Sony hat in den USA einen Kopierschutz namens XCP eingeführt, der auf PCs ein Rootkit installiert. Eine Technologie, die gewöhnlich von Hackern oder Würmern genutzt wird, um fremde Rechner zu kapern.
Musik-, Film- und Software-Industrie haben es nicht leicht. Seitdem es Computer gibt, vor allem aber das Internet, scheint nichts mehr sicher. Zumindest der Umsatz nicht. Denn eine Kopie von einem digitalen Gut, egal ob nun Musik, Film oder eben Software, ist vom „Original“ nicht zu unterscheiden. Selbst die 100. Kopie ist noch taufrisch, hat keine Sprat-zer, kein Flimmern, keine Ecken und Kanten. Digital eben.
Kopien ohne jeden Qualitätsverlust
Eigentlich doch toll, oder? Wer früher Musik oder VHS-Filme kopiert hat – Software gab es ja noch nicht –, der hat den mitunter doch enormen Qua-litätsverlust beim Kopieren ganz sicher bedauert. Im digitalen Zeitalter gibt es diesen Nachteil nicht mehr. Doch anstatt sich darüber zu freuen, dass die neue Medienwelt so viele Vorteile bringt – und übrigens auch gänzlich neue Wege der Distribution eröffnet! –, hört man von Seiten der Industrie in erster Linie Wehklagen und Jammern.
Liebstes Schreckgespenst: Die so genannte Raubkopie. Die übrigens ei-gentlich gar keine Raubkopie ist, sondern eine „nicht statthafte Kopie“, denn eine „Raub“-Kopie würde nun mal Raub und damit „angedrohte Ge-fahr für Leib und Leben “ voraussetzen. Doch das ist ein ganz anderes Thema. Es wird zweifellos jede Menge illegal kopiert. Nur: Warum müs-sen meist die ehrlichen Kunden darunter leiden? Viele technische Verfah-ren, die dem Kopierschutz dienen sollen, frustrieren und behindern vor allem die ehrlichen Kunden. Sie können die gekaufte CD nicht abspielen, wundern sich über mangelnde Qualität oder haben so ihre liebe Not beim Start der Software.
Gibt es leider häufiger: Kopierschutz, der nervt
Auch so manche Schutzvorrichtung in gekaufter Software kann einen zur Weißglut treiben. Etwa dann, wenn der CD-Player versucht, „versteckte“ Sektoren auf der CD zu finden – und der Start des Lernspiels deswegen mal wieder eine halbe Ewigkeit dauert. Nicht selten klappt das mit dem Lesen des Kopierschutzes nicht gleich beim ersten Mal. Dann muss alles noch mal gestartet werden. Ironie des Schicksals: Wer eine geknackte, illegal kopiert Version benutzt – jeder Kopierschutz lässt sich aushebeln! –, hat mit solchen Macken nicht zu kämpfen.
Eine gänzliche neue Dimension der Belästigung durch einen Kopierschutz hat sich die Firma Sony einfallen lassen. Wer eine Musik-CD in den PC einlegt, die mit dem neuen „XPC“-Mechanismus (Extended Copy Protection) geschützt ist, holt sich ein Schnüffelprogramm aufs Gerät. Das Pro-gramm wird unbemerkt und vor allem ungefragt in den Untiefen des Be-triebssystems verankert. Das Programm überwacht von diesem Augen-blick an das Nutzungsverhalten – und versucht, unerlaubte Kopien zu verhindern. Das Programm arbeitet wohl gemerkt immer, also selbst dann, wenn die CD gar nicht im Laufwerk liegt. Der Rechner wird dadurch lang-samer – aber das ist nur ein kleiner Teil des Problems.
Kopierschutz birgt ein riesiges Sicherheitsleck
Viel bedenklicher: Die installierte Software gehört zur Kategorie „Rootkit“ und ist für Hacker und Cracker ein regelrechtes Einfallstor. Rootkits sind so was wie ein virtueller Dietrich. Viele Datendiebe nutzen genau dieselbe Technologie wie Sony in seinem neuen Kopierschutz, um über das Inter-net in fremde Rechnersysteme einzudringen – und könnten nun Dank der von Sony auf fremde Rechner installierten „Rootkit“-Software auch dort einbrechen. Sicherheitsexperten schütteln den Kopf angesichts dieser Situation.
Immerhin: Kurz nachdem diese ungewöhnliche Form des neuen „Kopierschutzes“ öffentlich bekannt wurde und ein Proteststurm losging, hat Sony auf seiner Homepage Tools (Miniprogramme) zum Entfernen des eigenen Schnüffelprogramms angeboten. Angeblich als „Vorsichtsmaßnahme“. Etwas Vergleichbares hat es bislang noch nicht gegeben.
Interessen wahren, ja – aber mit Augenmaß
Dass die Industrie versucht ihre Interessen zu wahren, ist gut zu verste-hen. Schließlich bedeuten unerlaubt hergestellte Kopien einen hohen Umsatzverlust, vor allem, wenn die Kopien im großen Stil hergestellt wer-den. Aber es darf wohl kaum so weit gehen, dass die Qualität der gekauf-ten Waren darunter leidet oder – noch schlimmer! –, die verwendeten Ge-räte beschädigt oder manipuliert werden.