Netz-Politik: Es gibt noch eine Menge zu tun

von | 11.10.2016 | Tipps

Wenn ein neues Spiel wie Pokemon Go die Runde macht, berichten sie alle – und die Öffentlichkeit bestens informiert. Über wirklich relevante Themen wie Störerhaftung, Leistungsschutzrecht oder Netzneutralität wird nur sehr unzureichend öffentlich debattiert. Die Macher von netzpolitik.org bieten dankenswerterweise eine öffentliche Debatte an. Fazit: Es gibt noch eine Menge zu tun.

„Das ist Netzpolitik!“, so war die Konferenz von netzpolitik.org am vergangenen Wochenende überschrieben – ausgerichtet von den Machern von netzpolitik.org, die stets ein kritisches Auge darauf haben, wie sich Netzpolitik in Deutschland und im Rest der Welt entwickelt. Kaum irgendwo sonst wird so ausführlich über Netzthemen berichtet und leidenschaftlich diskutiert wie hier.

Fight for your digital rights

Das machte schon ein Motto der Konferenz deutlich: „Fight for your digital rights“. Es kamen vor allem Menschen, die sich beruflich oder aus Überzeugung mit dem Thema Netzpolitik beschäftigen: Netzaktivisten, Politiker, Blogger, die sich darüber unterhalten wollten, was Datenschutz leisten soll, was Privatsphäre bedeutet und was die Politik tun kann oder sollte, um uns vor den Zugriffen durch große Onlinekonzerne oder Geheimdienste zu schützen.

themenwolke

Auf der Konferenz gab es Vorträge, etwa über die Ergebnisse des NSA-Untersuchungsausschusses im Bundestag, aber auch kleinere Workshops, um bestimmte Themen zu vertiefen. Es ging neben netzpolitischen Themen auch um ganz praktische Dinge, etwa den Netzausbau in Deutschland, der bekanntlich nicht so zügig voranschreitet wie er eigentlich sollte, vor allem im ländlichen Gebiet.

Ex-Datenschutzbeauftragter Peter Schaar ist sauer

Auch Ex-Bundesdatenschutzbeauftragter Peter Schaar war gekommen und bezeichnete den Entwurf für das neue Datenschutzgesetz von Innenminister Thomas de Maizière als „skandalös“ und „europarechtswidrig“, er findet ihn außerdem „handwerklich schlecht gemacht“. Es geht dabei um die neue EU-Datenschutzverordnung, die in geltendes deutsches Recht umgesetzt werden muss. Nach Ansicht von Schaar ist das gar nicht nötig, dennoch werde es gemacht: Um den Datenschutz weiter auszuhöhlen, warnte er.

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Image: Wikipedia / Tobias Klenze / CC-BY-SA 4.0. The license must be a link! – Own work, CC BY 3.0, Link

In der Tat sind weitere Befugnisse für Geheimdienste geplant als bisher. Die Geheimdienste sollen unbehelligt personenbezogene Daten verarbeiten und auch Analyseverfahren aus der Wirtschaft verwenden dürfen.

Auch beim so genannten „Scoring“, also der Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse von Bürgern durch Algorithmen, werden die Rechte der Verbraucher reduziert und die der Wirtschaft gestärkt. Außerdem sollen gewisse Scoring-Verfahren auch für die Polizei erlaubt sein. Interessante Einblicke in die geplanten Gesetze – sehr kritisch beäugt von einem, der sich gut in diesem Themenfeld auskennt.

Auch WLAN-Haftung unbefriedigend

Ein weiteres Thema: Störerhaftung in WLANs. Da hat sich dieses Jahr einiges getan, die Störerhaftung wurde weitgehend abgeschafft. Die für Digitalthemen zuständigen Experten im Deutschen Bundestag haben über das Thema diskutiert, die meisten zeigten sich zufrieden über die Entwicklung und riefen dazu auf, nun mehr WLANs zu öffnen, damit sich die Situation in Deutschland verbessert.

WLAN Free Wifi

Allerdings wurde auch auf dem Podium noch mal angesprochen, dass WLAN-Betreiber zwar vor Schadenersatzforderungen geschützt sind, nicht aber vor den Gebühren durch Abmahnungen. Das ist einer Gesetzeslücke geschuldet, die möglicherweise noch geschlossen werden muss. Das Problem sei jetzt der „Unterlassungsanspruch“, also die Möglichkeit für Rechteinhaber, auf Unterlassung eines Rechtsverstoßes zu bestehen, das ermögliche Abmahnungen. Das Thema offene WLANs ist damit immer noch nicht beendet, es gibt noch einiges zu tun.

Leistungsschutzrecht für EU

Natürlich: Die Aktivitäten des EU-Digitalkommissars Oettinger werden von Netzaktivisten generell kritisch beäugt und rufen in der Regel Unverständnis und Empörung hervor, da Oettinger gerne wirtschaftsfreundliche Entscheidungen fällt. Das gilt insbesondere für das Leistungsschutzrecht. Es sieht vor, dass Suchmaschinen und vergleichbare Onlinedienste für Textausschnitte zahlen müssen, wenn sie Texte aus Onlineangeboten von Verlagen zusammenfassen. De facto haben sogar die Verlage, die das Leistungsschutzrecht wollten, Google Sondergenehmigungen erteilt, damit sie nicht aus dem Suchindex fliegen.

Google zahlt in Deutschland keinen Cent. Dieses total verrückte Konzept, das weder in Deutschland noch in Spanien funktioniert, wo es ein ähnliches Gesetz gibt, will Oettinger nun in ganz Europa einführen. Selbst der CDU-Politiker Thomas Jarzombek ist dagegen, weil es einer „Steuer auf Verlinkungen“ gleichkäme. Niemand aus der Politik kann verstehen, was das soll – die Netzaktivisten am aller wenigsten. Anwesende Politiker hielten ein Zitatrecht von bis zu 250 Zeichen Länge zum Nulltarif für ertrebenswert.

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Von Felix KönigEigenes Werk, CC BY 3.0, Link

Weiter kritisch begleiten

Ein Ergebnis in dem Sinne gab es auf der netzpolitik.org-Konferenz nicht. Es gab wie immer viel Kritik und auch Sorge, dass Datenschutz und Privatsphäre weiter ausgehöhlt werden, nicht nur von der Industrie, sondern auch von Behörden und Geheimdiensten. Auch sollte KI-Technik stärker kontrolliert werden: Derzeit führen alle großen Onlinedienste KI-Systeme ein, also Künstliche Intelligenz, wie sie in Digitalen Assistenten wie Siri oder Google Assistant steckt.

Niemand könne aber wissen, welche Daten da gesammelt werden und zu welchen Schlüssen die Dienste kommen. Notfalls müssten die Dienste gehackt werden, um das herauszufinden, forderte eine Forscherin öffentlich. Wenn das keine Kampfansage ist. Daher würde ich sagen: Die Netzaktivisten sind kampfbereit und geben nicht auf.