Recht auf Vergessen gestärkt

Das Internet vergisst nichts – heißt es immer wieder. Und stimmt ja auch: Wer sich selbst mal googelt, findet vielleicht auch blöde Partyfotos, einen mehr oder weniger dummen Kommentar in einem Forum, ein witziges Urlaubsvideo – aber mit der Ex-Partnerin – im Netz. So etwas würde man doch am liebsten loswerden… Geht aber nicht. Doch das Bundesverfassungsgericht hat jetzt entschieden: In ganz bestimmten Fällen gibt es sehr wohl ein Recht auf Vergessen.

Problem: Alte Artikel sofort sichtbar

Ein Mann, der 1982 wegen zweifachen Mordes verurteilt wurde – ein spektakulärer Fall auf einem Segelschiff, deshalb hat die Presse darüber geschrieben –, hat Jahre nach seiner Freilassung geklagt. Denn wer seinen Namen eingibt, findet praktisch direkt alte Artikel über ihn, vor allem im Online-Archiv des Spiegel, die über den Fall berichten. Das Argument: Er wird die Tat nicht los. Obwohl er seine Haftstrafe abgesessen hat.

Nun gibt es ein vom Europäischen Gerichtshof längst festgestelltes „Recht auf Vergessen im Internet“. Das gilt auch in besonders schweren Kriminalfällen, sagt das Verfassungsgericht. Der Mann hat also einen Anspruch darauf, dass nicht jeder durch Eintippen seines Namens erfährt, dass er wegen Mordes gesessen hat.

Müssen jetzt alle Artikel mit seinem Namen aus dem Archiv entfernt werden? Nein, gestrichen werden muss der Artikel nicht. Aber die Richter des BVG sind der Ansicht, der Spiegel – und damit auch andere Redaktionen und Archive – müssten den Zugang begrenzen. Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte müssten Anfragen über den Namen in solchen Fällen erschwert werden. Zum Beispiel sollte nicht jeder, schon gar nicht über eine Suchmaschine bequem Zugang bekommen. Möglicherweise erst nach Anmeldung, nur für wissenschaftliche oder journalistische Zwecke. Das muss nun genauer geklärt werden.

Schutz gegen uneingeschränkten Zugriff

Es gilt, viele Dinge abzuwägen. Personen des Öffentlichen Interesses genießen solche Schutzrechte natürlich nicht. Auch muss geschaut werden, wie lange etwas zurückliegt – und ob es sich nur um Befindlichkeiten handelt, oder um starke Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte, wie im vorliegenden Fall. Ein anderer Fall wurde auch verhandelt. Da fühlte sich eine Frau unwohl damit, dass ihr Name in einem NDR-Beitrag aus dem Jahr 2000 auftaucht, unter der Überschrift „Fiese Tricks“. Das müsse sie sich gefallen lassen, nicht zuletzt, weil der Bericht noch vergleichsweise jung ist, sagen die Richter. Es ist also nicht einfach.

Ich finde es richtig. Denn nicht alles sollte für jeden in aller Ewigkeit zugänglich sein. Es ist keine Einschränkung der Presse- oder Meinungsfreiheit, wenn nicht alles für jeden für immer zugänglich ist. Jetzt braucht es eine Diskussion um die genauen Spielregeln, denn die muss jedes Land selbst definieren.

 

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