Zum Glück hat der Spuk nur ein paar Tage gedauert: Übers Wochenende konnte man den deutschsprachigen Teil von Wikipedia nicht wie üblich unter wikipedia.de erreichen, sondern nur unter der offiziellen Adresse de.wikipedia.org (die aber viele gar nicht kennen). Der Abgeordnete Lutz Heilmann (Die Linke) hatte gegen den deutschen Verein geklagt, weil ihm ein Artikel in Wikipedia nicht gepasst hat. Daraufhin hat das Landgericht Lübeck eine entsprechende Einstweilige Verfügung erlassen – und die Domain durfte nichte mehr wie gewohnt zu Wikipedia umleiten.
Doch der Gegenwind war stärker als erwartet. Es ist ein regelrechter Proteststurm losgebrochen, in den Medien, aber vor allem in Blogs und Foren.
Lutz Heilmann hat sich mit der Aktion sicher keinen Gefallen getan. Zum einen haben nun zweifellos mehr Leute als jemals zuvor den Artikel gelesen (und die strittigen früheren Versionen davon, die in Wikipedia alle abrufbar sind und bleiben), zum anderen hat die Sperrung den Groll auf den Abgeordneten erhöht. Nun schießen erst Recht Gerüchte über seine politische und berufliche Vergangenheit ins Kraut.
Immerhin hat Lutz Heilmann die Klage zurückgezogen. Auf seiner Homepage bedauert er, dass die Sperrung der Domain zur Folge hatte, „dass die deutschen Wikipedia-Userinnen und -User in den letzten 24 Stunden keinen direkten Zugriff mehr auf die Wikipedia-Inhalte hatten.“ Das war allerdings vorhersehbar. Immerhin funktioniert Wikipedia.de jetzt wieder.
Wikipedia ist der klare Gewinner des Streits: Das Onlinelexikon hat am Wochenende wohl deutlich mehr Spenden erhalten als sonst üblich. Die meisten User empfinden eine Sperrung eben als „Zensur“, auch wenn das unter streng juristischen Gesichtspunkten keine Zensur ist, und wollen mit Spenden ihre Solidarität bekunden. Verständlich.