15 Jahre Twitter: Zwischen Eleganz und Ignoranz

von | 17.05.2021 | Social Networks

Von allen führenden Sozialen  Netzwerken hat Twitter die geringste Nutzerzahl. Trotzdem hat Twitter eine enorme Bedeutung: Weil viele Journalisten, Politiker und Entscheider hier unterwegs sind. Der Kommunikationsstil hat sich in den 15 Jahren des Bestehens enorm verändert – und das leider nicht zum Guten.

Vor 15 Jahren ist der Kurznachrichtendienst Twitter gestartet. Anders als in anderen Diensten ist die Anzahl der erlaubten Zeichen in einer Nachricht bis heute strikt begrenzt: Anfangs durften es nur 140 Zeichen sein. Weil SMS-Nachrichten maximal 160 Zeichen lang sein durften – und Twitter anfangs nur per SMS funktioniert hat.

Twitter: Ein Vogel als Maskottechen

Kurz und kompakt: Lange Zeit ein Pluspunkt

Die Beschränkung auf wenige Zeichen war lange Zeit eindeutig ein Pluspunkt: Die Menschen haben sich kurz gefasst, nicht so weit ausgeholt – waren mehrheitlich freundlich zueinander. In den ersten Jahren wurde Twitter als Micro-Blogging-Dienst verstanden. Wie ein Blog – persönlich, privat – aber eben kurz und kompakt.

Von diesem freundlichen, eher respektvollen Ton untereinander ist leider nicht mehr viel übrig. Zwar sind Tweets auch heute noch vergleichsweise kurz (maximal 280 Zeichen). Aber auch auf Twitter herrscht heute häufig ein barscher, ungehobelter Ton wie anderswo auch.

Die knappen Sätze scheinen allerdings mit der Zeit eher zum Nachteil zu geworden zu sein. Nicht viel Platz, um echte Argumente zu liefern – aber lang genug, um Emotionen zu schüren und spontane Reaktionen zu induzieren. Empörung, Zurückweisung, Zurechtweisung – das sind zweifellos die häufigsten Reaktionen auf Tweets heute.

Twitter bekommt Hass, Hetze und Beleidigungen nicht in den Griff

Schade, denn es war eben mal anders. Donald Trump hat die Sprengkraft der kurzen Kommentaren zweifellos auf die Spitze getrieben. Nicht nur, weil er ein Meister der Zuspitzung und Provokation ist, sondern weil er lange Zeit – qua Amt – mehr Follower hatte, als die meisten sich zu wünschen wagen.

Das allerdings hat andere Schwachstellen in Twitter zutage gefördert: Die mangelnden Ressourcen, um Twitter zu moderieren und gegen Hass, Hetze und Beleidigungen angemessen vorzugehen. Die kategorische Sperrung des Accounts eines Präsidenten ist zweifellos auch keine Lösung, die als besonders souverän und wiederholungswürdig gelten kann.

Twitter Komto von Donald Trump gesperrt

Zwischen Punk-Kultur und Eleganz

Der Medienwissenschaftler Johannes Paßmann von der Uni Siegen  spricht von „Punk-Kultur mit einer rotzigen Anti-Ästhetik“. So wurde aus dem Netzwerk, das im Arabischen Frühling den Protestierenden eine Stimme gegeben hat – was zu lautem Jubel in der westlichen Welt  wurde – leider (auch) ein Vergiftungsinstrument für die politische Debatte.

Ich würde Twitter – und uns – wünschen: Ein bisschen mehr die Umgangsformen und die Freude an knappen von Formulierungen aus der Anfangszeit – mit den Reichweiten von heute. Ob so etwas überhaupt geht?

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Donald Trump gilt als wohl umstrittenster Twitterer