenn das Impfzentrum Leerlaufzeiten hat, etwa durch Absage eines Termins, könnten Nutzer im Last-Minute-Prinzip die Lücken füllen.
So eine Impf-App könnte auch automatisch den Recall machen: Die zweite Impfung genau dann, wenn der Impfstoff verfügbar und der optimale Zeitpunkt ist.
Doch um es wirklich gut zu machen, ist es zu spät, wir haben zu viel Zeit verloren. Stattdessen haben wir nun eine Webseite, die nicht richtig funktioniert.
Das Problem ist schon lange klar
Jens Spahn, wie erklären Sie dieses Drama? Seit Monaten weiß der Bundesgesundheitsminister, dass eine große Impfaktion kommen wird. Die Verantwortlichen hätten schon vor Monaten mit der Entwicklung einer App beginnen können – die nicht einmal viel kosten muss, wenn man ein Startup beauftragt anstatt Telekom und SAP.
Ich kenne die Argumente: Der Bund besorgt die Impfdosen (was nicht gut klappt). Und die Länder sind für die Impfung zuständig (was auch nicht gut klappt). Föderalismus als Bremse also? – Das Argument zieht nicht, denn die Probleme sind längst bekannt.
Auf das Potenzial und die Vorzüge der Digitalisierung hat das Bundesgesundheitsministerium weitgehend verzichtet.
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Wann geht es endlich voran mit der Digitalisierung im Gesundheitssektor?