Nur unzureichende Handhabe gegen Hass-Kommentare

von | 01.06.2016 | Tipps

Die EU-Kommission hat den führenden Online-Diensten Facebook, Twitter, Google und Microsoft eine Art Ehren-Kodex abgerungen. Die Anbieter verpflichten sich, Hass-Kommentare aus dem Netz zu nehmen – wenn sich jemand daran stört und die Anbieter informiert. Doch die Anforderungen sind derart wachsweich formuliert, dass die Online-Dienste mal wieder aus ihrer Verantwortung entlassen werden.

Es ist schon viel über Hass-Kommentare in Facebook gesagt und geschrieben worden. Viel – aber nicht genug. Klar, es gibt nicht nur in Facebook Hass-Kommenare, sondern auch auf Twitter, YouTube, Instagram, in Blogs und Foren – einfach überall. Natürlich auch im echten Leben, nur werden die Kommentare da nicht so gut kommentiert.

Das bringt mich zu einem wichtigen Punkt: Soziale Medien wie Facebook und Co. haben ein hohes Maß an Verantwortung, eben weil sie nicht nur Platt-Form sind, sondern auch Medium. Alles, was gesagt, geschrieben oder gepostet wird, hat das Potenzial, millionen fach gelesen zu werden. Intelligente, verantwortungs-volle Texte stehen da bedauerlicher Weise in Konkurrenz zu dümmlichen, gefährlichen und verantwortungs losen Texten – und die werden sogar öfter gelesen, weil sie die niederen Instinkte ansprechen.

facebook-monitore

Niemand kontrolliert die Inhalte

Das allein spricht schon gegen Soziale Medien: Dummheit gewinnt hier leicht die Überhand. Anders als bei einer Zeitung, in einem Radio-Sender oder im Fernsehen entscheidet niemand, was öffentlich zugänglich sein soll und was nicht. Erst mal ist nahezu alles potenziell geeignet, öffentlich gesehen zu werden.

Erst wenn es Proteste oder Beschwerden gibt, wird vielleicht mal etwas wieder entfernt. Wir wissen, wie lange sich Facebook dagegen gewehrt hat, angemessen auf Hass-Kommentare zu reagieren. Und wir wissen nicht, wie viel Hass-Kommentare es möglicherweise auf Arabisch gibt – die wir nicht verstehen oder erkennen und die nicht entfernt werden, weil sich niemand beklagt.

Verhaltens-Codex

Die EU-Kommission will Soziale Medien wie Facebook, Twitter, Google und Microsoft zu einem Verhaltenscodex verpflichten. Die Tech-Konzerne sagen zu, stichhaltige Anträge auf Entfernen von illegalen Hass-Kommentaren innerhalb von 24 Stunden zu prüfen und diese gegebenenfalls zu entfernen.

Auch sollen die Unternehmen pro-aktiv tätig werden: Mitarbeiter sollten Beschwerden prüfen und darauf achten, dass es zu keiner Hetze kommt. Klingt alles ziemlich bekannt: Unser Bundesjustiz-Minister Heiko Maas hat den Unternehmen für Deutschland schon ähnliche Zusagen abgerungen.

twitter-logo

Ehren-Codex bedeutet: Selbst-Kontrolle

Doch der EU-Kompromiss scheint weniger weit zu gehen als die deutsche Vereinbarung. Da ist von „stichhaltigen Anträgen“ die Rede, die von den Online-Diensten bearbeitet werden. Es muss also jemand die Hass-Kommentare finden, sie markieren und auch noch stichhaltig begründen, wieso sie entfernt werden müssen.

Außerdem fehlt es an Maßstäben, wonach entschieden werden soll, ob etwas zu löschen ist oder nicht. In der deutschen Vereinbarung bezieht man sich auf deutsches Recht – in der europäischen Regelung fehlen solche Leit-Planken. Das macht den Ehren-Codex zu einer stumpfen Waffe. Die Online-Dienste werden sich freuen, denn sie können sich darauf berufen, dass sie nicht mehr machen müssen.

x303x170_tous_europeens_2.jpg.pagespeed.ic.qnU2AjbIxm

Politik kneift

Die Politik macht es den Online-Diensten zu leicht. Facebook, Twitter, Google und Microsoft können sich so auch weiter aus der Verantwortung stehlen. Und alles wird mit dem Recht auf freie Meinungs-Äußerung begründet – alles andere hat sich unterzuordnen.

Ein unhaltbarer Zustand, denn alles, was öffentlich ist, unterliegt einer besonderen Verantwortung. Die Spiel-Regeln dafür müssen überdacht werden – es muss mehr Verantwortung geben. Für Täter – aber auch für alle, die es Tätern so leicht machen, andere zu verunglimpfen oder zu beleidigen. Hass, Hetze und Politik haben im Netz nichts verloren.

Schieb App